Samstag, 23. Mai 2015

Sich mit neuen Technologieen auseinandersetzen und mit ihnen umgehen lernen - statt sie verbieten

Kinder schreiben bessere Noten, wenn Handys im Unterricht verboten sind. Zu diesem Schluss kommt eine neue Studie an der London School of Economics. Vor allem schwächere Schüler profitieren gemäss den Forschern überproportional vom Verbot: Ihre Leistung steigerte sich um 14 Prozent. Die anderen Schüler hatten um 6,4 Prozent bessere Noten. 

(Quelle Watson)
Im Interview sagt Medienpädagoge und Gymnasiallehrer Philippe Wampfler, warum das noch lange nichts heissen muss.

 Ich zitiere aus den Interview:

Die Studie

Ein Smartphone-Verbot an der Schule, ist genauso wirksam wie fünf Schultage mehr pro Jahr. Dieses Fazit ziehen Forscher der London School of Economics.
Sie haben die Testresultate von nationalen Prüfungen an 91 britischen Schulen mit den Handy-Regeln an den jeweiligen Schulen verglichen.
Die Noten in Klassen, in denen das Handy verbannt wurde, verbesserten sich um ganze 6,4 Prozent. Schwächere Schüler konnten ihre Leistungen sogar um 14 Prozent steigern. Rund 130'000 Schüler im Alter von 16 Jahren lieferten die Datengrundlage für die Studie. (rar)

Trotzdem: Das Handy-Verbot wirkte sich gemäss der Studie positiv auf die Ungleichheiten der Lernerfolge zwischen schwächeren und stärkeren Schülern aus. 

Das kann ich nachvollziehen. Schwächere Schüler stammen oft aus bildungsfernen Schichten, in denen digitale Geräte vermehrt zur Unterhaltung genutzt oder Kinder vor dem Fernseher quasi ruhig gestellt werden. Deshalb stellen sie für diese Schüler später eine grössere Ablenkungsquelle dar. Umso wichtiger ist es, dass sie einen bewussten Umgang damit möglichst früh in der Schule lernen.
«Handys an die Schule!», würden Sie also skandieren?

 Vielleicht eher «bewusster Einsatz von Handys an der Schule». Dies von mir aus schon im Kindergarten. Von einem Kind das weiss, dass es eine Duden-App gibt, zu verlangen, dass es Bücher wälzen soll, macht nicht viel Sinn.

Die Duden-App, ok. Wo bringt das Smartphone sonst noch Vorteile für den Unterricht?

 Apps wie Socrative erlauben es der Lehrperson, direkt bei jeder Schülerin oder jedem Schüler zu überprüfen, ob sie eine einfache Frage beantworten können. Auch der demokratische Beamer ist die Zukunft: Nicht nur die Lehrperson kann Digitales zeigen – jeder Bildschirm kann allen vorgeführt werden. Darüber hinaus gibt es Apps für jedes Bildungsanliegen: Mit DragonBox beispielsweise können schon Kinder lernen, mit Variablen zu rechnen und Gleichungen aufzulösen. Sowas geht heute nur noch digital.
Dürfen die Kinder in Ihrem Unterricht jederzeit zum Handy greifen?

Natürlich nicht. Es gibt Unterrichtsphasen, in denen es eingesetzt wird und Phasen, in denen es unberührt bleibt. Ausserdem rege ich Diskussionen über den Medienkonsum an und integriere beispielsweise neue Erzählformen auf YouTube in meinen Unterricht über klassische Literatur.
Sollten Smartphones im Unterricht verboten sein?

Trotzdem, die Verführung während dem Unterricht zu chatten, ist gross.

Handys birgen genau die gleiche Ablenkungsgefahr wie schwatzen oder Briefbotschaften verschicken. Lehrer sind sich gewohnt, mit solchen Störfaktoren umzugehen. Den Umgang mit smarten Geräten sind sie sich nur leider etwas weniger gewohnt.
Es sind also die Lehrpersonen, die von der Entwicklung überfordert sind? 

