Montag, 14. September 2009

Zur Bundesratswahl vom 16. Sept:

Wer macht das Rennen?

AUSGANGSLAGE

Nach Blick könnte es Schwaller schaffen:

Auf den ersten Blick ist die Ausgangslage für die Bundesrats-Wahl am Mittwoch klar. Die Partei, welche nach der Fusion mit ihren welschen Gesinnungsgenossen neu FDP.Liberale heisst, hat zwei Kandidaten bestimmt: den Genfer Nationalrat Christian Lüscher und den Neuenburger Ständerat Didier Burkhalter. Die CVP aber will Rache für die Abwahl ihrer Ruth Metzler. Sie wurde 2003 von SVP-Übervater Christoph Blocher verdrängt, mit voller Unterstützung der FDP. Deshalb schickt sie ihr Paradepferd, den Freiburger Ständerat Urs Schwaller, ins Rennen. Wählen wird die Vereinigte Bundesversammlung aus normalerweise 200 National- und 46 Ständeräten. Wegen der Vakanz nach dem Tod von SP-Ständerat Ernst Leuenberger sind es diesmal aber nur 245 Parlamentarier. Die Stimmenverhältnisse sind klar:

Zum Mitte-Links-Lager gehören 52 Köpfe der CVP/glp/EVP-Fraktion, 50 von der SP-Fraktion und 24 Grüne.

Im Mitte-rechts-Lager werden 66 Mitglieder der SVP/EDU-Fraktion gezählt, plus 47 FDP-Köpfe und 6 von der BDP.

Zusammengerechnet macht das 126 für Mitte-Links gegen 119 für Mitte-Rechts. Das absolute Mehr beträgt 123 Stimmen. Stimmt Mitte-Links also geschlossen für Schwaller, wird er gewählt! Trotzdem ist zwei Tage vor der Wahl noch alles offen, denn wie die Politiker tatsächlich stimmen, ist überhaupt nicht klar.

Es gibt folgende Szenarien:

  • Zwar steht CVP-Schwaller der SP politisch nahe. Aber längst nicht alle SP-Parlamentarier werden ihn wählen. Sie fürchten die FDP-Retourkutsche, wenn die SP demnächst einen Bundesrat zu ersetzen hat, vermutlich Moritz Leuenberger.
  • Auch die Grünen könnten kalte Füsse bekommen. Verhelfen sie nämlich jetzt der CVP zu einem zweiten Sitz, hat Mitte-Links, zusammen mit der SP, vier von sieben Bundesrats-Sitzen. Da wird die Bundesversammlung auf absehbare Zeit keinen Grünen in den Bundesrat wählen.
  • Andererseits ist längst nicht garantiert, dass die SVP geschlossen für einen FDP-Kandidaten stimmt. CVP-Schwaller ist nämlich gegen den Agrarfreihandel mit der EU. Und das dürfte den Bauern-Vertretern der SVP gefallen. Was sagen Politik-Experten: Wer wird am Mittwoch Bundesrat?
  • Georg Lutz, Politologe bei der Stiftung FORS in Lausanne, (stöhnt): «50,001 Prozent für Schwaller. Weil es mir realistisch scheint, dass der Schlussgang Lüscher gegen Schwaller heisst. Und dann dürfte Schwaller gewinnen.»
  • Silvano Möckli, Politik-Professor in St.Gallen: «Das kann man nicht voraussagen. Da läuft ein Kommunikationsprozess bei den Parteien, der noch bis Mittwochmorgen gehen dürfte.»
  • Michael Hermann, Politik-Experte an der Uni Zürich: «Ich denke, Didier Burkhalter dürfte genügend rot-grüne Stimmen erhalten, um gewählt zu werden. Aber: Heisst der Schlussgang Lüscher gegen Schwaller, dürfte Urs Schwaller gewinnen.» Wir sehen: Auch die Experten lassen sich also nicht auf die Äste hinaus. Und dann ist da noch der Tessiner Dick Marty. Der am linken Rand der FDP politisierende Ständerat hat Sympathien bei SP-Parlamentariern. Die wollen ihn als wilden Kandidaten ins Spiel bringen. Marty werden allgemein aber keine grossen Chancen eingeräumt. Aber man weiss ja nie. Mit Eveline Widmer-Schlumpf hatte bei der Wahl auch niemand gerechnet. Und dann verdrängte sie niemanden anders als SVP-Übervater Christoph Blocher.
  • Mein Kommentar vor der Wahl zu den einzelnen Kandidaten:

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    Zum Freiburger URS SCHWALLER

