Plumpes Plagiat* oder Unachtsamkeit?
* von lat.: plagium, „Menschenraub“ (geistiger Diebstahl)
Der Vorzeige Minister muss sich den Plagiatsvorwürfen stellen. Wie löst er dieses Problem?
Quelle BLICK online:
Diesen Text schrieb Guttenberg bei der «NZZ am Sonntag» ab
(RDB)
Die Passage:«Aus dem Streit hervorgegangen ist ein durch und durch säkularer, laizistischer Text, der angesichts der europäischen Realität möglicherweise zu Recht auf eine «Invocatio Dei», eine Anrufung Gottes, verzichtet und sich stattdessen auf den Geist der Antike, des Humanismus und der Aufklärung beruft. Nur beiläufig wird auf das religiöse Erbe Europas verwiesen, ohne dass dabei die jüdische, christliche und muslimische Tradition in irgendeiner Weise erwähnt wird. Von religiöser Gegenwart ist überhaupt nicht die Rede.»
Dieser Text von Dr. Klara Obermüller erschien am 22. Juni 2003. Sie ist Ehrendoktorin 2010 der Theologischen Fakultät der Uni Zürich und mehrfach ausgezeichnete Journalistin. Bis 2002 arbeitete sie bei SF als Moderatorin der Sendung Sternstunde Philosophie.
.Guttenberg hatte seine Doktorarbeit 2006 an der juristischen Fakultät in Bayreuth abgegeben. 2007 wurde er dann mit der Bestnote Summa cum Laude zum Dr. jur. promoviert.
Nun muss er sich jedoch gemäss der «Süddeutschen Zeitung» gegen Vorwürfe wehren, bei eben dieser Arbeit abgeschrieben zu haben – ohne Angabe von Quellen. So gebe es in seiner Dissertation einige Passagen, die er wörtlich abschreibt.
Unter anderem bei der «NZZ am Sonntag»: Von einem Artikel der Schweizer Journalistin Klara Obermüller aus dem Jahr 2003 ist in der Doktorarbeit eine längere Passage zu finden – nur gerade ein Wörtchen hat Guttenberg hinzugefügt (siehe Box) und einen Einschub der Autorin in die Fussnote verlagert.
Autorin: «Wie kann man nur so dumm sein?»
Blick.ch erreicht Klara Obermüller in den Ferien im Wallis. Sie hat erst heute Morgen von der Geschichte erfahren. Als erstes entfährt ihr: «Wie kann man nur so dumm sein?» Sie müsse sich bei Herrn Guttenberg schon fragen – heute kriege man das doch so leicht raus.
Obermüller sagt zu Blick.ch: «Für mich ist es eine zweifelhafte Ehre. Ich verstehe nicht, warum er es nötig hatte, zu klauen.» Schliesslich hätten ihm Anführungszeichen und Quellenangabe nicht wehgetan. «Eine Entschuldigung von ihm erwarte ich aber nicht.»
«Dreistes Plagiat»
Der Bremer Juraprofessor Andreas Fischer-Lescano hat die Parallelen mit anderen Texten bei einer Routineprüfung entdeckt. Gegenüber der «Süddeutschen Zeitung» spricht er von einem «dreisten Plagiat» und einer «Täuschung». Die Textduplikate zögen sich durch die gesamte Arbeit und durch alle inhaltlichen Teile, so Fischer-Lescano.
Nun prüft der zuständige Ombudsmann von Guttenbergs früherer Universität Bayreuth, Diethelm Klippel, die Vorwürfe. Guttenberg selbst will von Plagiatsvorwürfen nichts wissen. Er sagt der Zeitung: «Dem Ergebnis der jetzt dort erfolgenden Prüfung sehe ich mit grosser Gelassenheit entgegen. Ich habe die Arbeit nach bestem Wissen und Gewissen angefertigt.» Klara Obermüller glaubt nicht recht daran. «Auch wenn er sagt, das sei ihm unterlaufen – ganz nehme ich ihm das nicht ab.»
Sollten sich die Vorwürfe gegen den Minister als wahr herausstellen, könnte Guttenberg der Doktortitel aberkannt werden.
Nachtrag 20 Min:
Der deutsche Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg soll seine Doktorarbeit teilweise abgeschrieben haben. Dabei bediente er sich auch in der Schweiz
Nachtrag aus BLICK:
Doktor «Copy and Paste»
Guttenberg klaute auch aus Reiseführer
BERLIN - Langsam wirds ungemütlich für «Doktor» Karl-Theodor zu Guttenberg. Der deutsche Verteidigungsminister hat in seiner Dissertation weitaus mehr Stellen geklaut, als bisher angenommen.
Der Bremer Juraprofessor Andreas Fischer-Lescano hat die Doktorarbeit von Guttenberg einer simplen Google-Überprüfung unterzogen – und entdeckte, dass der Minister verschiedenste Passagen bei anderen abgeschrieben hat, ohne diese als Quelle auszuweisen.
