Kann Bundespräsident Merz heute aufatmen?
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Affäre Gaddafi
Heute läuft die Frist ab
Kommen sie oder kommen sie nicht? Bis Ende August dürften die beiden Schweizer Geiseln aus Libyen ausreisen, verkündete Bundespräsident Merz vorletzte Woche nach der umstrittenen Vertragsunterzeichnung. Nun denn - heute ist der 31. August.
Kommentar: An irritierenden Informationen gab es genug. Zuerst hiess es die Geiseln dürften nach Hause. Dann wurde ein Flugzeug nach Libyen beordert um die Geiseln zu holen. Die teure Falcon musste dann nur mit dem Gepäck zurückfliegen. Merz kann hoffen, dass ihn der 1. September erlöst. Doch ist die Affaire nach der allfälligen Rückkehr noch nicht ausgestanden. Es gab zu viele Kommunikationspannen, die nachher eingehend analysiert werden müssen.
Ueber die groteske Geschichte (Kniefall vor einem Diktator) zirkulierten bereits zahlreiche Karikaturen. Profiteur der langen Politposse waren die Medien. Sie hatten eine Geschichte, die laufend neu aufgekocht werden konnte. Bundespräsident verlängert sich selbst die Gnadenfrist Nachtrag (blick): Wenn es heute Mitternacht schlägt, und die beiden Schweizer Gaddafi-Geiseln immer noch nicht zurück sind, hat eigentlich das letzte Stündchen von Merz als Bundesrat geschlagen.
Denn Merz´ Finanzministerium (EFD) hat sich diese Frist selber gesetzt: Die Geiseln müssen bis 1. September zurück sein. Sonst verliert Merz, wie er selber sagte, das Gesicht. Da morgen in Libyen aber die Feierlichkeiten «40 Jahre Unabhängigkeit» auf dem Programm stehen, müssten die letzten Amtshandlungen für die Ausreisebewilligung für Göldi und Hamdani heute stattfinden und die beiden würden dann sofort zum Flughafen fahren.
Deadline jetzt erst morgen Abend
Doch im Finanzdepartement von Merz ist man sich der Sache offenbar nicht mehr so sicher, dass die Geiseln heute frei kommen. Das EFD hält sich nun jedenfalls ein neues Hintertürchen offen. Merz-Sprecher Roland Meier sagte auf Anfrage von Blick.ch, die Deadline «bis 1. September» müsse nicht heute Mitternacht ablaufen, sondern könne auch den morgigen Tag einschliessen.
Damit verlängt Merz die Gnadenfrist einmal mehr.
Nach seiner Rückkehr von Tripolis am 20. August sagte er noch: «Die beiden in Libyen festgehaltenen Schweizer können in den nächsten Tagen das Land verlassen.» Seitdem sind 10 Tage vergangen.
Dann denkt Merz über Rücktritt nach
Morgen Abend, 1. September, ist dann aber definitiv Schluss. Wird Bundesrat Merz zurücktreten, wenn die Geiseln bis dann nicht da sind? «Herr Merz wird sich dann sicher Gedanken machen», sagt Merz-Sprecher Meier gegenüber Blick.ch. «Aber sicher nicht öffentlich.» Diplomatensprache. Im Klartext heisst das: Sind die Geiseln morgen Abend nicht hier, sieht Merz den Rücktritt für unausweichlich.
Wahl für Merz-Nachfolger
«Die Besetzung von Vakanzen erfolgt in der Regel in der Session nach dem Erhalt des Rücktrittsschreibens, dem unvorhergesehenen Ausscheiden oder der Feststellung der Amtsunfähigkeit.» So steht es im Parlamentsgesetz, Art. 133. Das heisst, Merz könnte bereits morgen sein Rücktrittschreiben einreichen. Dann würde es am 16. September sogar zu einer Doppelwahl kommen! Und das Theater um den Couchepin-Nachfolger noch grösser werden. Merz könnte sein Rücktrittschreiben datieren, dass es in der Wintersession zur Ersatzwahl käme.
