Samstag, 3. November 2007

Wir gehen mit Iwan Rickenbachers Betrachtungsweise einig ___________________________________________

Wir haben folgenden Text in der NZZ gelesen und finden, diese Gedanken des Politbeobachters Rickenbacher sind lesenswert:

*********************************************************************************

Mit dem Doppelrücktritt der Präsidenten der SP und der SVP wird möglicherweise der Generationenewechsel fortgesetzt, den die CVP mit Doris Leuthard und Christophe Darbellay in der letzten Legislatur eingeleitet hat. Nicht zu deren Nachteil nota bene.

Im Kanton Zürich hat sich die 58-jährige Frau Diener als Kandidatin für den zweiten Wahlgang durchgesetzt, gegen die 35-jährige Sozialdemokratin Chantal Galladé. Ob dies gegen den fast gleichaltrigen Ueli Maurer in den Augen der eher etwas jüngeren Wählerschaft der SP und der Grünen reicht? Oder bleiben die, welche nicht direkt betroffen sind, zuhause?

In St. Gallen fordert der 33-jährige Toni Brunner die bisherigen und bedeuten älteren Erika Forster und Eugen David heraus. Auf wen setzen die besonders angesprochenen bürgerlichen Wählerinnen und Wähler?

Lokale Bündnisse sind brüchiger geworden, seit sich die Parteien landesweit konsequent und gegeneinander profilieren. Die Ausgangslage für die Nachwahl ist zwar geklärt. Das Ergebnis aber ist ziemlich offen.

AMH vermutet, dass Frau Genner eine Bundesratskandidatur ihrer Partei auch darum nicht forciert, weil ausserhalb der "Macht" besser Gewinne erzielt werden können. Richtig ist, dass eine Partei ausserhalb der Regierungsverantwortung weniger Kompromisse eingehen muss, härtere Forderungen aufstellen kann und darum mehr Profil zeigen kann.

Das Risko besteht darin, dass die Parteien, die an der Macht sind, nicht tatenlos zuschauen, wie die Grünen wachsen. Es braucht keine Hellseherei um vorauszusagen, dass ökologische Themen bei SP,CVP und FDP stärker gewichtet werden. Und dann können Wählerinnen und Wähler schon geneigt sein, Parteien zu wählen, die beides besetzen, die Themen und die Macht.

Vor einem Jahrzehnt hat zum Beispiel die Autopartei mit ihrem Thema in einzelnen Kantonen bis 20% Wähleranteile errrungen. Dann hat ihnen vorab die Regierungspartei SVP das Thema strittig gemacht und die Nichtregierungs-Autopartei war wieder am Anfang.

Cristiano hat richtigerweise festgestellt, dass die Revolution von 1918, die ihre Kinder später frass, nicht eingetreten ist und dass sich die Geschichte nicht so wiederholt. Aber ist Politik viel gescheiter geworden?

Am Wahlabend, in der zweiten Elefantenrunde, stellte Bruno Frick CVP mit sichtlicher Freude fest, dass er nach dem Ergebnis der Wahl nun auf gleicher Augenhöhe mit Fulvio Pelli und seiner FDP argumentiere. Da war deutlich zu spüren, wie die historische Konkurrenz die zwischen den "Radikalen", und den "Konservativen" seit 1848 herrscht,immer noch lebt. Von einer Fusion der beiden Parteien zu reden, wäre immer noch unrealistisch.

Aber auf ihre gemeinsamen Kräfte besinnen dürften sie sich klugerweise schon. Im Ständerat werden die beiden Fraktionen um die 30 von 46 Sitzen verfügen. Da könnte man schon ein Bollwerk gegen allzu deutliche SVP oder SP Positionen im Nationalrat aufbauen, wenn man sich in wichtigen Fragen einigen würde. Würde, denn beide sind auch in der Lage und gelegentlich versucht, mit der SP zusammen und gegeneinander im Ständerat eine Mehrheit zu schaffen.

Übrigens, ähnliche Animositäten wie zwischen CVP und FDP herrschen auch zwischen SP und Grünen, die sich offensichtlich schwer tun, in Zürich für die Nachwahl im Ständerat eine gemeinsame Linie zu finden. Die SVP wird es freuen.

