Sonntag, 15. Februar 2015
Politologen raten der angeschlagenen SP
Wie sieht der Weg nach oben aus?
Fünf
Politologinnen und Politologen legen für Tagesanzeiger.ch/Newsnet dar,
was sie als grösste Herausforderung für die SP im Wahljahr erachten.
«Die Stagnation überwinden»
«Die
simple Antwort ist, Wähler zu gewinnen. Die SP liegt bei einem
Wähleranteil von unter 20 Prozent, und damit dort, wo sie nicht sein
möchte. Damit ist sie aber nicht alleine. Das Grundmuster, das ich hüben
und drüben erkenne, ist Stagnation. Jede Partei verfügt über ihre
angestammte Wählerschaft. Über dieses Potenzial hinaus zu mobilisieren,
ist nur in einem kleinen Bereich möglich. Insgesamt stagniert die Linke
in der Schweiz seit Einführung des Proporzes 1919 bei rund einem Drittel
der Stimmen. Mehrheits- oder Koalitionsregierungen kann sie so nie
bilden. Diese Grundschwäche hat damit zu tun, dass die Schweiz ein sehr
konservatives Land ist, aber auch damit, dass sich SP und Grüne in ihren
Positionen sehr nah sind und es nie geschafft haben, die moderate
Wählerschaft in der Mitte abzuholen.»
Georg Lutz ist Politologe an der Universität Lausanne.
«In Bezug auf die Beziehung zur EU klar Stellung beziehen»
«Diskussionen
um kulturelle Werte und Identität dominieren die politischen
Auseinandersetzungen zurzeit. Klare Positionsbezüge in diesen Fragen
sind darum wichtig. Die SP kommt nicht darum herum, in Bezug auf die
Beziehung zur EU klar Stellung zu beziehen und diese Position zu
vertreten. Wie die entsprechende Forschung zeigt, wird die SP von den
Wählerinnen und Wählern als kompetent für die Bereiche der Sozialpolitik
angesehen. Hier kann sie sich zunutze machen, dass sie den
Innenminister stellt und somit den Verantwortlichen für die aktuellen
Reformen der Sozialwerke. Die Partei steht auch für eine moderne
Gesellschaftspolitik. Diese Position teilen viel mehr Leute, als SP
wählen. Die gilt es abzuholen.»
Sarah Bütikofer ist Politologin an der Universität Zürich.
«Auf die Menschen und ihre Sorgen zugehen»
«Als
Volkspartei mit langer Tradition muss die SP im Oktober wieder über die
psychologisch wichtige 20-Prozent-Marke hinauskommen. Sie darf ihre
Energie nicht weiter in aussichtslosen Initiativen wie Mindestlohn, 1:12
oder der Einheitskasse verpuffen, die das Volk weder elektrisieren,
noch von ihm als zentral taxiert werden. Sie muss sich stattdessen mehr
Kompetenz auf den beiden wichtigsten Feldern Wirtschaftspolitik und
Arbeitslosigkeit sowie Migration erarbeiten. Gerade bei Zweiterem wollen
viele Sozialdemokraten immer noch kneifen, und so bleibt der Vorwurf im
Raum, dass sie auf einem Auge blind sind. Auf die Menschen und ihre
Sorgen zuzugehen, statt sich in den ewiggleichen Zirkeln gegenseitig auf
die Schultern zu klopfen und die ‹dumpfbackige SVP› zu kritisieren –
das ist die grösste Herausforderung für die SP.»
Mark Balsiger ist Politologe mit eigener Kommunikationsagentur.
«Die drohende Rezession auf die Agenda bringen»
«Die
grösste Herausforderung für die SP besteht darin, die drohende
Rezession und deren Folgen auf die Wahlkampfagenda 2015 zu bringen.
Aufgrund der Aufhebung der Mindestkursuntergrenze durch die SNB sind die
Chancen dazu durchaus intakt. Indem es den Sozialdemokraten gelingt,
sich als kompetente und glaubwürdige Kraft zur Erhaltung der
Arbeitsplätze zu profilieren, könnten sie die angestrebten Stimmen- und
Sitzgewinne realisieren.»
Laurent Bernhard ist Politologe an der Universität Zürich.
«Konservativ angehauchte Lebensentwürfe von Jugendlichen»
«Die
SP ist besonders auf junge Wählende angewiesen, denn traditionell wird
die Linke eher von jüngeren Menschen gewählt, und mit steigendem Alter
wird und wählt man konservativer, also eher Parteien des rechten
politischen Lagers. Eine Herausforderung für die SP sind konservativ
angehauchte Lebensentwürfe von Jugendlichen – die SP ist selbst für
viele Jugendliche nicht mehr einfach erste Wahl. Auch die Themenarbeit
ist eine Herausforderung für die SP. Sie müsste die Themenpartei der
Schweiz schlechthin sein, was ihr momentan nicht gelingt. Zwar verfügt
sie über unbestrittene Themenkompetenz, wenn es um Fragen der sozialen
Sicherheit und die Abfederungen der Tücken des Arbeitsmarktes geht, sie
ist allerdings in der Wahrnehmung der Wahlberechtigten wenig profiliert
wenn es um ihre Kernsorge, die Migration geht. Ähnlich wird der SP auch
in EU-Fragen weniger Lösungskompetenz zugeschrieben als Parteien des
rechten Pols. Beide Themen dürften das Wahljahr 2015 beherrschen, sodass
eine aktive Profilierung auf diesen Themen auch für die SP wichtig sein
wird.»