    Er hat gute Voraussetzungen zu einem Bundesrat. Er sass einmal neben mir im CLUB als wir über Samuel Schmid diskutierten. Ich sahr wie gut er sich vorbereitet hatte und gut zuhören konnte. Seine vorbereiteten Karten, die er kurz vor der Sendung nochmals durchschaute, benötigte er nicht. Medienrhetorisch überzeugte er mich. Er hat Führungserfahrung (Exekutive) und ist dossiererfahren. Doch sitzt er in der EU Falle: Die SP will ihn nur unterstützen, wenn er eindeutig ja sagt zur EU. In einem Interview sagte er, er sei kein Windfähnchen und ändere seine Meinung nicht. Er war auch gegen einen Finanzdeckel bei den Banken. Bei den SVP Bauern könnte er Stimmen holen, weil er dem Argrarfreihandel kritisch gegenübersteht (hinter dem die CVP Bundesrätin steht). Als Katholik hat er bei gewissen Hochburgen der Reformierten weniger Akzeptanz. Ladenöffnungszeiten will er nicht liberalisieren. Dann wird er von den Welschen nicht als echter Vertreter der französischen Schweiz betrachtet, obwohl er aus dem zweisprachigen Fribourg stammt. Hinsichtlich Kandidatur lavierte er nicht wie Fulvio Pelli. SChwllaer verwies stets auf das Datum, an dem er den Entschied bekannt geben werde und gab dann auch die eindeutige Zusage. Obschon man die Mittepolitiker gerne als vage "Sowohl also" Politiker bezeichnet, die lavieren und keine klare Positionen einnehmen, überraschte mich Urs Schwaller . Er sprach Klartext hinsichtlich des Kommunikationsverhalten bei den jüngsten Problemen. Aus meiner Sicht hat Schwaller sehr gute Voraussetzungen für einen Staatsmann. Die FDP Politiker Couchepin und Pelli machten einen ganz schlechten Eindruck in der Arena. Schwaller würde bei Auseinandersetzungen vor Mikrofon und Kamera nie die Nerven so verlieren. Die SVP wird nie vergessen, dass Schwaller als Akteur mit beteiligt war am Geheimplan B (Abwahl). Für viele Linken ist Schwaller dennoch zu konservativ, eher rechts, denk aber hinsichtlich Mindestlohn doch sozial.

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    Zum Neuenburger DIDIER BURKHALTER

    Er beherrscht als Französichsprechender die deutsche Sprache recht gut. Er hat ein Handicap: Mit seinem Vorschlag, man sollte prüfen die Geiseln in Libyen mit militärischen Mitteln zu befreien, setzte er sich in die Nesseln und wurde hart kritisiert. Führungsqualitäten werden ihm zugesprochen. Doch hat er drei Wochen gezögert, bis er sich als Kandidat verbindlich zur Verfügung gestellt hat. Ich habe ein Interview mit Didier Burkhalter analysiert und stellte fest: Er argumentiert geschickt, wirkt glaubwürdig und ist auch rhetorisch recht gut. Seine Antworten sind bedacht und überzeugen.

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    Zum Genfer Anwalt CHRISTIAN LUESCHER

    Er wird von den Gegenern als rechtsfreisinnig bezeichnet, steht er doch der SVP nahe. Pelli hat ihn vorgeschlagen und steht hinter ihm. Seine Hypothek: Die jüngste Blickgeschichte mit Lolita Morena könnte ihm den Kopf kosten. Die Aufnahme auf der Lüscher mit den zwei Frauen publiziert wurde, bestritt er als echt. Lüscher behauptete zuerst, es sei eine Fotomontage. Er habe sich nie mit diesen Frauen fotografieren lassen. Dann stellte sich jedoch heraus, dass die Fotos echt waren. Hat nun Lüscher gelogen? Oder war alles ein Missverständnis (Uebersetzungsproblem)? Christian Lüscher hat Zivilcourage und nimmt kein Blatt vor den Mund. Man schreibt ihm auch Charisma zu.

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    Der Tessiner Sprengkanditat DICK MARTY, der sich im Grunde genommen selbst ins Spiel gebracht wurde, hat sicher keine Chance Bundesrat zu werden.

