Donnerstag, 4. Juni 2009

Airbus-Drama des Air-France-Fluges AF 447 Was geschah 11 000 Meter über dem Atlantik?

Bei allen Katastrophen wollen Journalisten die Ursachen eines Unglücks heausfinden. Das ist ihr Recht. Leider versteigen sich viele Führungskräfte in Mutmassungen und Spekulationen. Sie haben nicht gelernt, in Krisensituationen sich nur an Fakten zu halten und zu beschreiben, was gesichert bekannt ist. Im Fall des AirbusDramas war es erfreulich, dass die meisten Flugexperten und Piloten, die interviewt worden sind, sich weigerten, zu spekulieren. Wenn Sie folgenden Bericht durchlesen, werden Sie erfreulicherweise sehen, dass die Beschreibung von Fakten, gesicherten Sachverhalten dominieren.

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Traurige Gewissheit: Wrackteile als Überreste des Todes-jets identifiziert

Airbus-Absturz: Bombendrohung vor Air-France-Flug nach Paris
Die Atlantik-Route von Flug AF 447
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Es ist ein Szenario, das Menschen erschauern lässt: Mitten in der Nacht, hoch über dem Atlantik, reißt ein Ruck alle Passagiere aus dem Schlaf. Panik bricht aus, es brennt, das Flugzeug dreht sich auf den Kopf und stürzt ins Meer...

Die Katastrophe um den Air-France-Airbus: Weltweit rätseln die Experten, warum das Flugzeug mit 228 Passagieren an Bord abstürzte – noch hat niemand eine Antwort. Immerhin herrscht jetzt eine Gewissheit: Bei den gefundenen Wrackteilen handelt es sich um die Überreste des vermissten Todes-Jets!

Die Aufnahme der NASA zeigt die Wetterlage über dem Unglücksgebiet: Links ist die Küste Südamerikas zu sehen. In der größeren roten Zone (Unwetter und Stürme) im rechten Bildteil geschah das Unglück.

Die Aufnahme der NASA zeigt die Wetterlage über dem Unglücksgebiet: Links ist die Küste Südamerikas zu sehen. In der größeren roten Zone (Unwetter und Stürme) im rechten Bildteil geschah das Unglück.

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Die Trümmerstücke im Atlantik sind nach Angaben der brasilianischen Regierung als Wrackteile der abgestürzten Air-France-Maschine identifiziert worden.

Verteidigungsminister Nelson Jobim erklärte, die Entdeckung der Trümmerteile in einem fünf Kilometer langen Streifen „bestätigen, dass das Flugzeug in dem Gebiet“ mehrere hundert Kilometer nördlich der Inselgruppe Fernandode Noronha abgestürzt sei.

Den letzten Funkkontakt gab es um 3.33 Uhr (MESZ). Der Kapitän informierte darüber, dass er um 4.20 Uhr in den Luftraum von Senegal eindringen werde.

Um 3.48 Uhr verließ die Maschine den brasilianischen Luftraum. Zu diesem Zeitpunkt flog die Maschine in ca. 11 000 Meter Höhe und mit einer Geschwindigkeit von 840 km/h.

Um 4.20 Uhr hätte sich der Pilot der AF 447 beim nächsten Kontrollpunkt (Senegal) melden müssen. Doch nichts geschah. Stattdessen ging um 4.14 Uhr ein automatische gesendetes Signal bei der Flugkontrolle ein, das den Ausfall der Bordelektronik meldete.

Was geschah zwischen 3.48 und 4.14 Uhr über dem Atlantik?

Fest steht: Die Maschine war kurz zuvor durch ein Gebiet mit starken Turbulenzen geflogen, das bestätigte die Fluggesellschaft.

Brachte ein Blitzeinschlag die Maschine zum Absturz?

Nach einer US-Statistik wird jedes Flugzeug mindestens einmal pro Jahr von einem Blitz getroffen. Fast immer ohne Folgen.

Laut Stefan Levedag, Direktor des Instituts für Flugsystem-Technik der Deutschen Gesellschaft für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Braunschweig, ist es extrem unwahrscheinlich, dass ein Blitz allein zum Absturz eines Flugzeuges führt.

Allerdings gibt es bei Blitzeinschlägen drei Schwachstellen eines Jets.

