Montag, 23. Januar 2012

Wulff- Beleidigungen können Folgen haben


Wulff Karikaturen haben Hochkonjunktur








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Foto: titanic-magazin.de
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Foto: unbekannt
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Aus der Berliner Zeitung vom 23. Dezember 2011
Foto: Heiko Sakurai
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Spaß auch ohne reiche Freunde verspricht dieser Autovermieter, der schon öfter mit Politiker-Montagen für Aufsehen sorgte.
Foto: Sixt
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Nach ihrem Interview mit dem Bundespräsidenten wurde auch die ZDF-Journalistin Bettina Schausten in einer Montage verspottet.
Foto: Facebook
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So kreativ riefen Demonstranten zu einer Protestaktion auf.
Foto: wordpress.com
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Foto: unbekannt
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Auch unsere Karikaturisten widmeten sich mit viel Elan dem Thema Wulff.
Foto: Heiko Sakurai
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Untertitel: Bleibendes von Politikern
Foto: Heiko Sakurai
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Aus der Berliner Zeitung vom 3. Januar 2012. Untertitel: Kommunikation mit dem Bundespräsidenten
Foto: Heiko Sakurai
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Aus der Berliner Zeitung vom 24. Dezember 2011


Wulff-Witze im Netz: Im schlimmsten Fall droht Gefängnis

Amtssitz des Bundespräsidenten: Schloss Bellevue (Foto: Eichental, Quelle: Flickr, CC BY-ND 2.0)
Amtssitz des Bundespräsidenten: Schloss Bellevue (Foto: Eichental, Quelle: Flickr, CC BY-ND 2.0)
Das Social Web kostet die Affäre um den Bundespräsidenten weidlich aus: Wulff-Witze, Wulff-Karikaturen und vor allem Fotomontagen schwappen seit Wochen durch Facebook, Google+, Twitter, Blogs und die Leserkommentare der Nachrichtenportale. Nicht alles ist gelungen, vieles liegt deutlich unter der Gürtellinie oder ist zumindest von der Wortwahl schwer zu verdauen. Nur wenige scheinen zu wissen, dass Wulff dank seines Amtes exklusiv ein schneidiges Schwert in der Hand hat, um seinen Ruf auf juristischem Wege zu verteidigen: den Straftatbestand “Verunglimpfung des Bundespräsidenten”.
Wer den ersten Mann im Staate in seiner Ehre herabsetzt, riskiert einiges – unter einer Gefängnisstrafe von drei Monaten geht nichts. Eine Beleidigung von Normalbürgern wird dagegen meist mit Geldstrafe geahndet, sogar ein “Jägermeister” für einen Verkehrspolizisten als Amtsperson kostet vergleichsweise bescheidene 500 Euro

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Friedrich Ebert im Badeanzug


Das Sonderrecht für den Bundespräsidenten hat historische Wurzeln. In Preußen und dem Kaiserreich diente die “Majestätsbeleidigung“ noch offen zur politischen Verfolgung. Unliebsame “Kommentatoren” schrieben und zeichneten damals zwar noch auf Papier, aber dafür in heute noch berühmten Satirezeitschriften wie dem “Simplicissimus”. Vor Strafen hat es sie nicht bewahrt. Ebenso wenig etwa jene Frechdachse, die in der Weimarer Republik ein Bild veröffentlichten, das Reichspräsident Friedrich Ebert im Badeanzug zeigte. Im Nationalsozialismus regierte dann beim Ehrenschutz der Staatsführung ohnehin nackte Willkür – in Form des gesetzlich verankerten “gesunden Volksempfindens”.
Trotz dieser Vorgeschichte und des liberalen Grundgesetzes hat sich die Majestätsbeleidigung ins bundesdeutsche Strafgesetzbuch gemogelt. Bislang fristete sie jedoch glücklicherweise ein Schattendasein. Seit den 50er-Jahren haben ganze zwei Bundespräsidenten die notwendigen Strafanträge wegen Verunglimpfung gestellt – Hintergrund waren jeweils tätliche Angriffe. Ansonsten wollte kein Staatsoberhaupt das Sonderrecht für sich in Anspruch nehmen, obwohl die Polizei im Zeitraum von 1990 bis 2004 immerhin in 41 Fällen ermittelte. Präsident Theodor Heuss brachte das Unbehagen mit seiner Sonderrolle auf den Punkt. Er fragte den Justizminister spitz, “wann es staatspolitisch notwendig ist, dass ich mich beleidigt fühle?”


