Polizeivorsteherin Esther Maurer bricht ihr Schweigen
09.02.2010
Aus TAGI- online:
Zwei lange Tage des Schweigens
In der Nacht auf Sonntag liess sich die Polizei von Randalierern übertölpeln. Sie war auf die Demonstration nicht vorbereitet, hatte zu wenig Polizisten im Dienst und konnte keinen einzigen Krawallmacher verhaften. Weder am Sonntag noch am Montag war die Polizeivorsteherin Esther Maurer für die Medien erreichbar und stiess damit die Öffentlichkeit vor den Kopf. Erst jetzt, zwei Tage nach dem Saubannerzug, nimmt sie Stellung. (fsc)
INTERVIEW:
Die Stadtpolizei Zürich hat keinen Pikettdienst für Einsatzkräfte. Bestehen nach den Krawallen des vergangenen Wochenendes Bemühungen Ihrerseits etwas daran zu ändern? Die Stadtpolizei erarbeitet schon seit längerem ein neues Alarmierungssystem für derart überraschende Einsätze - in Analogie zur Pager-Alarmierung bei der Feuerwehr. Man darf sich aber keine Illusionen machen: Einrückzeit und Bereitstellung mit OD-Ausrüstung brauchen ihre Zeit. Es ist aber verfehlt, deswegen nun eine stehende Einsatzreserve zu fordern. Diese Kosten würden in keinem Verhältnis stehen zum Nutzen, zumal es etwa 7 Jahre her ist, seit eine solche Aktion «Reclaim the Street» zum letzten Mal zu Ausschreitungen geführt hat.
Die Stadt Zürich hat am Wochenende gezeigt, wie verwundbar sie im Ausnahmefall ist. Sucht man nun nach Möglichkeiten, um mit dem bestehenden Polizeikorps auch bei einer spontanen Notsituation mit genügend Beamten vor Ort zu sein? Eine spontane, gewalttätige Demonstration mit mehreren hundert Teilnehmenden ohne jede Vorankündigung, das ist wirklich eine absolute Ausnahme in der Stadt Zürich. Die verfügbaren Kräfte haben mit ihrem Einsatz ein Maximum an Schadensbegrenzung erreicht. Um aber in solchen Situationen gleich reagieren zu können wie an einem 1. Mai oder bei Ausschreitungen an Fussballspielen, d.h. um «genügend» Einsatzkräfte zu haben, bräuchte es eine stehende Einsatzreserve - was erhebliche finanzielle Konsequenzen hätte. Es ist eben wie beim Risk Management allgemein: Man beurteilt die Kosten aufgrund der Eintretenswahrscheinlichkeit eines Szenarios und aufgrund des möglichen Schadensausmasses. Und da kann man unschwer feststellen, dass die Kosten für eine derartige Einsatzreserve pro Tag gleich hoch wären wie die Schadenshöhe, wenn effektiv eine solche Krawalldemo stattfindet.
Vorwiegend bürgerliche Politiker fordern mehr Polizei, scheiterten in der Budgetdebatte aber an SP und Grünen. Setzen Sie sich für mehr Polizei ein? Ich habe mich immer konsequent für das Erreichen unseres Sollbestandes bei der Stadtpolizei eingesetzt und bin stolz, dass wir - wohl schweizweit als einziges Korps - bereits 2007 diesen Sollbestand erreicht haben - was ja nicht selbstverständlich ist bei unserer Grösse, denn wir sind das zweitgrössten Polizeikorps der Schweiz. Und seither ist die Stadtpolizei angehalten, aufgrund der gesellschaftlichen Entwicklungen wie z. B. die 24-Stunden-Gesellschaft und das Nachtleben am Wochenende, ihre Organisation laufend anzupassen und zu verbessern und gleichzeitig aber auch den Sollbestand zu überprüfen und wo nötig anzupassen.
Obwohl die Ausschreitungen am vergangenen Wochenende massiv waren, äusserte sich bis anhin nur der Medienchef der Stadtpolizei. Warum äussern Sie sich erst jetzt? Am 1. Mai gibt es einen Rahmenauftrag des Stadtrates an die Stadtpolizei. Ich verfolge das Geschehen den ganzen Tag lang in der Einsatzzentrale und bin in der Folge in der Lage, die Leistung der Polizei an diesem Auftrag zu messen und entsprechend zu kommunizieren. Bei den Ausschreitungen der vergangenen Samstagnacht musste ich mir erst ein vollständiges Lagebild verschaffen. Ich kann aber heute sehr wohl sagen, dass die Äusserungen des Medienchefs der Stadtpolizei sehr korrekt waren.
Ist die Kommunikation in einem solchen Fall nicht Chefsache? Ich habe in der Kommunikation zwei Grundsätze: Erstens sollen jene kommunizieren, die etwas zu sagen haben, und zweitens soll man sich dann äussern, wenn man die Situation auch tatsächlich überblickt. Beide Grundsätze waren in den letzten 3 Tagen berücksichtigt.
Das Interview wurde schriftlich geführt.
Obschon Esther Maurer drei Tage Zeit hatte, Ihr Interview mit griffigen Argumenten zu überlegen und vorzubereiten und sogar noch die schriftlichen Antworten überprüfen konnte, überzeugen mich einige Argumente nicht.
Wenn Maurer indirekt sagt, die Kosten der Einsatztruppe müssten billiger sein als der Sachschaden, so ist dies nicht nachvollziehbar.
Eine Feuerwehr kann viel mehr kosten als die Schadenhöhe der Brandschäden. Die Polizei ist und bleibt verpflichtet, die Bürger zu schützen - nicht nur ihr Leben - auch ihr Hab und Gut. Wenn der Schutz notwenig wird, müsste sie sich die Polizeivorsteherin auch für eine Erhöhung des Personalbestandes stark machen.
Die Begründung des dreitägigen Abtauchens ist alles andere als wasserdicht. In Krisen kann sich eine Führungspersönlichkeit nicht aus der Verantwortung stehlen, nur weil sie einen guten Kommunikationschef hat. Sich drei Tage abzusetzen ist eindeutig zu lang!!!! Wenn sich Esther Maurer gegen die Forderung nach mehr Polizei wehrt, lässt sie im Grunde genommen durchblicken, dass sie künftig solche Zerstörungen in der Stadt Zürich wieder in Kauf nimmt. Diese Aussage widerspricht ihrer Forderung nach einer stehenden Einsatztruppe, die mehr kostet. Wo ist da die Logik?
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