 Ja. Obwohl eigentlich Konsens in der Medienpädagogik herrscht, dass neue Technologien eine grosse Chance fürs Lernen bedeuten, ist die Unsicherheit sehr gross. Wir erleben gerade, wie sich sogar die Funktion der Konzentration wandelt: Jugendliche lernen mit Smartphones, mehrere Reize miteinander zu kombinieren und sich nicht exklusiv auf einen zu fokussieren. Mancherorts orientiert sich der Unterricht aber stark an einer traditionellen Vorstellung von Konzentration.

Was ist die Konsequenz daraus?

 Dass Menschen, die gekonnt multitasken, bei Tests häufig schlechter abschneiden, ohne allerdings weniger gelernt zu haben, oder weniger intelligent zu sein: Ihr Hirn hat sich einfach an ein neues mediales Umfeld gewöhnt, das in Zukunft unseren Alltag prägen wird.

Können Sie ein Beispiel nennen, wie sich unser Hirn an die neuen Medien anpasst?

 Unser Hirn merkt sich, dass es reines Faktenwissen wie beispielsweise das Höchstalter von Schildkröten nicht speichern muss, weil es jederzeit per Handy abgefragt werden kann. Es speichert also eher die Speicherorte als den Inhalt.

Dann werden wir ja doch blöder. 

Im Gegenteil. Wir erwerben neue Kompetenzen, denken dynamischer, stellen schneller Zusammenhänge und her und können Haupt- und Nebenreize gleichzeitig verbinden. Es war zudem noch nie so wichtig wie heute, sich sprachlich präzise ausdrücken zu können – davon hängt ab, wie wir von anderen wahrgenommen werden. Kinder und Jugendliche sind sprachlich und auch gestalterisch enorm kreativ und leben und üben das auch digital.
«Mit dem Handy weiss die Klasse schlicht mehr als der Lehrer. Damit muss er umgehen können.» 
Bringt man dermassen reizverwöhnte Kinder noch dazu, einen langen Text zu lesen oder eine mühsame Arbeit zu schreiben?

 Da sehe ich eine Herausforderung. Es besteht die Tendenz, dass Kinder heute weniger Geduld fürs Lernen aufbringen und es als schwierig wahrnehmen, wenn das Feedback für Geleistetes nicht unmittelbar ausfällt. Auf sozialen Medien erhält man für jeden Input sofort einen Like. Lange, mühsame Arbeit lohnt sich erst sehr viel später.

Warum gibt es an der Schule immer noch eine ablehnende Haltung neuen Technologien gegenüber? 

In der Bildungswelt bewerten viele Menschen Neuerungen aufgrund ihrer eigenen Schulerfahrungen. Würde diese durch ein neues Modell abgelöst, entwertete sich in ihrer Vorstellung ihre Ausbildung, der sie viel zu verdanken haben. Ganz generell führen digitale Medien durch ihre Geschwindigkeit, die Kameras und die Möglichkeit der verlustfreien Kopie zu einem Kontrollverlust. Lehrpersonen merken beispielsweise, dass findige Schülerinnen und Schüler ihre Prüfungen fotografieren und sie nicht mehr jedes Jahr dieselben Fragen stellen können.

Die Lehrer fürchten also, die Kontrolle zu verlieren?

 Ja. Und dieser Kontrollverlust ruft Ängste und Unsicherheiten hervor. Er stellt den Status der heute Erfolgreichen infrage. Nehmen Sie das schon genannte Beispiel Faktenwissen: Mit dem Handy weiss die Klasse schlicht mehr als der Lehrer. Damit muss er umgehen können.