Die Schweiz rühmt sich ihrer Differenzen, nicht selten auf Kosten von Einfluss. Kein gutes Rezept für die, welche in Rücklage sind.

Nachbeben

Eine Revolution fand zwar nicht statt am 21. Oktober, aber ein politisches Beben war es schon, verbunden mit etlichen Nachbeben:

- Ueli Maurer spekuliert über eine grosse Rochade im Bundesrat.

- Christoph Mörgeli will den dreifachen Rücktritt von Moritz Leuenberger, Samuel Schmid und Pascal Couchepin

- Mörgeli spekuliert über den Rücktritt von Ueli Maurer als Parteipräsident und nennt den Berner Adrian Amstutz als möglichen Nachfolger.

- Otto Ineichen und Filippo Leutenegger verlangen den Rücktritt von Pascal Couchepin.

- Über die Nachfolge von Parteipräsident Hans-Jürg Fehr wird spekuliert. Als Nachfolger werden Roger Neumann und Christian Levrat genannt.

- Der Auns Präsident Pirmin Schwander stellte seiner SVP im Kanton Schwyz die Vertrauensfrage und alle Kritiker schweigen.

Zu spekulieren wäre noch über die Nachfolge von Fulvio Pelli und Hans Rudolf Merz und wenn schon, warum nicht auch über die CVP-Führung, im Sinne des totalen Umbaus der classe politique.

Sicher scheint nur: Christoph Blocher wird wieder gewählt. Er meint ja auch nicht sich selbst, wenn er gelegentlich die classe politique kritisiert.

Im «kleinen Machiavelli» von Peter Noll und Hans Rudolf Bachmann (pendo 1991) ist folgende Regel zu lesen:

«Seine Position so ausbauen, dass man möglichst kampflos die potentiellen Gegner überrundet. Jeder Kampf ist eine mögliche Niederlage. Er soll nur gewagt werden, wenn er von weit überlegener Position her geführt werden kann.»

Fast 30% Wähleranteil und um die 70 Mandate der SVP in der Vereinigten Bundesversammlung sind zwar respektabel, aber keine überlegene Position. Für die Wiederwahl als Bundesrat braucht Christoph Blocher am 12. Dezember rund 120 Stimmen. Da wäre es unklug, die möglichen Unterstützer vorgängig zu verärgern, die Konkordanz in Frage zu stellen oder allzu offensichtlich das eine oder andere Departement zu fordern. «Bösartige Unterstellungen» seien solche Vermutungen, meint Ueli Maurer und zeigt sich als Sieger besonnen, ja fast schon versöhnlich (andere SVP-Exponenten wie Fraktionschef Caspar Baader oder Christoph Mörgeli geben sich in diesen Fragen weniger moderat). Ende Mai dieses Jahres war in der Sonntagspresse zu lesen, dass Bundesrat Blocher am liebsten das EDI übernehmen würde – dies wird heute eher beiläufig erwähnt.

Noch ist die Position nicht ausgebaut. Da ist es klüger, listig zu sein. Die Chinesen, mit General Sun Tzu Wegbereiter strategischen Denkens, verwenden nicht zufällig dasselbe Schriftzeichen sowohl für «List» als auch für «Weisheit». Dies ist nicht der letzte Akt.

Nun nach dem Sieg der SVP dürfte die Blocher-Statue im Regal unbeschadet bleiben, wenn am 12. Dezember die Vereinigte Bundesversammlung den Bundesrat wählt. Mit Haarrissen gehen allerdings andere Figuren in die Auktion. Die Stosszähne des Leitbullen streiften gestern trotz grosser Selbstkontrolle die drei älteren Exponate Leuenberger, Couchepin und Schmid. Sie sollten einer neuen Serie weichen, war zu vernehmen, oder wenigstens andere Aufgaben erfüllen (war noch nicht zu vernehmen).

Ob es noch richtig scheppern wird in den nächsten Wochen, werden wir scharf beobachten. Die Elefanten sind nämlich noch mitten drin im fragilen Bundesratsgeschäft und sie haben jetzt nach der Wahl vorerst keinen Dompteur.

********************************************************************************

Wir haben diese klugen Ueberlegungen bewusst ungekürzt zitiert.

Keine Kommentare: