Dienstag, 18. März 2008

Menschenrechtsverletzungen und das grosse Schweigen

Grund: Die Olympischen Spiele und die Wirtschaftsbeziehungen dürfen nicht gefährdet werden!

Dreharbeiten auf dem Campus der Minderheiten-Uni waren nicht erwünscht. (Bild: Reuters)

Die Menschenrechtsverletzungen werden von China schöngeredet. Die Opfer werden zu "Brandstiftern" und die Informationen zensuriert und verfälscht. BEobahter werden des Landes verwiesen. Dank heimlich gefilmten Bildern, gelangen dank Internet und Handy laufend Bilder in den Westen, die veranschaulichen, dass die offiziellen Informationen manipuliert werden.

Nicht sehen, nichts hören, nichts sagen?

China unterdrückt die Proteste in Tibet mit brutaler Härte – der Westen schweigt. Vor der Olympiade reagieren die meisten Staaten lau bis verlegen. Dieses "Gewehr bei Fuss stehen" hat Gründe: Wirtschaftliche Interessen im Boomland China haben mehr Gewicht als die Menschenrechte. Die Olympiade darf unter keinen Umständen nicht gefährdet werden.

Symbolbilder des Widerstandes sind uns zwar noch in den Köpfen: Z.B. beim Tiananmen-Massakers von 1989: Ein einzelner Mann stellte sich den Panzern in den Weg.

Nach Peter Achten setzt momentan China alles daran, die Lage in Tibet unter Kontrolle zu bekommen. Sie packen mit harter Hand an und versuchen, Tibet abzuriegeln. Ausländer dürfen schon seit Freitagabend (14.3.) nicht mehr einreisen. Touristen, die noch dort sind, werden nun wohl schnellstmöglich des Hochlands verwiesen.

Für China ist es extrem wichtig, dass es zu keinem Marketing-Desaster für die Olympischen Spiele gibt, denn diese haben oberste Priorität.

Die Tibeter nutzten die Gunst der Stunde kurz vor den Spielen, um auf ihre Situation aufmerksam zu machen.

China wird und muss die Situation kontrollieren.

Es sind zwar die grössten Demonstrationen der Tibeter seit 20 Jahren, aber für die Chinesen gehört Tibet seit Jahrhunderten zu China. Diese Tatsache ist für sie nicht verhandelbar.

Falls sich die Demonstrationen ausweiten und China nicht die Oberhand gewinnt, könnte ein Bürgerkrieg drohen.

Russland unterstützte bis jetzt in der Regel China. Den chinesischen Machthabern fiel es deshalb leicht, der Weltöffentlichkeit «Absurditäten und Verzerrungen» zur Lage in Tibet zu präsentieren.

Die offiziellen Informationen stimmen mit den heimlich gefilmten Szenen nicht überein. Trotz Zensur und Medienmanipulation dringen laufend heimlich gefilmte Dokumente an die Weltöffentlichkeit. Das Handy und Internet machen den Machthabern das Leben schwer. Auf die Bilder der Gewalt reagieren zwar einzelne Medien in den demokratischen Ländern.

Doch hat der Westen auf die Unterdrückung der Proteste in Tibet nur mit mahnenden Worten reagiert. Das Eidgenössische Departement für Auswärtige Angelegenheiten (EDA) rief die chinesischen Behörden dazu auf, die Gewalt einzustellen und die Menschenrechte zu respektieren. Das französische Aussenministerium rief vor dem Hintergrund der Olympischen Spiele die Bedeutung der Menschenrechte in Erinnerung. Und US-Aussenministerin Condoleezza Rice forderte China auf, die Rechte seiner Bürger auf den friedlichen Ausdruck ihrer politischen und religiösen Ansichten zu respektieren.