KOMMENTAR:
Die SP sollte nicht immer sagen, gegen was sie ist. (Gegen die SVP, gegen die Abzocker, gegen die Vermieter, gegen..., gegen....)
Sie müsste eindeutig, klar und konkret zeigen FUER WAS SIE EINSTEHT.
Die Partei sagt zwar schon, was sie alles fordert: Mindestlohn fordert, besseren Kündigungsschutz, höhere Steuern, Erbschaftssteuer und eine Umverteilung des Besitzes.
Für die Leute, die arbeiten, Steuern bezahlen und sich ein Häuschen leisten wollen, sehen jedoch bei diesen Forderungen keinen Lösungsansatz, wenn es darum geht, konkurrenzfähig zu bleiben und Arbeitsplätze zu schaffen. Es ist einfach, mehr Sozialleistungen zu fordern - aber jemand muss dafür aufkommen. Der Mittelstand fühlt sich heute nicht mehr von der ehemaligen Arbeiterpartei getragen. Das wird sich rächen:
Die SP hörte leider nicht auf die Politologen:
Wahlparteitag in Martigny
Das grosse Kneifen: SP Schweiz will im Wahljahr keine EU-Debatte führen
Dafür mangelt es nicht an Forderungen - wir erfahren nicht, wie dies alles bezahlt werden soll:Unter den zehn Punkten befinden sich hingegen die Durchsetzung der Lohngleichheit, günstiger Wohnraum, die Erhöhung der Renten, ein ausgebauter Kündigungsschutz, eine Börsensteuer und die flächendeckende Einführung von Kitas und kostenlosen Tagesschulen.
Weiter fordert die SP, dass Krankenkassenprämien höchstens zehn Prozent des Einkommens ausmachen. Auch ein rascher und verbindlicher Atomausstieg befindet sich in den zehn Punkten der Wahlplattform.
Die SP fordert für jedes Kind - unabhängig von der Lebensform und dem Einkommen der Eltern - eine Gutschrift. Dieses System soll die bisherigen steuerlichen Abzüge pro Kind ersetzen. Allerdings vertagte die SP die Lancierung einer Volksinitiative zu diesem Thema und platzierte das Anliegen stattdessen in der Wahlplattform.
Notiert von marcus knill um 03:52
Schwarze Tage für Eveline Widmer-Schlumpf
Überhaupt ist ihr Engagement in Sachen CVP-Initiative sehr diskret. Die Auftritte lassen sich an einer Hand abzählen. Kein Vergleich zu ihrem energischen Weibeln gegen andere Volksbegehren der jüngeren Vergangenheit.
Warum geht sie nicht aus der Deckung? Die BDP-Bundesrätin richtet ihren Blick längst auf die Wahlen. Im Herbst steht ihre politische Existenz auf dem Spiel. Unklug, würde die gewiefte Taktikerin den Verbündeten provozieren. Erst recht nach diesen Horrorwochen!
Vorwurf: Kollegialitätsbruch
Da war der «Fettnapf von Singapur»: Widmer-Schlumpf erklärte öffentlich, sie gehe davon aus, dass es in den nächsten Monaten eine neue Abstimmung zum Verhältnis Schweiz-EU brauche. Klare Worte oder offener Kollegialitätsbruch? Die Meinungen gingen auseinander.Dann folgte die Hiobsbotschaft, dass die Steuereinnahmen 2014 um Milliarden tiefer ausfallen als erwartet. Eine Peinlichkeit für die stolze Säckelmeisterin. Erst recht, weil Widmer-Schlumpf auf die Frage, wo die Milliarden geblieben sind, bis heute nicht viel mehr als ein Achselzucken anzubieten hat.
Die BDP ist gefordert
Wirklich die Stimmung verhagelt haben der BDP und ihrer Bundesrätin aber die Wahlen im Baselbiet. Es setzte letzten Sonntag eine tüchtige Abreibung ab. Mit nur noch 3,3 Prozent Wähleranteil schrammt die BDP neu knapp an der Grenze zum obskuren Klub entlang.Das Resultat schickte Schockwellen nach Bundesbern. Kein Wunder: Der BDP-Trend weist seit einem Jahr steil nach unten. Und schon im April steht in Zürich der nächste Wahltag bevor.
Klar, noch ist nichts entschieden. Widmer-Schlumpf selbst könnte der BDP mit einem beherzten «Ja, ich will eine weitere Legislatur anhängen» Aufwind verleihen. Doch sie taktiert, bleibt in der Deckung. In der SRF-«Arena» mag sie damit Punktsiege erringen. In der Wahlschlacht 2015 wird diese Strategie aber kaum mehr aufgehen.
KOMMENTAR: Die Finanzministerin ist zwar eine clevere Taktiererin. Doch ist sie in zu viele Fettnäpfe getappt. Obschon sie bei den LINKEN und bei der CVP einen starken Rückhalt hat, könnte nun die Fülle von Patzern doch das Fass zum überlaufen bringen. Die Wahlen im Herbst werden für die BDP jedenfalls kein Sonntagsspaziergang werden.
Notiert von marcus knill um 03:52