Mittwoch, 28. September 2011

Leuenberger brachte das Fass zum Ueberlaufen.

Nun soll gehandelt werden:


Ich zitiere TAGI:


«Geschmacklos und deplatziert»


Bundesräte nehmen nach ihrem Rücktritt oft umgehend Mandate an, mit denen sie viel Geld verdienen. Damit soll jetzt Schluss sein. Ein neues Gesetz hat im Parlament eine grosse Mehrheit.

1/5 Moritz Leuenberger, bis Ende 2010 Vorsteher des Umwelt- und Verkehrsdepartements, sorgte im Herbst 2010 für Ärger: Der grösste Schweizer Baukonzern Implenia kündigte Leuenbergers Wahl in den Verwaltungsrat an. Implenia ist ein wichtiger Auftragnehmer des Bundes beim Bau der Neat, die Leuenbergers Departement verantwortete.
Bild: Keystone

   

Bundesrat will Ehrenkodex

Nachdem die staatspolitischen Kommissionen (SPK) beider Räte die Vorstösse für eine «Lex Leuenberger» überwiesen haben, muss die SPK des Nationalrats eine Gesetzesänderung erarbeiten, die zuerst dem National-, dann dem Ständerat unterbreitet wird. Die SPK-N wartet aber derzeit eine Stellungnahme des Bundesrats ab, die auf Ende November angekündigt ist: Dieser will sich selber einen Ehrenkodex auferlegen, um die Gesetzesänderung zu verhindern, wie Kommissionssekretärin Ruth Lüthi auf Anfrage von Tagesanzeiger.ch/Newsnetz sagt. «Je nachdem, wie die Kommission diesen Ehrenkodex beurteilt, fällt die Gesetzesänderung nachher weniger streng aus oder man schlägt dem Parlament vor, ganz darauf zu verzichten.» (blu)




Die Frage sorgte für Heiterkeit: Als Bundesrätin Micheline Calmy-Rey nach ihrer Rücktrittserklärung von einem Journalisten gefragt wurde, ob sie gedenke, gut bezahlte Verwaltungsratsmandate anzunehmen, lachte sie. Und der Saal lachte mit. Der Wink galt ihrem Parteikollegen Moritz Leuenberger, der mit seinem Verwaltungsratsmandat bei Implenia (IMPN 20.5 0.74%) in weiten Teilen des Parlaments Kritik auslöste.


Zwar ist Leuenberger nicht der Erste, der vom Bundesratssessel auf den Verwaltungsratssitz wechselt. Ruth Metzler arbeitete nach ihrer Nicht-Wiederwahl – sie war damals 39 Jahre alt – in der Geschäftsleitung der Novartis und im Verwaltungsrat der Schweizer Börse, Joseph Deiss wurde ein knappes Jahr nach seinem Rücktritt 2006 Verwaltungsrat des Milchverarbeiters Emmi, Kaspar Villiger trat fast unmittelbar nach seinem Rücktritt Ende 2003 in die Verwaltungsratsgremien von Nestlé, NZZ und Swiss Re ein, fünf Jahre später wurde er höchster Chef der UBS. (UBSN 11.26 5.93%

Mal mehr, mal weniger problematisch


Ruth Metzler zementierte mit dem Engagement bei der Six Group ihren Ruf als Finanzplatzvertreterin, Kaspar Villiger wurde als ehemaliger Finanzminister Chef des wichtigsten Instituts auf dem Schweizer Finanzplatz. Das Fass zum Überlaufen brachte aber offenbar Moritz Leuenberger, der noch im Oktober 2010 vor dem Implenia-Signet die Einweihung des Gotthard-Basistunnels feierte und wenige Wochen später designierter Verwaltungsrat des grössten Schweizer Bauunternehmens war.
Da platzte einigen Parlamentariern der Kragen. Als «geschmacklos und deplatziert» bezeichnete SP-Nationalrätin Susanne Leutenegger Oberholzer die Annahme des Mandats gegenüber Tagesanzeiger.ch/Newsnetz. Dass es diesmal die SP treffe, die moralisch-ethische Prinzipien «weiss wie hoch» halte, bezeichnete sie als peinlich. SVP-Ständerat This Jenny forderte in einer Motion eine Karenzfrist für bezahlte Mandate bei ehemaligen Bundesräten. Die Frist sollte zwei oder vier Jahre betragen, unbezahlte Arbeit wäre erlaubt.


