Donnerstag, 20. Oktober 2011

Gaddafi ist tot


Blick publiziert heute das Portrait der Leiche. Das ist ebenso fragwürdig wie die Publikation der Leiche von Bin Laden.




Wie bei Bin Laden ist die Frage berechtigt, ob diese Publikation nicht gegen den Ehrenkodex der Medien verstösst?
Bei Bin Laden schrieb ich im Blog:


Es ist begreiflich, wenn die Medien das Bild eines getöteten Terroristen publizieren möchten. Die Begründung lautete meist: Die Öffentlichkeit hätte dann den Bildbeweis. Doch geht es der Boulevardpresse vor allem um das Bild und damit um die Einschaltquote.
Persönlich war ich – wie Obama – immer gegen eine Publikation einer Foto. Nicht, weil die Aufnahme bei den Anhängern Bin Ladens Rachegefühle aufkommen lassen. Auch nicht, weil der Bevölkerung solch grauenhafte Bilder nicht zugemutet werden könnten (In Krimis werden oft noch schlimmere Bilder gezeigt). Ich glaube auch nicht, dass mit einer Publikation die Verschwörungstheoretiker zum Schweigen gebracht werden könnten.
Es geht mir vielmehr  um ein Prinzip (von den amerikanischen Medien wird dies als Kodex meist eingehalten und bei uns wird es in den meisten Redaktionen so gehandhabt): Es dürfen keine Toten oder gefolterten Menschen abgebildet werden.
Der Kommunikationsfehler im Weissen Haus war aus meiner Sicht die uneinheitliche Information.  Zuerst wollte ein Sicherheitsbeauftragte die Aufnahme zeigen, dann intervenierte der Präsident und das Bild des toten Bin Laden durfte man nicht mehr zeigen. (Es wurde auch bei der Bewaffnung Bin Ladens uneinheitlich informiert. Zuerst hiess es, er sei bewaffnet gewesen, dann wurde dies dementiert.)





Es kamen einige gefälschte Aufnahmen in Zirkulation. Und Obamas Entscheid war aus meiner Sicht richtig. Aus Fachkreisen wurde ich nach meiner publizierten Analyse im Tages-Anzeiger darauf aufmerksam gemacht, dass bei einem grosskalibrigen Schuss durch den Kopf eine visuelle Identifikation ohnehin nichts bringe. Das Gesicht sei meist völlig entstellt. Der Profi, der mir geschrieben hatte, muss laufend Opfer nach Verbrechen untersuchen. Die Idee dieser Fachperson hat etwas für sich. Sie sagte mir am Telefon, man könnte ja die Originalaufnahme lediglich zur Akteneinsicht freigeben, vor allem die DNA-Resultate. Das würde zu einer gewissen Entspannung führen.
Eines steht jedenfalls fest: Ob das Bild publiziert wird oder nicht:Eine Publikation   ist immer falsch.



Der Presseverein unterstützte damals meine Sicht (Ich zitiere):


Bilder von Getöteten veröffentlichen?

Die Tötung von Osama bin Laden wirft die Frage auf, wie mit den dazu entstandenen Bildern umzugehen ist.
Time Cover mit Osama bin Laden (Screenshot Google Bildsuche)


Marcus Knill unterstützt Barack Obamas Entscheid, kein Foto des getöteten bin Laden zu publizieren.
Aus Fachkreisen wurde ich nach meiner publizierten Analyse im Tages-Anzeiger darauf aufmerksam gemacht, dass bei einem grosskalibrigen Schuss durch den Kopf eine visuelle Identifikation ohnehin nichts bringe. Das Gesicht sei meist völlig entstellt.
Soll die Fotografie des toten Bin Laden publiziert werden? (persoenlich.com, Marcus Knill)




Weitere Antworten auf die Frage hat Christian Lüscher bei Schweizer Chefredaktoren gesammelt. Sandro Brotz, Stv. beim “Sonntag”, hält Zensur für den falschen Weg, Gräuelbilder aber auch nicht zumutbar.
Wir müssen uns aber nichts vormachen und eine theoretische Debatte führen: Das Bild wird – wenn es von den US-Behörden erstmals freigegeben wird – innert Sekunden um die Welt gehen.
Die Kommentare unter dem Beitrag sprechen sich alle gegen eine Veröffentlichung aus.
“Wir müssen keine theoretische Debatte führen. Das Bild wird um die Welt gehen” (persoenlich.com)
“Südostschweiz”-Chef David Sieber hat eine Meinung, die sich mit vielen Antworten der anderen Chefredaktoren deckt:
Unter den Aspekten “Zeitdokument” und “Beweis” würden wir das Bild sicher bringen. Es kommt allerdings drauf an, wie grauslig es ist. Der Ekelfaktor entscheidet über Bildgrösse und Farbe oder s/w. Damit wir uns nicht missverstehen: je ekliger, desto zurückhaltender werden wir sein. Kodex hin oder her. Es gibt Bilder, die man zeigen muss. Ich erinnere an das erschossene Ehepaar Ceausescu oder an die Dokumentation von Gräueltaten bis hin zum Holocaust. Das ist alles sehr schwere Kost und doch muss man sich dem stellen.
In seinem Blogeintrag gibt er zu, dass auch die eigene Zeitung im hektischen Tagesgeschäft die presserechtlichen Leitlinien verlassen hat – und äussert sich kritisch über einen Fall in der Glarner Ausgabe der “Südostschweiz”.


Vom schwierigen Umgang mit Bildern (suedostschweiz.ch, David Sieber)
Bild: “Time” Cover mit Osama bin Laden (Screenshot Google Bildsuche)
Erfasst von Ronnie Grob am 8. Mai 2011 (Ende Zitat)

Kommentar: Ich gehe somit davon aus, dass die Publikation des toten Gaddafi in Grossaufnahme von Fachleuten wiederum ein Diskussionsthema sein wird. Ich bleibe bei meiner These.

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