Die mahnenden Worte werden in China überhört. Die Repression wird sogar noch verschärft

Die USA ging letzte Woche mit schlechtem Beispiel voran, als sie China von der Liste der zehn grössten Menschenrechts-Sündern gestrichen hatten, obwohl der zugehörige Bericht die Lage nach wie vor als «schlecht» einstufte. Menschenrechtler reagierten empört und verwiesen darauf, dass China im Vorfeld der Olympischen Spiele von Peking die Repression noch verschärft habe.

Doch auch das Internationale Olympische Komitee (IOC) äussert sich vorzugsweise gar nicht zum heiklen Thema. IOC-Präsident Jacques Rogge beliess es am Wochenende auf der Karibikinsel St. Kitts bei der Bemerkung, er sei «besorgt». Es sei jedoch nicht die Aufgabe des Komitees, die Menschenrechtssituation in Tibet zu verbessern. Von einem Boykott der Spiele will er ohnehin nichts wissen. Der Sport habe keinen politischen Auftrag.

Wirtschaft vor Menschenrechten

Die Reaktionen sind typisch für das Verhalten des Westens. Angesichts traumhafter Wachstumsraten im wirtschaftlichen Boomland China sind die Menschenrechte in den letzten Jahren zunehmend in den Hintergrund gerückt. Das letzte Mal ergriff die internationale Gemeinschaft Sanktionen gegen die Volksrepublik, als sie 1989 die Demokratiebewegung auf dem Pekinger Tiananmen-Platz mit Gewalt niederschlug. Die Zahl der Toten wurde nie bekannt gegeben, man schätzt sie auf mehrere Tausend. Die Europäische Union verhängte damals ein Waffenembargo, das noch immer in Kraft ist. Allerdings wurde seine Aufhebung in den letzten Jahren vermehrt gefordert, so vom früheren deutschen Bundeskanzler Gerhard Schröder. Beispielhaft für die heutige Haltung waren die Reaktionen, als Schröders Nachfolgerin Angela Merkel im letzten November den Dalai Lama empfing. Die Wirtschaft verlangte mehr Zurückhaltung in der deutschen Chinapolitik. «Es gibt natürlich das Menschenrechtsthema, aber auf der anderen Seite haben wir klare wirtschaftliche Interessen», zitierte die «Financial Times Deutschland» damals den Vertreter einer grossen deutschen Bank.

Kommentar: Wer nach den jüngsten Ereignissen schweigt, erweckt den Eindruck, er akzeptiere die jüngsten Menschenrechtsverletzungen. Selbstverständlich kann der Sport nicht nachholen, was die Politik versäumt hat. Nach Swiss-Olympic Präsident Jörg Schild müsste jedoch das IOC China an die Erwartungen erinnern, die es bei der Vergabe der Spiele geäussert hat. Das könnte eine klare Botschaft sein, im Sinn des Olympischen Gedankens (Innenpolitische Probleme werden mit Dialog und nicht mit Gewalt gelöst). Erinnern wir uns an die Geschichte der Olympischen Spiele. Es sollten Spiele des Friedens sein. Ein Land das Krieg führt, durfte gar nicht teilnehmen. Wie steht es, wenn es um krasse Verletzungen der Menschenrechte geht? Falls die Situation eskaliert, ist es dankbar, dass einzelne Länder oder einzelne Sportler doch noch ein Zeichen setzen. Jedenfalls ist die Geschichte noch nicht ausgestanden.

Illustration Blick-online:

Abwarten und Tee trinken?
Nachtrag:

Abwarten und Tee trinken?

Nun haben die Proteste von Tibetern gegen China auch die chinesische Hauptstadt erreicht. Davon lässt sich Ministerpräsident Wen Jiabao wohl kaum beeindrucken.

Die Proteste werden an ihm abperlen. Er weiss, die Olympischen Spiele und die Wirtschaftsverbindungen sind dem Westen viel wichtiger als Menschenrechte. Ministerpräsident Wen kann damit rechnen, dass der Westen nichts unternehmen wird, das Konsequenzen haben könnte.

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