Donnerstag, 13. Mai 2010

Animalische Rhetorik

Hitler und Stalin nutzten schon die animalische Rhetorik. Deshalb war sie lange verpönt. Während der Finanzkrise wurde die animalische Rhetorik plötzlich wieder salonfähig. Auch in der Politik treffen wir sie immer wieder an.

Aus TAGI online:

Sie sind zurückgekehrt:«Die Geier, welche sich  über den Leib jener Gesellschaften hermachen, von denen aus sie in alle  Welt geschickt wurden.»

Sie sind wieder da:«Die Geier, welche sich über den Leib jener Gesellschaften hermachen, von denen aus sie in alle Welt geschickt wurden.» Bild: Keystone

Artikel zum Thema

Die Angriffe von Spekulanten auf den Euro glichen dem «Verhalten von Wolfsrudeln». Das hat Schwedens Finanzminister gerade gesagt . Schon wieder ein Tiervergleich – die Finanzkrise bewirkt ein Comeback der politischen Zoologie.

Belege dafür gibt es aus den letzten Monaten und Jahren viele: ArboniaForster-Chef Edgar Oehler nennt fremde Finanzinvestoren «Heuschrecken». Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann beruhigt, niemand wolle einen «Raubtierkapitalismus». Und in der linken deutschen Zeitung «Junge Welt» steht zu lesen: «Die Geier des Kapitals sind zurückgekehrt und machen sich über den Leib jener Gesellschaften her, von denen aus sie in alle Welt geschickt wurden.»

Die animalische Rhetorik

Dabei waren Tieranspielungen in der öffentlichen Rede lange verpönt. Zu eng sind sie verknüpft mit totalitären Ideologien. Der Kommunist Lenin bezeichnete alles und jeden ausserhalb der Arbeiterklasse als «Parasiten». Und der Faschist Hitler schimpfte die Juden eine «Rotte von Ratten»; das Echo dieser Barbarei erklang, als 1978 der bayrische Rechtspolitiker Franz Josef Strauss Intellektuelle als «Ratten und Schmeissfliegen» diffamierte.

Die Linke protestierte jeweils laut, ihr Programm war schliesslich die Humanisierung der Welt. Sie war noch vor wenigen Jahren empört, als die SVP Sozialdemokraten als Ratten abbildete und für ihre Ausschaffungsinitiative mit dem Sujet des schwarzen Schafs warb; das sei erniedrigend und rassistisch. Neuerdings, da es um überforsche Kapitalisten geht, ist dieselbe Linke unzimperlich. Tabubrecher war Franz Müntefering; vor fünf Jahren trat er als Chef der SPD die «Heuschreckendebatte» los, indem er über Investoren sagte, sie «fallen über Unternehmen her, grasen sie ab und ziehen weiter».

Die animalische Rhetorik hat inzwischen die politische Mitte erobert – und die Regierungen: «Wenn wir diese Rudel nicht stoppen, werden sie die schwächeren Länder zerreissen», hat der schwedische Finanzminister nachgeschoben. Das ist so überaus dramatisch formuliert, als folge gleich der Abschussbefehl. Doch vergessen wir nicht: Die gesichtslosen, die anonymen Kapitalisten sind letztlich eben keine Wölfe, sondern – Menschen.

Ende Zitat

Kommentar: Der Vergleich mit der Tierwelt ist nicht neu. In Fabeln und in der Karikatur haben Vergleiche mit der Tierwelt Tradition. Selbst für Führungsseminare finden wir in jeder Buchhandlung ein Fülle von Strategien und Prinzipien, die sich am Verhalten von Tieren orientieren:

- Das Pinguin Prinzip

- Der Ferkel Faktor

Frösche, Bären usw müssen herhalten, um die Kompetenzen von Führungskräften zu optimieren.

