Das verhängnisvolle Spiel mit dem Beispiel
Beispiele ankern im Gedächtnis, auch wenn sie nachträglich korrigiert werden.
Das Apfelbeispiel wirkte enorm
(Aus Tagi)
Die Befürworter ahnten es: Der Apfel würde ihnen am Schluss
schaden. In einer Fernsehsendung hatte der Ausserrhoder FDP-Ständerat
und Initiativgegner Andrea Caroni das umstrittene Apfelbeispiel erwähnt:
Ausländer, die ein Leben lang in der Schweiz lebten und einen Apfel
aus dem Garten des Nachbarn stehlen würden, würden bei Annahme der
Durchsetzungsinitiative zwingend ausgeschafft. Das hat offenbar bei
vielen jungen Ja-Stimmenden gewirkt. Nach der verlorenen Abstimmung sagte
der designierte SVP-Präsident Albert Rösti, dass es seiner Partei nicht
gelungen sei, das Apfelbeispiel zu entkräften: «Es wurde mit absoluter
Penetranz immer wieder vorgebracht und hielt sich hartnäckig.»
Verblüffende Unterschiede
«Unter
dem Apfelklau oder auch anderen Bagatelldelikten konnten sich die
jungen Wähler bildlich vorstellen, welche Folgen die
Durchsetzungsinitiative haben würde», sagt Politgeograf Michael Hermann.
Sein Forschungsinstitut Sotomo hat zusammen mit Tamedia, zu der auch
Tagesanzeiger.ch/Newsnet gehört, eine Abstimmungsbefragung zu den
Volksabstimmungen vom 28. Februar durchgeführt. 67'000 Personen
beteiligten sich zwischen Freitag und Sonntag an der Onlineumfrage.
«Fast schon verblüffend sind die Unterschiede bei den Altersgruppen: Je
jünger die Nein-Stimmenden, desto häufiger wurde das
Bagatelldelikt-Argument vorgebracht», heisst es in der Studie. Vom
Argument «unmenschliche Ausschaffungen bei Bagatelldelikten» fühlten
sich insbesondere die 18- bis 34-Jährigen angesprochen. Mit steigendem
Alter wurde jedoch der «Angriff auf das politische System» stärker
gewertet: Bei den über 55-jährigen Nein-Stimmenden war dieses Argument
vorherrschend.
«Die Unterschiede zwischen der jüngsten und der
ältesten Altersgruppe sind immens», schreiben die Studienautoren. Und
zwar lässt sich das auch bei den Ja-Stimmenden feststellen: Je jünger,
desto eher wurde auf das Täterschutz-Argument als Motiv verwiesen. So
beschäftigte die 18- bis 44-Jährigen, dass ohne konsequente Ausschaffung
der Schutz der Täter und nicht der Opfer im Vordergrund stehen würde.
Die «Missachtung des Volkswillen» war hingegen unter den älteren
Ja-Stimmenden stärker verbreitet. Am ehesten sind die Gründe für den
Unterschied zwischen Jung und Alt laut Sotomo in der persönlichen
Lebenswelt der Jugendlichen zu suchen. Die beiden Motive –
«unmenschliche Ausschaffungen» sowie «Opfer- statt Täterschutz» – hätten
eine höhere persönliche Betroffenheit ausgelöst als die abstrakten
rechtsstaatlichen Argumente. «Einerseits hatten die jungen
Nein-Stimmenden die eigenen Schul- oder Studienkollegen im Auge, denen
eine Ausschaffung wegen nichtiger Bagatelldelikte drohte.» Bei den
jungen Befürwortern hätte andererseits möglicherweise ein persönlich
bekanntes Opfer den Ausschlag gegeben.
Unmenschliche Ausschaffungen
Bemerkenswert sind auch die Motivnennungen abhängig von der Parteipräferenz. Bei SP und Grünen dominierten Rechtsstaat- und Menschenrechtsmotive, bei der FDP und der CVP hingegen war man besorgt, dass die Initiative eine Attacke auf das politische System der Schweiz bedeuten würde. «Die für die Mehrheitsbildung wichtigen bürgerlichen Wähler störten sich an der ‹unschweizerischen› Art, einem Verfassungsartikel durch eine darauf folgende Durchsetzungsinitiative zum ‹Recht› zu verhelfen», schlussfolgern die Politikwissenschaftler. Die wenigen SVP-Wähler, die Nein stimmten, hätten hauptsächlich Mühe mit den «unmenschlichen Ausschaffungen» gehabt. Dieses Argument überzeugte zudem auch die meisten Nein-Stimmenden in der Westschweiz, während die Deutschschweizer sich vorwiegend am «Angriff auf den Rechtsstaat» stiessen. (Tages-Anzeiger)
KOMMENTAR: Eine Botschaft mit einem guten Beispiel gekoppelt, überzeugt.
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