Wer ist der Schwarze Block? _________________________________________________________________ (Gedanken nach den G8 Gewalttaten) __________________________________________________________________ Sie sind vermummt (können anonym agieren), schrecken vor keine Gewalt zurück. Sie organisieren sich über Handys und Internet.Wenn jemand verhaftet wird, befreien sie sofort ihren Kollegen, indem sie sich wie Ameisen auf den Polizisten stürzen. Sie haben Juristen im Hintergrund, die gegen die staatliche Gewalt unverzüglich Klage erheben. Wird ein Polizist mit einem Stein verletzt, lässt sich der Täter kaum eruieren. Werden doch Gewalttäter des Schwarzen Blockes verhaftet, wird die Polizei eingeklagt. Die Haft sei unmenschlich. Man habe sie in Zellen zusammengepfercht usw. Es heisst meist nachträglich: Die Polizei habe provoziert, weil sie beispielsweise Helme getragen habe. Der Einsatz sei unverhältnismässig gewesen. Der Schwarze Block hat es vor allem auf Medienpräsenz und gute Actions abgesehen. Im Spiegel online entdeckten wir einen Versuch, diesen schwarzen Block von einer anderen Seite zu beleuchten. Interessant ist jedenfalls, wie wenig wir - auch professionelle Sozialforscher des Protests - über die sogenannten Autonomen Genaueres wissen. Woher kommen sie eigentlich? Gibt es sie überhaupt noch in beträchtlichem Umfang? Aus welchen Klassen, Schichten, Bildungsmilieus rekrutieren sie sich? Wie gut oder schlecht sind sie tatsächlich organisiert; was exakt wollen sie denn nun erreichen? Was ist ihr Projekt, ihre Idee, ihr Ziel? Wer sind ihre Anführer oder Chefideologen? Vor allem aber: Spielen dergleichen Dinge für sie überhaupt eine Rolle? __________________________________________________________________ Man weiss es nicht so genau. Dennoch gibt es einige Hinweise, dass selbst diejenigen, welche sich zu dieser Szene rechnen (Mitgliederausweise gibt es keine), konkrete Antworten geben können. Wo der Wurf des Pflastersteins den koitalen Gipfelpunkt des Protest bedeutet, gilt die dürre intellektuelle Begründung nicht einmal als lohnenswertes Vorspiel. __________________________________________________________________ Der Schwarze Block als "Mob"? ____________________________________________________________ Franz Walter, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Göttingen hat sich mit dem jüngsten "Mob" beschäftigt. Bei KiWi ist jetzt sein Buch "Träume von Jamaika" erschienen. Hierzu zählten die Tagelöhner, Bettler, die Armen und Ausgeschlossenen, die sich immer wieder, aber ganz erratisch zu militanten Protesten zusammenwürfelten. Charakteristisch war die direkte Aktion, die spontane Erregung, der jähe Aufruhr. Und bezeichnend war ebenfalls, dass es dafür keine festen Organisationsformen gab, erst recht keine ideologischen Zielsetzungen, kein politisches Programm. Der "Mob" tumultierte; er reflektierte und räsonierte nicht. "Der Revolutionismus des 'Mobs' war primitiv", lautet daher das Urteil des marxistischen Sozialhistorikers Eric Hobsbawm, eines Experten auf dem Gebiet geschichtsträchtiger Rebellionen. Der "Mob" aus der Zeit vor der Industriegesellschaft erhob sich für einige Tage, machte tüchtig Krawall, zündelte hier und randalierte dort, verlor aber alsbald die Energie und Lust - und versank danach für längere Zeit in pure Inaktivität. __________________________________________________________________ Der Autonome, das unbekannte Wesen ____________________________________________________________ Franz Walter im Spiegel schreibt: Der neue "Mob" agiert nach der Droge der direkten Aktion. Die politischen Repräsentationen und hochzentralisierten Organisationszüge der Industriegesellschaft, der