KOMMENTAR:
Im Studium (Medienpädagogik) lernte ich 
bereits vor Jahren, dass sich die
Menschheit stets mit jeder neuen 
Technologie schwer getan hat.
Bei der Einführung der Schrift, befürchtete man
die Schwächung des Gedächtnisses.
Den Film versuchte man zu ächten.
Dann warnten Pädagogen vor  der Bildsprache von Comics.
Beim Fernsehkonsum befürchteten Fachleute vor einer Verdummung der Menschheit
usw. 
FAZIT: Wir müssen uns mit neuen Technologien  stets
auseinandersetzen und diese sinnvoll einsetzen lernen.
Gefragt ist der situationsgerechte Umgang mit 
allen neuen Medien.

Wir lesen - nach wie vor - trotz elekronischer Medien.
Fachzeitschriften überlebten beispielsweise.
Radio - TV - Internet alles lebt nebeneinander und 
miteinander weiter - auch in Kombination.
Ich vertrete die  Meinung, dass Jugendliche auch lernen müssen, einige Tage auch ohne Handy und Computer zu leben.
In Schulen sind somit handyfreie Tage ein Segen. Die Jugendlichen erkennen wieder, dass man auch ohne I Phon Dialoge führen kann.

Zerstörung des Kulturerbes als Waffe

Der IS bedroht die antike Ruinenstadt Palmyra. Die Zerstörung von Kulturgütern hat eine lange Tradition – in allen Kulturen.

Steht seit 2000 Jahren, vielleicht nur noch einige Tage: der Baal-Tempel in Palmyra. Foto: Youssef Badawi (Keystone)
Steht seit 2000 Jahren, vielleicht nur noch einige Tage: 
der Baal-Tempel in Palmyra. Foto: Youssef Badawi 
Die Vandalen haben es nicht verdient, für den Begriff der sinnlosen Zerstörung herhalten zu müssen. Ihre Plünderung Roms 455 soll, glaubt man den Historikern, auf geordnete Weise geschehen sein: Abtransport wertvoller Güter, Verschonung der Einwohner, keine Verwüstungen, eben kein Vandalismus.
Dieser ist indes, auch wenn er unter falscher Flagge segelt, ein steter Begleiter der Weltgeschichte. Ägyptische Pharaonen tilgten Namen und Bauten unliebsamer Vorgänger, Calvinisten und Zwinglianer verbrannten Heiligenbilder, die französischen Jakobiner schlugen den Königsstatuen von Notre-Dame erst die Kronen von den Häuptern, dann die Häupter selber ab, schliesslich häuften sie die Statuen hinter dem Chor auf und nutzten sie als öffentliche Latrine.

Mit Bagger und Presslufthammer

Die Bolschewiken plünderten Kirchen und Klöster, die Nazis warfen die Bücher ihrer Feinde ins Feuer, Maos rote Garden attackierten und schleiften unzählige historische Bauwerke, darunter den kaiserlichen Sommerpalast in Peking (den aber schon 1900 die «zivilisierten» Engländer niedergebrannt hatten, als Rache für den Boxeraufstand).
In jüngster Zeit erschrecken radikale Islamisten die kulturell sensibilisierte Welt: Taliban sprengten die Buddha-Statuen von Bamian in die Luft, al-Qaida-Terroristen zerstörten Mausoleen und Schriftrollen in Mali, IS-Trupps gehen im Irak und in Syrien mit Bagger und Presslufthammer gegen antike Statuen und Tempel vor und stellen ihre Aktionen grinsend ins Internet. Jetzt steht der sogenannte «Islamische Staat» vor Palmyra, einem der architektonisch-archäologischen Juwelen Syriens, in der Spätantike eine blühende Oasenstadt, Handelsstation zwischen Orient und Mittelmeer, Wohnstätte der Anhänger aller möglichen Götter.

