Bundespräsidentin Widmer-Schlumpf im TIEF
Solotänzerin Widmer-Schlumpf
Die Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf
steckt im Popularitätstief. Im Bundesrat eckt sie mit ihrem Stil an.
Und im Parlament schürt sie Erwartungen, die sie nicht erfüllen kann.
Grosser Auftritt diese Woche
vor der UNO-Vollversammlung in New York, zu Hause aber sinkt ihre
Popularität: Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf. (24. September
2012)
Bild: Keystone
Die Schweizer Medien sollten im härter werdenden Wettbewerb die
faktengetreue Berichterstattung nicht über Bord werfen. Indiskretionen
und Fehlinformationen würden das Klima vergiften, warnte
Bundespräsidentin
Eveline Widmer-Schlumpf am
Jahreskongress des Verbandes Schweizer Medien in Lausanne. Die
Finanzministerin sorgt mit ihrer intransparenten, sprunghaften Art aber
selber für schlechte Stimmung, Verwirrung und Verärgerung in Bundesrat
und im Parlament, sagen Politiker in Bern.
Beispiel Ökosteuer:
Die Bundesräte Alain Berset (SP), Johann Schneider-Ammann (FDP) und
Doris Leuthard (CVP) erfuhren im August aus der Presse, dass die
Finanzministerin ein Aussprachepapier ausgearbeitet hat.
Obwohl ihre
Departemente von den Widmer-Schlumpf-Plänen direkt betroffen sind, bezog
sie diese bei ihren Arbeiten nicht mit ein. So plante sie, die
Energieabgabe über tiefere AHV-Beiträge der Wirtschaft
zurückzuerstatten. Das hätte für die AHV über eine Milliarde weniger
Einnahmen bedeutet und die Pläne von Berset für die AHV-Revision
beeinträchtigt.
Berset, Schneider-Ammann und Leuthard
intervenierten bei Widmer-Schlumpf. Nun muss die Finanzministerin
zusätzliche Abklärungen vornehmen und kann den von ihr selber
festgelegten Fahrplan nicht einhalten. Bis im Frühjahr 2013 wollte sie
eine Vernehmlassungsbotschaft vorlegen, jetzt wird es wohl 2014. Der
Bundesrat ging ohnehin von einem anderen Fahrplan aus und erwartete im
Juni 2012 einen Bericht zur Ökosteuer. Diesen lieferte sie nicht.
Stattdessen stiess Widmer-Schlumpf die Regierung mit einem
Aussprachepapier vor den Kopf, in dem sie bereits konkrete Massnahmen
formulierte und vom Bundesrat einen Beschluss für eine Ökosteuer
erwartete. Morgen fällt im Bundesrat der Entscheid, wie es mit der
Ökosteuer tatsächlich weitergeht.
Steuerstrafrecht sorgt für Verwirrung
Beispiel Steuerstrafrecht:
Letzten Freitag überraschte sie ihre Kollegen im Bundesrat mit einer
geplanten Revision des Steuerstrafrechtes: Die Pressemitteilung war
derart abgefasst, dass die Parteisekretariate der Bundesratsparteien in
ihren Departementen mehrfach nachfragen mussten, was denn bei dieser
Reform neu sei.
Das eigentliche Herzstück der Reform wurde in einem
mickrigen Sätzchen erwähnt. Nämlich, dass das Steueramt auch bei
Steuerhinterziehung Zugriff auf Bankdaten erhalten soll und das
Bankgeheimnis damit weiter aufgeweicht werden soll. Um diese
innenpolitisch heissen Pläne anzukündigen, trat die Bundespräsidentin
nicht einmal selber vor die Medien.
Dabei hat sie selber im
Nationalrat im Frühjahr 2012 dargelegt, wie wichtig ihr dieses Geschäft
ist. Damals wurde im Parlament unter anderem über das
Steueramtshilfegesetz und über den Steuervertrag mit den USA debattiert.
Widmer-Schlumpf kündigte dabei eine Revision dieses Steuerstrafrechtes
an und sprach von der Aufhebung des «steuerlichen
Bankkundengeheimnisses» in ganz schweren Fällen von Steuerhinterziehung.
Gegenüber der «Aargauer Zeitung» relativierte die Eidgenössische
Steuerverwaltung jetzt diese Aussagen: Im Gesetz eine Unterscheidung zu
machen zwischen leichter und schwerer Steuerhinterziehung, sei nicht
möglich, erklärte ein Beamter auf Anfrage der Zeitung.
Rückzugsgefechte bei der Finanzplatzstrategie
Beispiel Finanzplatzstrategie:
Auch im Dossier Finanzplatzstrategie sorgt die Finanzministerin für
Verärgerung.
Als sie im Frühjahr 2012 die Eckwerte einer
Finanzplatzstrategie ausbreitete, war vor allem von verstärkten
Sorgfaltspflichten der Banken bei der Entgegennahme von Geldern die
Rede. Und von einer Verpflichtung der ausländischen Kunden, zu
deklarieren, ob sie die Steuerpflicht erfüllt haben. Wenige Tage später,
im Parlament, wollte sie plötzlich nicht mehr alle ausländischen
Bankkunden zur Selbstdeklaration verpflichten. Sie sprach von «Gruppen»
und «Kategorien», die man von einer Selbstdeklaration ausnehmen müsse.
Für
noch grösseren Ärger sorgte Widmer-Schlumpf, als sie die
Finanzmarktstrategie auf das kommende Jahr verschieben wollte. Die
Vorlage hat sie eigentlich für September versprochen. Laut «Sonntag»
trat sie im Bundesrat zweimal Rückzugsgefechte an.
Das erste Mal
protestierte Bundesrat Alain Berset, das zweite Mal Bundesrätin
Simonetta Sommaruga. Verblieben ist man nun so, dass die
Finanzministerin im Oktober eine Art Auslegeordnung zur
Finanzplatzstrategie bringt und im Frühjahr dann die
Vernehmlassungsbotschaft. Glücklich darüber ist aber eigentlich niemand.
Viel Goodwill im Parlament verloren
Mit dieser
Hü-und-hott-Politik hat Bundespräsidentin Eveline Widmer-Schlumpf im
Parlament inzwischen viel Goodwill verspielt. Bei der SP wie bei der FDP
sagen einflussreiche Politiker heute über die Bundespräsidentin, sie
richte ihre Politik nach der eigenen Popularitätskurve aus. Das mache
sie bei Sachgeschäften sehr unberechenbar. Ausser ihrer eigenen Partei
verteidigt eigentlich nur noch einer Widmer-Schlumpf durch alle Böden
hindurch: CVP-Parteipräsident Christoph Darbellay.
Kommentar: Eveline Widmer-Schlumpf war für die SVP seit der Abwahl von Christoph Blocher gleichsam eine "Verräterin". Anderseits wurde sie von den anderen Parteien und den Medien nach der Wahl als populäre Bundesrätin und beliebte Bundespräsidentin geschätzt und gelobt. Die Wegwahl misslang. Aus Sicht der SVP wurde jedoch Widmer-Schlumpf gezielt hochgejubelt. Heute scheint der Glanz durch ihren fragwürdigen undurchsichtigen Politstil doch noch zu verbleichen.
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