Die Rumpfspitze, in der die Radaranlage untergebracht ist. Schlägt genau dort ein Blitz ein, wird der Jet auf einen Schlag manövrierunfähig. Die Antennen: Hier könnte bei einem Blitzschlag Hochspannung in die Kabelanlage des Flugzeugs gelangen. Ein Ausfall der Elektronik macht ein Flugzeug ebenfalls manövrierunfähig. Die Düsen und die Tanks in den Tragflächen: Schlägt dort ein Blitz ein und trifft auf explosive Kerosin-Dämpfe, kann es zu einer Detonation kommen.

Laut der Website Aviation Safety Network wurde 1963 eine Boeing 707 von Pam Am durch einen Blitz zerstört. Er hatte demnach Kerosingase an einem Triebwerk entzündet, was zu einer Explosion der Tanks führte.

Waren heftige Gewitter und Turbulenzen schuld?

Wegen der starken Turbulenzen innerhalb der Gewitterwolke und der Gefahr elektrischer Entladungen in Form von Blitzen gelten Gewitter als gefährlich. Piloten umfliegen sie in aller Regel mit großem Abstand, da auch Hagelschlag Flugzeuge beschädigen kann.

Es gibt keine Anzeichen dafür, dass die Air-France-Besatzung dies unterlassen haben könnte. Sie galt als erfahren. Der 58 Jahre alte Bordkommandant hatte 11 000 Flugstunden hinter sich; seine Ko-Piloten 6600 beziehungsweise 3000.

„Schlimmer als Blitze sind die Turbulenzen, in denen beispielsweise die Flügel des Flugzeugs abbrechen können“, erläuterte Flugexperte François Grangier beim Sender i-tele. Möglicherweise seien im Sturm auch die Antennen und das Radar der Maschine zerstört worden.

Nach Informationen der Nachrichtenagentur Reuters durchflog nur 30 Minuten vor der AF 447 eine Passagiermaschine der Lufthansa mit Ziel Frankfurt dasselbe Gebiet. Zwei Stunden später querte eine Frachtmaschine der Lufthansa. Beide Flüge verliefen ohne jegliche Probleme.

Wie sieht es mit der Gefahr eines Stromausfalls aus?

Flugzeuge sind immer „redundant“ ausgestattet, das heißt, es gibt immer mehrere Systeme, die denselben Zweck erfüllen. Der Ausfall aller Anlagen ist höchst unwahrscheinlich, aber möglich, wie die Experten vom Luftfahrtbundesamt betonen.

Air France zufolge sendete die Maschine vor ihrem Verschwinden zwar keinen Notruf, aber ein dutzend automatische Botschaften, wonach „mehrere Apparate“ ausgefallen waren. Bei dem als zuverlässig geltenden Airbus A330 sei diese Häufung „noch nie da gewesen“, erklärt die Fluggesellschaft.

Gab es womöglich einen Terroranschlag?

Die französische Regierung will bis zur Klärung der Unglücksursache auch einen Terroranschlag nicht ausschließen. Eine Explosion mitten im Flug könnte eine Erklärung dafür sein, dass kein Notruf abgesetzt wurde. Die Zeitung „Le Figaro“ verweist darauf, dass die Sicherheitsvorkehrungen in Rio de Janeiro „nicht so drakonisch“ seien wie in Europa.

„Entschlossene Terroristen hätten deshalb dieses schwache Glied wählen können, um eine französische Maschine zu treffen.“

Niemand hat sich allerdings zu einem Anschlag bekannt. Französische Ermittler untersuchen dennoch die Passagierliste auf verdächtige Hinweise.

War der Flieger technisch nicht intakt?

Laut Recherchen des ARD-Magazins „Plusminus“ hatte der Unglücks-Airbus 2006 schon einmal einen Unfall, bei dem es zu einer Tragflächenkollision gekommen sein soll. Aber: Erst am 16. April 2009 fand die letzte technische Sicherheitsprüfung statt.

Womöglich wird das Verschwinden des Air-France-Flugs AF447 über dem Atlantik für immer ein Rätsel bleiben. Über die Ursachen können wohl nur die Flugschreiber Aufschluss geben, die aber in Tausenden Meter Tiefe auf dem Meeresgrund extrem schwer zu erreichen sind.

Die „Black Box“ sendet Ultraschallsignale noch in 6000 Metern Tiefe. Allerdings nur 30 Tage lang, dann ist die Batterie erschöpft.

Nachtrag: Für Blick sind Hypothesen spannend. Experten lassen sich leider immer wieder instrumentalisieren und trage zu den Spekulationen bei.

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