Die letzte Demütigung

Vordergründig liegt hier das Motiv der drohenden Zerstörung: In Palmyra wurden die falschen Götter angebetet, und neben dem einen und einzigen Allah sind alle falsch. Fanatischen Islamisten ist alles unerträglich, was nicht in ihr borniert-puristisches Weltbild, in die ideologisch strengste Auslegung ihrer Lehre passt.
Anderswo in der Welt hat sich ein historisch-kultureller Relativismus durchgesetzt, der es erlaubt, in Zeugnissen anderer Religionen, früherer Zivilisationen nicht nur Leistung und Schönheit zu sehen, sondern überhaupt alles anzuerkennen, was einmal war und lange Zeiten überdauernde Zeugnisse hervorgebracht hat (mit kleinen Ausnahmen: Leninstatuen wollte in Osteuropa nach 1989 nun wirklich niemand mehr sehen).
Staunend stehen wir in den Museen und bewundern Statuen und Reliefs aus politisch inkorrekten Kulturen, die Frauen unterdrückten, Sklaven hielten und Kriegsgefangene den Löwen zum Frass vorwarfen. Mehr noch: Wir haben ein globales und epochenübergreifendes Kulturverständnis entwickelt, wonach auch assyrische und babylonische Relikte als gesamtmenschliches Erbe gelten – als Kulturgegenstände, ganz gleich, was ihre ursprüngliche Funktion gewesen ist. Auch Ninive ist «unser», und mit seiner Zerstörung verlieren auch wir etwas.

Zynisches Kalkül

Die Aggressivität des IS gegen vorislamische Stätten hat aber noch einen anderen, ungleich stärkeren Beweggrund. Und wie wirksam er ist, zeigt sich gerade in der Empörung, die jedes Video einer gesprengten Kuppel, eines zersägten Reliefs auslöst, einer Empörung, nicht geringer als die Sorge um entführte, gequälte, ermordete Menschen. Ja, man kann schon fragen, was alte Steine zählen gegenüber den in den Hunger- und Kältetod getriebenen Jesiden.
Für das zynische Kalkül des IS liegt aber beides auf genau derselben Ebene. Es führt die Hilflosigkeit der nur scheinbar allmächtigen westlichen Welt vor. Früher zerstörte man Götterbilder, um dem unterlegenen Feind klarzumachen: Dein Gott hilft Dir nicht, er ist kaputt.
In vielen Kriegen wurde und wird Vergewaltigung als Waffe eingesetzt, um dem, den man besiegt hatte, die ultimative Demütigung zuzufügen. Eine über alles materielle, körperliche hinausreichende Demütigung: Die Schändung der Liebsten hilflos hinnehmen zu müssen. Was der IS mit der Kulturzerstörung tut, ist gewissermassen die geistige Vergewaltigung der freien Welt. Seht her, das können wir, und ihr könnt nichts dagegen tun, sagen diese Akte. Wir treffen Euch ins Herz. Es zuckt kein Blitz vom Himmel, der uns Einhalt gebietet, und auch keine amerikanische Rakete.

Palmyra I, Palmyra II

Solange der IS nicht besiegt ist, sein Herrschaftsgebiet nicht befriedet, bleibt nur die Aussicht, das Zerstörte einmal originalgetreu wieder aufzubauen. Zu dieser Variante des Kulturrelativismus sind wir inzwischen ja auch in der Lage. In Südfrankreich hat man die prähistorischen Höhlen von Lascaux und Chauvet nachgebaut – nicht nachdem sie zerstört wurden, sondern vorher: damit die kostbaren, hochempfindlichen Originalräume unbehelligt von Besuchern bleiben. Bevor Palmyra II gebaut werden muss, sollte freilich alles getan werden, um Palmyra I vor dem Schlimmsten zu bewahren. Nicht zuletzt die Menschen, die dort schliesslich auch leben.
(Tages-Anzeiger)

KOMMENTAR:
Unglaublich, dass die westliche Welt tatlos zusehen muss, wie ein Kulturerbe unbehelligt vernichtet wird. Es fehlt gleichsam eine Weltpolizei, welche diese sinnlose Zerstörung stoppen könnte.