Arbeiterbewegung und ihrer Parteien schwinden seit einem Vierteljahrhundert rapide. Der Entstrukturierungseifer der postindustriellen Gesellschaftseliten hat politische Repräsentationen beschädigt, öffentliche Güter dezimiert, intermediäre Brücken zwischen Gesellschaft und Staat abgebrochen, Bindungen gelockert - und so kulturell-soziale Hohlräume der Integration hinterlassen. Wo immer in den vergangenen zwanzig Jahren in Europa unorganisierte und unvorhergesehene Krawalle ausbrachen, dort wird man verlässlich auf solche gesellschaftliche Leerstellen, auf entbundene Räume, sodann auf die Rückkehr des "Mobs" treffen. __________________________________________________________________ Und wo die Zukunftsversprechen der traditionellen Organisationen und Ideologien verschwunden sind, da kehrt der Kult des Augenblicks, die Befriedigung der Unmittelbarkeit, der Endorphinenausstoss der direkten Aktion zurück. In diesen Aktionen erfährt der sonst Ohnmächtige einen kurzen, aber berauschenden Moment der Macht. Er sieht die Angst, den Schweiß, die Panik im Gesicht des verhassten Gegners. So wird der Strassenkampf zum Fest, die Gewalt zur Orgie gefühlter Omnipotenz. ____________________________________________________________ Politisch wird der postindustrielle "Mob" nicht ernst genommen, sozial sind etliche darunter marginalisiert, aber nun stehen sie im Mittelpunkt der Medienaufmerksamkeit, sind Helden in den Aufnahmen der Strassenschlachten. Natürlich fehlt dann auch nicht das uralte Symbol des Feuers, das Licht in die Dunkelheit einer verabscheuten Gegenwart bringen soll, das alles Böse auslöscht, jegliche Privilegien in Asche verwandelt - auf diese Weise, für die Stunden des "Kampfes" jedenfalls, die ersehnte Egalität herstellt. ___________________________________________________________________ Auch die Medien lieben alle diese Bilder: Flammen, Kämpfe, zertrümmerte Autos, Schurken und Helden, die uniformierten Guten und die vermummten Bösen. Insofern trägt auch die Mediengesellschaft zur Wiederkehr des "Mobs" bei. ____________________________________________________________ Das Gefährliche ist: _________________________________________________________________ Die Gier des "Mobs" nach immer stärkeren Drogen der direkten Aktion, das Interesse der Medien an neuen, die Emotionalitäten noch verstärkenden Events der Provokation - all das enthält eine innere Dynamik der Dosissteigerung. ____________________________________________________________ Kommentar: Was uns zu denken gibt, ist die Interaktion "Schwarzer Block und Medien". Je präsenter die Autonomen (Chaoten) sind, je mehr sie mit der staatlichen Gewalt "Katz und Maus" spielen können. desto attraktiver sind sie auch für all jene Jugendliche, die sich Langweilen oder aus irgend einem Frust gerne dreinschlagen wollen. Wie am 1. Mai kommt es gleichsam zu einer Tradition der Gewalt und damit zu einem ungeschriebenen Recht, Kravall zu machen, Schaufenster einzuschlagen, Autos anzuzünden, Polzisten mit Steinen zu bewerfen d.h. an bestimmten Tagen oder betimmten Anlässen Gewalt auszuüben, die selten geahndet wird. Dem Schwarzen Block sind politische Anliegen nur Vorwand, Gewalt auszuüben. Wenn dann die Polizei Ruhe und Ordnung durchsetzen muss, und es Verletzte gibt und einzelne Pannen. Dann nutzen die Chaoten diese heiklen Situationen schamlos aus und bringen es in der Regel geschickt fertig, nachträglich den Spiess umzudrehen und die Polizei auf die Anklagebank zu zwingen. Ich habe in Zürich autentische Aufnahmen gesehen, bei denen Polizisten mehrmals ins Gesicht gespuckt wurde und sie sich minutenlang als "Bullenschweine" beschimpfen lassen