Siehe rhetorik.ch:

Das Krabbenprinzip

Rhetorik.ch Artikel zum Thema:
Ich durfte jüngst an einer grösseren Veranstaltung über "Führung" referieren, an der auch Regula Ruflin vortrug. Sie erwähnte dabei das Krabbenprinzip:
In einem Korb voller Krabben sorgt die Gruppe dafür, dass jeder Tier, das den Behälter zu verlassen versucht, von den anderen Tieren sofort wieder zurückgerissen wird.
Aufs menschliche Teamverhalten übertragen heisst das natürlich, dass sich ein Individuum, das sich in einer Arbeitsgruppe absetzt oder sich nicht an die Norm hält, meist daran gehindert wird. Bei diesem Phänomen spielt auch der Neidfaktor eine Rolle: wer sich aus der Norm abhebt, muss zurückgebunden werden, damit dieser sich nicht von den andern abheben kann. In der Schule haben jene die sich nicht an die Norm halten, meist Probleme. Wer weiter kommen will als die Norm, muss im Leben bewusst das Risiko auf sich nehmen, von den anderen zurückgebunden zu werden. Wer die Norm verlässt, benötigt eine grosse Dosis "Ich"-Stärke. Vor allem muss er das Krabbenphänomen kennen, damit er in der ersten schwierigen Phase - wenn man ihn hinunterzureissen versucht - nicht sofort klein beigibt. Was zudem hilfreich sein kann: Wer sich auf den Weg nach oben begibt, sollte sich vorher einigen anderen Teammitgliedern verbünden, damit der Rand des Gefässes reibungsloser überwunden werden kann.
Ob das Krabbenverhalten lediglich gut erfunden ist oder der Tatsache entspricht, ist nicht wesentlich. Bildhafte Analogie mit dem Tierreich sind schon seit der Antike hilfreich. Aesop schon machte daraus eine Kunst und produzierte seine berühmten lehrreichen Tierfabeln. Auch viele Managementbücher orientieren sich gerne an der Tierwelt. Manager lieben Geschichten, wie die erbauliche Fabel von den in einen Milchtopf gefallenen Fröschen: Während der eine Frosch bald müde aufgab und ertrank, strampelte der andere die ganze Nacht durch bis die Milch zu Butter wurde und er herausspringen konnte.
Seiwert: Die Bären - Strategie Kotter: Das Pinguin - Prinzip Glaschke: Das Frosch-Prinzip
Johnson: Die Mäuse-Strategie
Schliesslich gibt es eine ganze Industrie , die sich an Managerparabeln und Motivationspostern lustig macht. Hier sind ein paar Beispiele von "Demotivatoren", die Tieranalogien brauchen:
Ehrgeiz: Ein Tausende von Kilometern langer Weg kann manchmal sehr, sehr schlecht enden. Anpassung: Wenn Menschen tun können was sie wollen, imitieren sie sich gewöhnlich.
Faulheit:Vögel in Formation brauchen weniger Energie: Schon in der Natur produziert das Team kollektive Faulheit. Hilflosigkeit: Manchmal bist nicht Du es, der entscheidet.
Gleichgültigkeit: Es braucht 43 Muskeln um die Stirne zu runzeln und nur 17 Muskeln um zu Lächeln. Es braucht jedoch keine Muskeln, einfach nur dumm dreinzuschauen. Einschüchterung: Niemand kann dich gegen Deinen Willen minderwertig fühlen lassen. Du wärst jedoch ein Idiot, das Deinen Vorgesetzten vorzubehalten.
Später: Mach es später. Der erste Wurm ist für die Vögel. Teamarbeit: Teamarbeit ist manchmal weniger wichtig als wer im Team dabei ist.
Teamarbeit: Teile den Sieg. Teile die Niederlage. Elitär: Es ist einsam an der Spitze. Aber es tut gut, nach unten zu schauen und die anderen am Boden zu sehen.
Führer: Mit Führern ist es wie mit Adlern. Es gibt hier beide nicht mehr. Lob: Falls Du an die Spitze willst, sei bereit, viele Hintern zu küssen.

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