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    Der Tessiner JEAN-FRANCOIS RIME (Unternehmer) wurde von der SVP bis zum Schluss als Option ist Spiel gebracht, für den Fall, dass... Gleichsam als Spielverderber

    Die Szenariern (Quelle BUND)

    Folgende Szenarien zeichnen sich ab: Die SVP verzichtet darauf, ihren Kandidaten Jean-François Rime ins Rennen zu schicken und setzt auf Lüscher. Dieser käme in den ersten Wahlgängen auf 70 bis 80 Stimmen. Auf Burkhalter entfielen 50 bis 60 Stimmen von der FDP und zum kleinen Teil von der Linken. Urs Schwaller kann in den ersten Wahlgängen mit rund 100 Stimmen rechnen, wenn SP und Grüne zu zwei Dritteln für ihn stimmen.

    Schwenkt die SVP im letzten Moment um?

    Ab dem dritten Wahlgang fällt der Kandidat mit den wenigsten Stimmen aus dem Rennen. Das könnte zuerst der Tessiner FDP-Ständerat Dick Marty sein, der von SP-Nationalrat Andreas Gross als Sprengkandidat lanciert wurde. Sukkurs dürfte Marty von links, von Tessinern und Linksfreisinnigen erhalten. Die Linke muss aber aufpassen, dass sie mit Stimmen für Marty nicht Burkhalter aus dem Rennen wirft.

    Nach Martys Ausscheiden heisst im vierten Wahlgang die Frage: Burkhalter oder Lüscher? Stimmt die Linke weiter für Schwaller und die SVP für Lüscher, verdrängt dieser Burkhalter, und es kommt zum Duell Lüscher - Schwaller. Dann hat der Freiburger CVP-Ständerat die besseren Chancen: Die Linke wird den Mitte-Politiker dem Rechtsfreisinnigen vorziehen. Für die SVP stellt sich die Frage, ob sie im vierten Wahlgang nicht von Lüscher auf Burkhalter schwenken will, um Schwaller zu verhindern.

    Unfallgefahr für die Linke

    Die SP ist hingegen im Dilemma, ob sie den frei werdenden FDP-Sitz der CVP geben will. Aufgrund der politischen Positionen müsste sie auf Schwaller setzen. Der CVP-Mann steht der Linken näher. Jedoch trauen manche grüne und SP-Parlamentarier Schwaller nicht. So dürfte schätzungsweise ein Drittel der SP Burkhalter wählen. Die Wahlversprechen des Mitte-Politikers seien zu vage, sagt etwa Nationalrätin Margrit Kiener Nellen (BE). Auch die Sprachenfrage spricht für Burkhalter: Für linke Romands ist der Deutschfreiburger Schwaller kaum wählbar.

    Aus strategischen Überlegungen müsste die SP auch zu Burkhalter halten. Denn verhilft die SP Schwaller zur Wahl, droht sie bei einer Vakanz einen ihrer Sitze zu verlieren. Schliesslich muss sich die Linke überlegen, ob sie es zu einer Endausmarchung Lüscher - Schwaller kommen lassen will. Denn Lüscher könnte auch gewinnen – für die Linke ein Horrorszenario. Damit die Koalition von SP, Grünen, CVP, GLP und EVP das absolute Mehr schafft, braucht es nämlich die gleiche Geschlossenheit wie bei der Blocher-Abwahl. Mitte-Links bringt es auf 126 Stimmen, SVP, FDP und die der FDP zugeneigte BDP auf 119. Die Vereinigte Bundesversammlung hat zurzeit 245 Mitglieder; ein Solothurner Ständeratssitz ist nach dem Tod von Ernst Leuenberger vakant. Mitte-Links müsste 123 Stimmen vereinen, um Lüscher zu verhindern. Die SP-Stimmen wären Schwaller sicher, da selbst welsche Sozialdemokraten den Deutschschweizer Schwaller dem Romand Lüscher vorziehen. Bei den Grünen könnte es Leerstimmen geben, die Lüscher helfen. Hintergrund: Ein zweiter CVP-Sitz schmälert die Chance der Grünen auf einen eigenen Sitz im 2011.

    Was machen die SVP-Bauern?

    Winkelzüge könnte es auch in der SVP geben. So erwägen einige SVP-Bauern, Schwaller zu wählen, weil dieser sich skeptisch zum Agrarfreihandel mit der EU geäussert hat. Die Landwirte hören heute die Kandidaten an. Für die SVP ginge die Rechnung beim Duell Lüscher - Schwaller so oder so auf: Wird Lüscher gewählt, kommt es im Bundesrat zu einem Rechtsrutsch. Wird Schwaller gewählt, kann die SVP zwei Jahre lang auf jene «Mitte-links-Koalition» eindreschen, die Christoph Blocher abgewählt hat.