Zwei oder vier Jahre Frist


Das neue Gesetz, auch Lex Leuenberger genannt, ist so gut wie sicher. Jenny, der das Engagement Leuenbergers bei Implenia gestern Montag im Ständerat nochmals kritisierte, zog seine Motion zugunsten zweier parlamentarischer Initiativen von Susanne Leutenegger Oberholzer (SP, BL) und Max Binder (SVP, ZH) zurück. Die beiden Vorstösse, die von den staatspolitischen Kommissionen beider Räte befürwortet werden und auch im Plenum durchkommen dürften, unterscheiden sich nur im Detail: Binder verlangt eine Karenzfrist von vier Jahren, und sie soll auch für Nonprofit-Engagements gelten. Leutenegger beschränkt sich auf bezahlte Mandate und fordert eine Frist von mindestens zwei Jahren.
So oder so – die Initianten haben eine grosse Mehrheit hinter sich: SVP und SP befürworten die Stossrichtung, die FDP-Vertreter sind mehrheitlich dafür. Auch Ständerat Rolf Büttiker (FDP, SO) befürwortet eine Regelung: «In der Wirtschaft gibt es ein Konkurrenzverbot, warum nicht für Politiker? Moritz Leuenberger hat das Fass zum Überlaufen gebracht, es besteht Handlungsbedarf.» Wichtig für Büttiker: «Bei einer Abwahl darf es keine Karenzfrist geben.»


«Anstand kann man nicht verordnen»


Anderer Meinung ist man in der CVP, deren Vertreter die Vorstösse in den staatspolitischen Kommissionen abgelehnt haben. «Anstand kann man nicht verordnen», sagt Nationalrat Gerhard Pfister (CVP, ZG). «Was Leuenberger macht, ist im höchsten Mass unanständig, aber mit einem neuen Gesetz ist dem Problem nicht beizukommen.» Pfister bemängelt die Schwierigkeiten bei der Umsetzung, die im Detail lägen: «Was ist mit jungen Bundesräten? Sie sollen nicht vier Jahre lang von Steuergeldern leben.» Auch der Nidwalder CVP-Ständerat Paul Niederberger ist gegen eine Lex Leuenberger: «Wir zählen auf den gesunden Menschenverstand.»


Auf der Gegnerseite steht auch der Bundesrat, wie die Antwort auf die Motion von Jenny zeigt: Eine solche Regelung könne negative Auswirkungen auf die Motivation junger Bundesratskandidaten haben. Ausserdem wäre die Einführung einer Wartefrist ein unverältnismässiger Eingriff in die verfassungsrechtlich garantierte Freiheit zur Berufsausübung. Und: «Der Bundesrat geht davon aus, dass seine ehemaligen Mitglieder derartige Mandate mit der gebotenen Sorgfalt auswählen.» Da sind die Parlamentarier offenbar anderer Meinung.


Ende Zitat:



Kommentar: Es trifft zu, dass Anstand nicht verordnet werden kann. Wenn jedoch so viele Bundesräte hinsichtlich Einfühlungsvermögen die Oeffentlichkeit  vor den Kopf gestossen hat, müssen deshalb - wohl  oder übel - gewisse Richtlinien verbindlich festgelegt werden. Es waren zu viele Bundesräte, die den gesunden Menschenverstand nach dem Rücktritt ausgeklammert hatten und den Versuchungen von fragwürdigen Angeboten nicht widerstehen konnten - und zwar von Vertretern verschiedenster Parteien.

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