Wo endet die Meinungsfreiheit?


Es gibt also keine Präzedenzfälle für die aktuelle Internet-Witzwelle gegen den ersten Mann im Staat, und auch die juristischen Kommentare handeln die Verunglimpfung des Bundespräsidenten in dürren Zeilen ab. Kein Wunder, dass in der Affäre Wulff große Unsicherheit herrscht. Wo hört Meinungsfreiheit auf, wo fängt Verunglimpfung an?
Grundsätzlich gilt in Deutschland der Ehrenschutz als wichtige Sache. Fäkalausdrücke, sexuelle Anspielungen oder lose Sprüche à la “Flitzpiepe”, “Schwachmat” und “Vollpfosten” sind fast nie von der Meinungsfreiheit gedeckt. Schwieriger ist es bei Formulierungen, etwa dem derzeit häufig zu lesenden “Lügenpräsident”. So lange so etwas nicht einfach in den Raum geworfen wird, sondern ein sachlicher Bezug zur aktuellen Debatte erkennbar ist, kann hier gerade noch die Meinungsfreiheit überwiegen. Zumindest das Bundesverfassungsgericht sagt nämlich: Je heftiger die politische Debatte, desto deftiger darf auch die Sprache sein

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Nicht jede Satire wird als Satire bewertet




Deutlich geringer ist übrigens das Risiko für alle, die nicht nur schwadronieren, sondern sich des Stilmittels der Satire bedienen. Satire gilt als Kunst. Für die Kunst sieht das Grundgesetz interessanterweise keine Schranken vor, so dass sie mehr (wenn auch nicht alles) darf.
Das satirische Magazin “Titanic” macht es mit seinen bewussten Grenzverletzungen ja vor. Allerdings kann es für den normalen Webnutzer durchaus schwierig sein, als Satiriker vor Gericht anerkannt zu werden. Staatsanwälte und Richter stehen nicht gerade im Ruf, besonders reichhaltig mit Ironiedetektoren gesegnet zu sein.


Wulff nahm Strafantrag zurück




Überhaupt liegt das Risiko für User, die sich im Netz zur Causa Wulff äußern, weniger in der Person des Bundespräsidenten. Dieser hat gerade erst einen Strafantrag zurückgenommen, den er schon vor Beginn seiner Affäre gestellt hatte. Damit wurde der Prozess gegen einen Blogger überflüssig, der diese Woche beginnen sollte.
Durch diese Geste dokumentiert Wulff, dass ihm nicht daran gelegen ist, tausende Ermittlungsverfahren wegen “Majestätsbeleidigung” anzustoßen. Er wäre damit ja auch schlecht beraten. Die unweigerliche Prozessflut würde das derzeit tobende “Stahlgewitter” (O-Ton Wulff) nur anheizen.


Hausdurchsuchung, unangenehme Vernehmung




Riskanter für Wulff-Kritiker sind eher jene, die dem Bundespräsidenten ungefragt zur Seite springen. Sollten Dritte die ungezählten Schmähungen anzeigen, finden sich möglicherweise Polizisten und Staatsanwälte, die erst einmal ermitteln. Das kann bis zur Hausdurchsuchung gehen, etwa um festzustellen, wer sich hinter einer gespeicherten IP-Adresse verbirgt.
Ob der Bundespräsident später einen Strafantrag stellt, braucht die Ermittler zunächst nicht zu interessieren. Sollte Wulff letztlich nicht wollen, würde das allerdings eine Hausdurchsuchung oder unangenehme Vernehmungen nicht ungeschehen machen.


Abmahnung wegen Urheberrechtsverletzung




Etwas Zurückhaltung bei der Präsidentenschelte kann also möglicherweise Ärger ersparen. Das Gleiche gilt übrigens für alle, die Wulff-Fotomontagen online stellen und sich dabei aus dem Netzfundus bedienen. Bilder des Bundespräsidenten sind zwar nicht tabu, aber natürlich haben die Fotografen oder Agenturen hieran das Urheberrecht. Eine ungenehmigte Verwendung solcher Bilder kann zu Abmahnungen führen und richtig teuer werden. Womöglich droht aus dieser Richtung die eigentliche Prozesslawine in der Causa Wulff.
(Das ZDF ist für den Inhalt externer Internetseiten nicht verantwortlich)
Udo Vetter

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