Nochmals: Aufmerksamkeit kann nicht das Hauptziel einer Werbung sein
FDP-Lachnummer – ein Coup für die Werber?
Die Werbeagentur Fadeout machte die FDP Reinach zum
Gespött. Die Basler Werber wussten ganz genau, was sie mit dem trashigen
Werbespot anrichten würden.
Sie machten die FDP Reinach zum Stammtischthema: Die Werber René Heini (links) und Alexander Meyer (rechts).
Das Echo könnte deutlicher nicht ausfallen: Seit ihrem Werbefilm ist
die FDP Reinach die Lachnummer der Nation. In der Facebook- und
Twitter-Community sorgen die trällernden Politiker bestenfalls für
mitleidiges Kopfschütteln. Andere überschütten sie mit Hohn und Spott.
Oder
übersehen die Kritiker etwas? Ist der Film vielleicht eine clever
inszenierte Werbekampagne? Immerhin berichten die Medien seit Tagen über
den neusten Werbespot der FDP. Die Klickzahlen auf Youtube steigen
kontinuierlich. Bald dürfte das Video die 80'000 Marke überschritten
haben, was sämtliche Wahlspots der
Parteien im letzten Jahr in den Schatten stellt.
«Hatte harte Nippel»
Ausgeheckt
hat das Video die Agentur Fadeout mit Sitz in Reinach. Im Projekt
involviert waren die beiden Werber Alexander Meyer (37) und René Heini
(38).
Auf Anfrage von Tagesanzeiger.ch/Newsnet sprechen die beiden
Kommunikationsprofis von einem «Riesen-Coup», der ihnen da gelungen sei.
«Wir haben die FDP Reinach zum grossen Thema gemacht», sagt Meyer. Das
Feedback und die Medienberichterstattung seien überwältigend, bilanziert
auch Heini. Im Gespräch zeigt sich besonders Meyer äusserst euphorisch:
«Als ich den Spot bei Giacobbo/Müller sah, hatte ich harte Nippel.»
«Man muss die Schweiz fluten, um Basel zu überschwemmen»
Meyer
ist sich bewusst, dass das FDP-Video als grenzwertig taxiert wird. Um
in die Medien zu kommen, müsse man allerdings ein gewisses Risiko
eingehen. Um in Basel wahrgenommen zu werden, sei nationale Beachtung
nötig. «Man muss die Schweiz fluten, um Basel zu überschwemmen»,
versucht Meyer seine Strategie zu erklären.
Dass man nun in der
ganzen Schweiz ein «Jesses Gott» hört, lässt die Reinacher Werber kalt.
Sie sehen die aufkommende Kritik eher als typisches Zürcher Phänomen.
Das Feedback in Reinach und Nordwestschweiz sei sehr positiv, was die
Anzahl eingehender Mails beweise. Einzig aus Zürich käme ein harter
Wind. «Zürcher Journalisten haben die Mechanismen nicht begriffen. Wenn
sie schreiben, dass ein Video unfreiwillig zum Lacher wird, dann kennt
man offenbar die neuen Spielregeln im Netz nicht. Über die Analysen aus
Zürich können wir nur lachen», sagt Meyer. Und er betont, dass über die
Inszenierung zwar gespottet werde, die FDP Reinach allerdings in den
letzten Interviews auch politische Botschaften platzieren konnte. Das
Ziel sei somit erreicht worden.
«Traurig, was aus der einst staatstragenden FDP geworden ist»
Die
Frage bleibt, welchen Preis die FDP Reinach und besonders die
Mutterpartei dafür bezahlen wird. Für viele Werber und
Kommunikationsprofis ist der zweifelhafte Spot ein Flop. «Unfassbar. Die
müssen der Drogenentzugsklinik Reinach entlaufen sein», kommentiert der
prominente Werber Reinhold Weber. Schlecht weg kommt der Spot auch bei
Markus Ruf, Inhaber der Kreativagentur Ruf Lanz: «Traurig, was aus der
einst staatstragenden FDP geworden ist. Welchen ‹Gag› lassen sie sich
wohl als nächstes einfallen, um noch wahrgenommen zu werden? Die
Teilnahme im Dschungelcamp?»
Dass Meyer und Heini mit ihrem Spot
bei den Branchenkollegen nicht punkten, scheint den Basler Werbern egal
zu sein. Man habe schliesslich den Kunden zum Gespräch gemacht und
niemanden gezwungen, im Video zu singen. Die Lokalpolitiker hätten
freiwillig mitgemacht und grosse Begeisterung für das Projekt gezeigt.
Meyer ist sich auch sicher, dass niemand davon Schaden nehmen werde.
Zumindest in der Region Reinach würden die Politiker für ihren Mut
gelobt.
(Tagesanzeiger.ch/Newsnet)
Kommentar:
Wie kann man als Werber so betriebsblind sein und das Lächerlichmachen des Kunden als den grossen Erfolg buchen.
Der Erfolg der Lachnummer besteht lediglich hinsichtlich "Generieren von Aufmerksamkeit". Aber dies allein genügt leider noch nicht. Beachtetwerden genügt nicht als Ziel.
Einer professionellen Werbefirma müsste es gelingen, die Aufmerksamkeit für ihre Kunden auch noch positiv zu nutzen Es müsste nachher gelingen, die eine Werbebotschaft umzusetzen. (Falls es ein Werbebotschaft gibt).
Tragisch ist für mich, dass es die stolzen Werber kalt lässt, wenn die ganze Schweiz über ihre Lachnummer spottet. Den Werbern ist es zudem völlig egal, ob sie bei den Kollegen punkten.
Wenn die uneinsichtigen Jung-Werber auch noch später - nach einem allfälligen Wahlmisserfolg - immer noch stolz wären auf ihr Produkt, so würde dies zu denken geben.
Marco Fischer hat im Internet ebenfalls eine enorme Aufmerksamkeit und Traumeinschaltquoten (Youtube) eingefahren - doch hat er sich mit der Lachnummer den Weg in die Politik endgültig verbaut und hat diesen "Aufmerksamkeitserfolg" nur dem Flop- Video zu verdanken.
LINKS:
16 Feb. 2012
Jedenfalls
hatte die FDP Reinach nur die besten Absichten, als sie ihr neues
Wahlvideo ins Netz stellte. Liberal zu sein, so sagte man sich, bedeutet
nicht unbedingt, dass man auch stier sein muss, sagt Gerda Massüger von
...
16 Feb. 2012
Schade
eigentlich, dass es der FDP Reinach mit diesem unprofessionellen Video
nicht gelungen ist, die Stimmberechtigten zu überzeugen. Der Beitrag ist
unglaubwürdig und wie gesagt – aus kommunikativer Sicht – sehr ...