Um Mitternacht läuft der Countdown für Merz ab
Sollten die beiden Geiseln heute Abend nicht zurück in der Schweiz sein, verliere er sein Gesicht. Dies sagte Hans-Rudolf Merz über sich selbst.
Seine Kritiker warten nur darauf.
Die Spannung lässt nicht nach. Der Politkrimi geht weiter.
Zur aktuellen Fortsetzungsgeschichte:
Qadhafis Scharfmacher lässt Bundespräsident Merz schmoren
Artikel zum Thema
In Bern wartet und wartet und wartet man. Tripolis hat derweil die Hoffnungen auf eine Rückkehr der Schweizer Geiseln noch heute Dienstagmorgen früh platzen lassen. Hinter den neusten Winkelzügen steht Khaled M. Kaim. Der Generalsekretär des Aussenministeriums gilt allgemein als Scharfmacher. Bei ihm laufen die Fäden in der Auseinandersetzung mit der Schweiz zusammen.
Kaim hat gegenüber dem Westschweizer Fernsehen TSR gesagt, die beiden Schweizer müssten wegen den Visaübertretungen noch vor den Staatsanwalt und vernommen werden. Und was noch mehr aufhorchen lässt:
Der Vertrag zwischen Bern und Tripolis beinhalte keine Angaben zu den zwei Personen; diese kämen mit Sicherheit nicht so bald frei.
Heute Dienstag feiert Libyen den 40. Jahrestag der Machtergreifung Qadhafis.
Kommentar
Die Geschichte ist für Bundespräsident Hans-Rudolf bereits heute eine persönliche und politische Katastrophe, obschon er von den meisten Parlamentariern geschont wird (Niemand will die Rückkehr der Geiseln gefährden). Merz behauptete seit Tagen, er habe vom libyschen Premierminister einen Brief mit der Zusage erhalten, dass die beiden Manager bis zum 1. September ausreisen dürften.
Nach gut unterrichteten Quellen (Tagi online) hat Merz im Bundesrat erwähnt, der libysche Premierminister habe ihm nebst der Heimreise der zwei Geiseln auch zugesichert, dass die Verfahren gegen die festgehaltenen Manager Max Göldi und Rachid Hamdani «supendiert und eingestellt» würden. Deswegen hätten das Finanz- und Aussendepartement geglaubt, dass die zwei Geschäftsleute bis Ende August frei kämen.
Als der Inhalt des Vertrages publik wurde, war es für mich schon damals unverständlich, dass die beiden Geiseln darin unerwähnt blieben - obschon überall die Geiselbefreiung angeblich erste Priorität hatte.
Nun könnte dieser weitere Formfehler Merz zum Verhängnis werden.
Qadhafi geniesst es zurzeit förmlich, einen Bundespräsidenten vorzuführen und zu demütigen (so wie sein Sohn angeblich gedemütigt worden war) . Bundespräsident Merz hat somit die letzte Hürde noch nicht genommen.Ferner befinden sich Politiker und Medien in einem Dilemma: Würde nämlich Bundespräsident Wort halten und zurücktreten - nachdem er jetzt das Gesicht verloren hat - wäre dies ein zusätzlicher Triumpf für den libyschen Machthaber. Und dies will ihm niemand gönnen. Anderseits möchten alle den Bundesrat offen kritisieren. Deshalb wird Hans Rudolf Merz trotz aller Pannen und trotz seines unprofessionellen Verhaltens vorläufig geschont noch gut wegkommen und wird im Amt beiben.
Nachdem die Libyer vertragsbrüchig geworden sind, schlug die FDP vor, den Vertrag zu kündigen. (Zitat Blick) .
