Samstag, 4. Februar 2012

Wulff: Wenn sich Kleinigkeiten  summieren

Wieder neue Vorwürfe gegen Christian Wulff, wieder liegt kein klarer Rechtsbruch vor – doch die Glaubwürdigkeit nimmt Schaden.


Erneut wird Bundespräsident Christian Wulff vorgeworfen, er habe den niedersächsischen Landtag belogen. Der neue Vorwurf passt ins Bild, das man sich inzwischen von Wulff gemacht hat. Er hat wohl nicht offensichtlich gelogen, aber auch nicht alles gesagt, was er hätte sagen sollen. Ein Bundespräsident, der moralisches Vorbild sein soll und noch mehr sein will, verliert so immer mehr Glaubwürdigkeit.

Erneut geht es um die Aussage, die Wulff im Februar 2010 im Landtag von Hannover gemacht hat, damals noch als Ministerpräsident. Er wurde gefragt, ob er in den letzten zehn Jahren geschäftliche Beziehungen zu seinem väterlichen Freund, dem Osnabrücker Unternehmer Egon Geerkens, hatte. Wulff verneinte.

Doch inzwischen kommen immer mehr geschäftliche Verbindungen zwischen Wulff und Geerkens zum Vorschein. Dass Geerkens Frau Edith dem neu verheirateten Politiker Wulff einen Kredit über 500 000 Euro zum Kauf eines Hauses gab, ist schon lange bekannt. Auch, dass Egon Geerkens die Konditionen des Kredits ausgehandelt hatte und Wulff einen Anschlusskredit bei der BW-Bank besorgte, weiß man seit Wochen.


Neu ist nun der Vorwurf von tagesschau.de, dass Wulff auch über seine alte Anwaltskanzlei – zumindest indirekt – mit Geerkens geschäftlich verbunden gewesen sein soll. Konkret geht es um die Osnabrücker Anwaltskanzlei Funk-Tenfelde, für die Christian Wulff früher tätig war und auf deren Briefpapier er noch lange aufgeführt wurde. Auf der anderen Seite war Geerkens bis 2007 Vermieter der Räume, in der die Kanzlei Funk-Tenfelde residierte. Außerdem war Geerkens auch Mandant der Anwaltskanzlei. Es bestand also eine doppelte Geschäftsbeziehung zwischen Geerkens und der Kanzlei.

Doch bestand dadurch auch eine Geschäftsbeziehung zwischen Wulff und Geerkens, die Wulff im Landtag hätte angeben müssen? Politiker aus dem rot-grünen Oppositionslager werfen Wulff dies vor. Es werde immer offensichtlicher, "dass Wulff den Landtag nach Strich und Faden hinters Licht geführt hat", sagte etwa Stefan Wenzel, Fraktionsvorsitzende der Grünen in Niedersachsen.

Wulffs Medienanwalt Gernot Lehr erklärte gestern jedoch, dass Christian Wulff nie Partner der Sozietät gewesen war. Bis 1994 war er zwar bei Funk-Tenfelde angestellt. Danach habe er seine Tätigkeit aber beendet und auch keine Honorare oder sonstigen Vergütungen mehr erhalten. Wulff hätte zwar als freier Mitarbeiter Mandate für die Kanzlei bearbeiten können, das habe er aber nicht getan. Wulff habe deshalb keine über die Kanzlei vermittelte Geschäftsbeziehung zu Geerkens gehabt.

Es bleibt aber der Fakt, dass Wulff in seiner Zeit als Ministerpräsident weiter auf dem Briefkopf der Kanzlei stand und damit auch einverstanden war. Nach außen wirkte er so wie ein Partner der Sozietät – obwohl er keiner war. Man spricht deshalb von einem Außensozius oder einem Scheinsozius, im Ernstfall hätte er sogar für die Kanzlei haften müssen.

Nach außen sah es so aus, als sei Wulff Partner der Kanzlei.
Es ist zwar nicht verboten, ja teilweise sogar üblich, eine Kanzlei mit solchen Aushängeschildern zu schmücken. Für Wulff könnte das nun aber Folgen haben.

Denn nach außen sah es durchaus so aus, als sei Wulff als Partner der Kanzlei eng mit Geerkens verbandelt. Zumindest darüber hätte Wulff also aufklären sollen. Doch mit strafrechtlichen Konsequenzen muss Wulff in diesem Punkt nicht rechnen. Wer das Parlament anflunkert, macht sich in der Regel nicht strafbar. Die SPD will deshalb das Landesverfassungsgericht von Niedersachsen anrufen. Die Richter sollen feststellen, ob der damalige Ministerpräsident Wulff seine Pflicht zur vollständigen Beantwortung von Fragen verletzt hat.

Objektiv sind das alles eher Kleinigkeiten. Wahrscheinlich werden in den Parlamenten dieses Landes täglich Fragen ausweichend und unvollständig beantwortet. Bei Wulff reagieren Kritiker inzwischen aber allergisch, weil es nach einem Muster aussieht. Und weil es auch meist um persönliche Vorteile und persönliche Beziehungen zu reichen Freunden geht.

Bisher will Wulff seinen Ansehensverlust aussitzen. Derzeit macht er mit seiner Frau Urlaub im Thüringer Wald. Gefährlich dürfte es für Wulff werden, wenn es um Vorteilsnahme und Bestechlichkeit geht. Mit diesem Vorwurf wird inzwischen gegen Wulffs ehemaligen Sprecher Glaeseker ermittelt, der seine Amtsstellung zugunsten eines Partyunternehmers und seiner Veranstaltungen missbraucht haben soll. Auch keine richtig große Sache. Aber erstmals nahm eine Staatsanwaltschaft im Umfeld des Bundespräsidenten strafrechtliche Ermittlungen auf. Dass es jetzt auch für Wulff ernst werden könnte, zeigen die Reaktionen der schwarz-gelben Landesregierung in Hannover. Alle distanzieren sich von Glaeseker. Bald auch von Wulff?
Quelle: Badische Zeitung


Kommentar: 

Bauern und Banker sagen vielfach: "Auch Kleinvieh gibt Mist". In Anlehnung an diese  Erkenntnis, müsste Wulff eigentlich einsehen: "Auch viele Kleinigkeiten summieren sich und können auch die Glaubwürdigkeit nehmen".

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