    Offiziell heisst aber das oberste Ziel der SVP: Schwaller verhindern. Dafür rät SVP-Stratege Blocher der Fraktion gar, den europafreundlichen Burkhalter zu wählen: «Schreibt den Namen Burkhalter auf den Stimmzettel, auch wenn euch dabei fast die Hand abfällt», sagte er auf Teleblocher. (Der Bund)

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    ZUR WAHL

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    Es gab keine Ueberraschungen.

    Im vierten Wahlgang wurde Didier Burkhalter gewählt.

    In den ersten Wahlgängen führte Urs Schwaller.

    Die SVP machte nicht auf stur und verhalf am Schluss der FDP zu ihrem Sitz.

    Die Fraktion unterstützte Didier Burkhalter und dankte gleichsam der FDP für die Unterstützung bei der Wahl von Ueli Maurer.

    Laut Politologin Regula Stämpfli ist damit Bunderätin Widmer Schlumpf fast schon abgewählt. Hatte doch ihre Partei die BDP den taktischen Fehler gemacht, die FDP zu unterstützen. Nun kann die BDP nicht mehr mit der Hilfe der CVP rechnen.

    Gewiss hat die Wahl auch mit den Konsequenzen der Abwahl der Bundesräte Metzler - Blocher zu tun, obwohl die SP und CVP immer wieder betonten, man solle nicht mehr zurückschauen. UEbrigens war SChwaller auch mit beteiligt an der Nacht und Nebelation beim "Geheimplan B." Das hat ihm die SBVP bis heute nicht verziehen.

    Die heutige Wahl ist ein Bekenntnis zur Konkordanz. Im Vorfeld hatte man des Gefühl, es gehe mehr Konkurrenz als Konkordanz. Die Wahl glich lange einer eine Richtungswahl.

    Sprachpolitisch sind nun die Würfel auch gefallen und vorläufig keine Thema mehr.

    Es ist nun ein "echter" Welscher gewählt worden. Die Sprachenfrage ist somit vom Tisch.

    Ich behaupte, dass Gaby Huber heute morgen einen wichtigen Nagel eingeschlagen hat. Sie konnte viele Parlamentarier mit ihrem eindeutigen, klaren überzeugen mit dem Argument, man dürfe bei einer Ersatzwahl während der Legislaturperiode, den Sitz nicht streitig machen. Der FDP stehe der vakante Sitz zu. Es stünden wie bei früheren Ersatzwahlen, zwei valable Kandidaten zur Auswahl. Es sei niemandem benommen, eine anderen Vorschlag zu machen. Doch müsse man sich der Konsequenten bewusst sein, wenn die Konkordanz gebrochen werde.

    Solch klare Voten sind nach dem "Einertanzverhalten" Pellis bei der FDP nicht selbstverständlich.

    Bestimmt waren sich auch die SP und die Grünen bewusst, dass ein weiteres "Spiel" unangenehme Folgen hätte bei den kommenden Wahlen.

    Nach dieser heutigen fairen Wahl wird wohl Bundesrat Merz vorläufig nicht zurücktreten.

    Ich habe die Medienkonferenz des neuen Bundesrates mitverfolgt.

    Was mir bei, neuen Bundesrat positiv aufgefallen ist:

    er verzichtet auf Homstorys.

    Bei seinen Auftritten spricht er überlegt und überzeugte mich als guter Zuhörer. Wir haben einen neuen intelligenten Bundesrat, der sich ruhig und verständlich ausdrücken kann und nicht wie Pelli und Couchepin bei Medienauftritten die Nerven verliert. Den Medienmarathon absolvierte er mit Bravour.

    Heute im Gespräch - Marcus Knill

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    Didier Burkhalter heisst der Nachfolger von Pascal Couchepin. Der 49-jährige FDP-Ständerat wurde im 4. Wahlgang mit 129 Stimmen als Bundesrat gewählt. Wir unterhalten uns mit Kommunikationsexperte und Politbeobachter Marcus Knill über den Ausgang der Wahl, parteipolitische Strategien und die Rolle der Medien.

    Das Gespräch sehen Sie heute ab 18:10 Uhr im Schaffhauser Fernsehen und ab 18:30 Uhr online.

    Der freisinnige Neuenburger Didier Burkhalter hat noch nie eine Wahl verloren

    Heute im Gespräch 16.09.2009

    Didier Burkhalter heisst der Nachfolger von Pascal Couchepin. Der 49-jährige FDP-Ständerat wurde im 4. Wahlgang mit 129 Stimmen als Bundesrat gewählt. Wir unterhalten uns mit Kommunikationsexperte und Politbeobachter Marcus Knill über den Ausgang der Wahl, parteipolitische Strategien und die Rolle der Medien.

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