Seine Ergebnisse wird Professor Fischer-Lescano Ende Februar in der Fachzeitschrift «Kritische Justiz» veröffentlichen. Ein Exemplar des Artikels liegt Blick.ch bereits vor. Daraus wird ersichtlich, dass Guttenberg sich neben der Schweizer Autorin Klara Obermüller auch bei einer weiteren Schweizerin bedient hat: Ex-Nationalratspräsidentin Gret Haller (SP).
Aus Referat zitiert
Die ehemalige SP-Nationalrätin wurde 1994 Nationalratspräsidentin, war Schweizer Botschafterin beim Europarat in Strassburg. Später fungierte sie als Ombudsfrau für Menschenrechte in Bosnien und Herzegowina. Seit 2009 ist sie am Goethe-Institut in Hamburg tätig.
Haller stellte ein Referat, welches sie 2003 an der Katholischen Akademie in Bayern geführt hatte, auf ihre Internet-Seite. Dabei ging es um das unterschiedliche Verständnis von Staat und Nation dies- und jenseits des Atlantiks. Das Referat fand anlässlich der Tagung «Die USA – Innenansichten einer Weltmacht» statt. Guttenberg bediente sich daraus frischfröhlich – und weist Haller nicht als Quelle aus.
Nachtrag aus Blick:
Nachtrag zur Thematik Plagiat an Hochschulen:
«Plagiate erfolgen vermutlich häufiger auf Stufe Proseminararbeit als auf Stufe Dissertation», sagt auch Birgit Beck, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Bereich Lehre der Universität Zürich. Darüber, wie oft kopiert wird und wie hoch die Dunkelziffer ist, will sie aber nicht spekulieren.
Oberste Priorität hat auch an der Uni Zürich die Prävention und damit die «Einführung» der Studierenden in das wissenschaftliche Arbeiten. Die Plagiats-Software wird erst bei Verdacht eingeschaltet. «Die UZH prüft bewusst nicht alle Arbeiten. Dadurch würden alle Studierenden unter Generalverdacht gestellt», so Beck. Das grundsätzliche Vertrauen in die Studierenden werde als wichtiger erachtet. Ferner sei die Software nicht in jedem Fall das richtige Hilfsmittel, gerade bei Ghostwriting könne das Programm wenig ausrichten.
«Zu wenig harte Linie»
Auch wenn sich die Plagiats-Fälle, die sich pro Jahr an einer Uni ereignen, an einer Hand abzählen lassen – ärgerlich sind sie für die Uni und ihre Dozenten trotzdem.
Der Wissenschaftler Urs Dahinden, der ein Buch zum Thema Plagiate geschrieben hat, fordert denn auch mehr Härte: «Wir gehen davon aus, dass rund ein Drittel der Studenten in ihrer Studienzeit einmal oder mehrmals Plagiate in ihren Arbeiten einbauen», sagt er im Gespräch mit der «Neuen Luzerner Zeitung». «Viele Hochschulen sind noch zu wenig auf das Problem von Plagiaten sensibilisiert und fahren eine zu wenig harte Linie.» (Tagesanzeiger.ch/Newsnetz)
Dr. zu Googleberg:
Hatte er einen Ghostwriter?
Guttenberg streitet alles ab
«Die Anfertigung dieser Arbeit war meine eigene Leistung», versicherte der Beschuldigte bevor er an den Hindukusch flüchtete. In Blogs und auf Kommentar-Seiten deutscher Zeitungen wird daran jedoch ernsthaft gezweifelt.
Anlass gibt nicht zuletzt die Tatsache, dass Guttenberg 2006, als er seine Dissertation fertigstellte, «ein viel beschäftigter Mann» war, wie die «Süddeutsche Zeitung» heute aufzeigt. Seit 2002 ist er Bundestags-Abgeordneter. Während sich andere Parlamentarier in den hinteren Reihen ausruhen, sammelt Guttenberg fleissig Posten und Ämter, darunter:
• Obmann im Auswärtigen Ausschuss
• Rüstungspolitischer Sprecher seiner Fraktion
• Leiter des Fachausschuss Aussenpolitik in der CSU
• Vorsitzender der deutsch-britischen Parlamentarier-Gruppe
• Vizepräsident der Südosteuropa-Gesellschaft
• Beirat der Bundesakademie für Sicherheitspolitik
Dazwischen findet Guttenberg dann noch Zeit, eine 475 Seiten lange Doktorarbeit zu schreiben. Kein Wunder, gehen dabei hie und da mal Anführungszeichen oder Fussnoten vergessen – oder hat etwa jemand anders die Doktorarbeit für den Freiherrn zusammengegoogelt? (rrt)
Aus 20 min:
Deutschland
Da er seine
Erklärung nur vor einer handvoll Journalisten verlas, kam es heute zum
Eklat: Die meisten anwesenden Korrespondenten verliessen die
Bundespressekonferenz, da sie erwartet hatten, dass Guttenberg dort
auftreten würde. (sda)
Karikatur
Kommentar: Zum Diebstahl des geistigen Eigentums:
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