mussten. Die Einsatzkräfte wurden vorher trainiert, Frust auszuhalten und sich nicht provozieren zu lassen. Als dann ein junger Polizist doch noch die Wut packte und plötzlich heftig zurückschlug, wurden die Kameras gezückt und die Aufnahme veröffentlicht (als Beweis, dass die Polizei unverhältnismassig reagiert hatte). Wir sind uns des Dilemmas bewusst: Die Presse hat einerseits eine Informationspflicht zu erfüllen und darf Tatsachen nicht totschweigen. Anderseits muss sie Zurückhaltung üben im Publizieren der Erfolgsbilder der Randalierer. Dies ist und bleibt für Journalisten eine heikle Gratwanderung. _____________________________________________________________ Nachtrag: (10.6.07) Bei Sabine Christiansen wurde am Sonntagabend über die Ausschreitungen am G8 und den Einsatz der Polizei heftig diskutiert. Es war genau so, wie wir es prognostiziert hatten: Die Befürworter der Demonstranten machten die Polizei für das Caos verantwortlich und gingen auf die angeblich unmenschlichen Haftbedingungen ein. Von den 400 verletzten Polizisten keine Rede mehr. Die Juristin der Demonstranten lenkte die Diskussion ständig auf die sogenannte Käfighaltung und dem unangemessenen Verhalten der Polizei (Die gefangen genommenen Gewalttäter wurden gefesselt und rund um die Uhr mit einer Videokamera überwacht). Nicht die Gewalttäter - die Polizisten sassen für sie auf der Anklagebank. Nur zwei Teilnehmer zeigten Verständnis für die Arbeit der Ordnungshüter. Der Staat wäre verpflichtet gewesen, für die Ordnungsorganen die notwendigen Mittel zu sprechen. (Veraltete Kommunikationsmittel, Ablösungen waren der Bestände wegen nicht mehr möglich, Ruhezeiten konnten nicht eingehalten werden, Verpflegungsprobleme usw.) Sabine Christiansen hatte doppelt so viel Gesprächsteilnehmer eingeladen, die eindeutig die Position der Demonstrierenden unterstützt hatten. Aus meiner Sicht war die Runde zu einseitig zusammengestellt worden. Da die resolute Verteidigerin der Globalisierungsgegner dem Polizeisprecher ständig ins Wort fiel, hatten die zwei "Anwälte der Polizei" einen schwierigen Stand. Immerhin konnte der Polizeivertreter noch darlegen, dass sich die Ordnungshüter nicht steinigen lassen müssen. Auch die Polizei habe ein Recht auf Unversehrtheit. Wenn sich Demonstranten nicht friedlich verhalten, so müsste die Staatsgewalt auch angemessene Möglichkeiten haben, sich durchzusetzen und sich zu verteidigen. Unter Umständen - vor allem in derart extremen Situationen - mit Geschossen, die Distanz schaffen, evt. auch schmerzen oder Schürfwunden geben können. Es war aufschlussreich zu erfahren: Da damit gerechnet werden muss, dass nachträglich die Polizei mit Klagen eingedeckt wird , sind die Sammelstellen der Arretierten rund um die Uhr bewusst gefilmt worden. Damit könnte nachträglich festgestellt werden, ob jemand tatsächlich menschenunwürdig behandelt worden ist. Ohne Videobeweis würden sonst den Polizeikräften die übelsten Geschichten unterstellt. Der verbale Schlagabtausch bei Christiansen machte deutlich, dass es nicht nur schwierig ist, friedlich zu demonstrieren. Es scheint noch viel schwieriger zu sein, einander zuzuhören. Sabine Christiansen wird zwar nicht mehr lange moderieren. Wir finden es dennoch schade: In dieser Sendung (vor dem baldigen Abgang) entglitt der Fernsehfrau die Federführung. Sie sass über Strecken hilflos da und war nicht mehr fähig, das Gespräch zu beeinflussen. Sabine Christiansens Geschnatter reizte die Teilnehmenden, das Wort an sich zu reissen. Mit der Folge, dass über weite Strecken mehrere gleichzeitig redeten.
Sonntag, 10. Juni 2007
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