Die Kohlen aus dem Feuer holen Fällt die Partei damit ihrem Bundespräsidenten, der den Vertrag quasi auf Knien ausgehandelt hat, in den Rücken? «Nein», so der Politologe Michael Hermann. «Ganz im Gegenteil. Sie will das Beste aus der Situation machen und für ihn die Kohlen aus dem Feuer holen. Denn jetzt haben wir die schlechteste Situation: Der Vertrag ist unterzeichnet, die Geiseln sind aber nicht da.» Nahostexperte Ulrich Tilgner weist gegenüber Blick.ch aber auf einen entscheidenden Punkt hin: Die Freilassung der Schweizer Geiseln sei in dem Vertrag nicht erwähnt. Die «schriftliche Zusicherung», wonach die Geiseln bis zum 1. September zurückkehren sollten, sei lediglich vom Eidg. Finanzdepartement (EFD) am 28. August kommuniziert worden: «Libysche Quellen haben bisher meiner Kenntnis nach nichts Entsprechendes veröffentlicht. Ich kenne keine solche libysche Quelle.» EFD soll schriftliche Zusage vorweisen! «Und selbst wenn es eine solche schriftliche Zusage über die Freilassung der Geiseln gibt – ich kann mir nicht vorstellen, dass eine zeitliche Befristung über die Freilassung der beiden Männer festgehalten wurde», erklärt Tilgner. Eine schriftliche Zusage wäre zu diesem Zeitpunkt natürlich hilfreich. Aber: «Das EFD müsste diese Zusage jetzt zeigen: Wer hat die Frist, die beiden Schweizer freizulassen wann, wie und wo zugesichert?» Doch das EFD hüllt sich in Schweigen. Auch heute hiess es auf Anfrage von Blick.ch, dass man nicht bereit sei, das entsprechende Dokument zu veröffentlichen. Gaddafi ist ein schwieriger Fall Den Vertrag mit Libyen jetzt zu sistieren, davon hält Tilgner nichts: «Der Vertrag war nicht glücklich. Jetzt aber davon abzurücken, sendet falsche Signale aus.» Der libysche Ministerpräsident habe beim Merz-Besuch klar und deutlich gesagt: Dies sei nicht das Ende der Affäre, sondern der Beginn der Lösung des Problems. Verzweifelt Druck aufzubauen, würde zu einer neuen Verhärtung der Fronten führen. Es bleibe der Schweiz nur, Libyen mit Nachdruck anzumahnen. Denn Libyen hat noch keine unabhängige Richterinstanz in dem Streit ernannt – und zu einer solchen Ernennung hat es sich tatsächlich bis Ende August vertraglich verpflichtet.Nachtrag Tagi 1. Sept.:
Libyen will Lösegeld für die Schweizer Geiseln
Laut einem Bericht von Radio Suisse Romande fordert Qadhafi für die beiden Geschäftsleute ein happiges Lösegeld
Aus TAGI:
Karikatur
Es wird immer enger für Bundespräsident Merz: Der Nervenkrieg ist noch lange nicht zu Ende Libyen bestätigt Ausreisesperre für Geiseln
Der libysche Aussenminister Musa Kursa sagte gegenüber der Nachrichtensendung 10vor10, die beiden Schweizer Geiseln würden definitiv vor Gericht gestellt. Wann die beiden Schweizer Geschäftsleute ausreisen könnten, werde das Gericht entscheiden. Sie hätten gegen Einreisebstimmungen und «weitere Gesetze» verstossen. Und Kursa drohte weiter: «Niemand kann dem libyschen Rechtssystem etwas vorschreiben».
Mit dieser offiziellen Bestätigung nimmt der Druck auf den Schweizer Bundespräsidenten Hans-Rudolf Merz weiter zu. Er hatte nach seinem Kniefall gegenüber dem libyschen Diktator versprochen, die beiden festgehaltenen Schweizer ABB-Mitarbeiter bis zum 1. September frei zu bekommen. Der Bundesrat-Jet war jedoch leer in die Schweiz zurückgekehrt.
Jetzt wird definitiv klar: der Nervenkrieg zwischen der Schweiz und Libyen ist noch lange nicht ausgestanden. (SDA/lec)
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