Philipp
Hildebrand sagte, er und seine Frau hätten erst später geheiratet. Sind
späte Ehen bewusstere Ehen, die auch mehr Zusammenhalt haben?
Es
ist anzunehmen, dass Menschen, die vergleichsweise spät heiraten, mehr
Lebe
nserfahrung haben. Das heisst aber nicht zwingend, dass ihre Ehe
haltbarer sein wird.
Wer mehr Profil hat, wird vielleicht auch
unbeweglicher, selbstbezogener, mehr an Macht interessiert.
Glauben Sie, dass dieses öffentliche Hickhack der letzten Tage das Paar eher zusammen schweisst oder auseinander bringt?
Generell
habe ich die Erfahrung gemacht, dass grosse Belastungen viele
Beziehungen gefährden. Ich glaube, als Paar unterschätzt man die
Sprengkraft von Schicksalsschlägen, schweren Frustrationen und Nöten.
Das ist erstaunlich, weil man sich beim Start der Beziehung nichts
anderes vorstellen kann, als dass man «in guten und schlechten Tagen»
entschieden zusammenhält.
Welche Erfahrung machen Sie mit
sogenannten Powercouples? Kommen Männer im Privaten wirklich mit
Partnerinnen zurecht, die auch eine verantwortungsvolle Position haben
im Beruf?
Powercouples haben einen besonders stark ausgeprägten
Riecher für Macht. Darum heissen sie «Powercouples». Macht spielt in
jeder Ehe eine grosse Rolle, auch und besonders in jenen, die sich
dessen nicht einmal bewusst sind. Nun muss man im beruflichen Umfeld
mit Macht anders umgehen als im Inneren einer Ehe. Heute, im 21.
Jahrhundert, lassen es sich nur noch wenige Frauen bieten, wenn ihr
Mann in den privaten vier Wänden kein Gespür hat für Gleichgewicht.
Worin besteht die beziehungstechnische Problematik von Power-Paaren?
Vermutlich
in erster Linie im grassierenden Mangel am Rohstoff der Liebe – der
Zeit. Man kann wohl unmöglich sein Bestes geben in einem anspruchsvollen
Beruf und gleichzeitig die notwendige Zeit finden fürs Zusammensein.
Power-Paare und ihre Power-Probleme
Maximaler persönlicher Entwicklungsfreiraum? Kashya und Philipp Hildebrand.
Die Worte sind denkwürdig: «Wir hatten von Anfang an eine Ehe, die, wie
soll ich sagen...meine Frau ist eine starke Persönlichkeit. Sie hat
eigene Überlegungen. Ich werfe mir vor, ihr nicht gesagt zu haben: ‹Hör
auf darüber zu diskutieren.›»
Philipp Hildebrand,
der oberste Chef der Schweizerischen Notenbank, muss sich für die
Handlungen seiner Frau verantworten – und er stellt sich hinter sie. Das
ist, dreissig Jahre nach dem Fall Kopp, eine bemerkenswerte Situation.
Damals versuchte die Bundesrätin ihren Mann mit einem Telefonanruf zu
retten – was sie das Amt kostete. Heute stellt sich der mächtige Banker
hinter seine Frau, obschon sie ihm mit ihren Handlungen nicht eben einen
Gefallen getan hat. Ein grosser Akt.
Der in den Medien
angeschlagene und von Feministinnen sogleich heftig kritisierte Tenor
lautet: Warum hat er seine Frau nicht im Griff? Sind starke Frauen an
der Seite mächtiger Männer vielleicht gar ein Sicherheitsrisiko? Was
tatsächlich die falsche Frage ist. Denn gerade wenn die Frau eine
«starke Persönlichkeit» ist, also auch autonom handeln kann, warum
informiert sie ihren Mann nicht vorgängig über solch heikle
Transaktionen? Warum tätigt sie sie vom gemeinsamen Konto aus statt von
ihrem persönlichen? Wusste sie schlicht nicht, was sie da tut? Oder tat
sie es vielleicht sogar absichtlich, um sich an ihm zu rächen? Und wie
funktioniert eigentlich eine solche Ehe, die Hildebrand elegant
zusammenfasst mit «sie hat eine starke Persönlichkeit»?
Wettbewerbsvorteil durch Partnerschaft
Sogenannte
Power-Paare sind ein einigermassen neues, aber gerade bei Menschen in
machtvollen Positionen immer häufiger auftretendes Phänomen. Es sind
Paare, bei denen es kein offensichtliches Machtgefälle gibt
beziehungsweise bei denen das Machtgefälle nicht entlang der
Gender-Linien verläuft. So verschieden Power-Paare im Einzelnen sind,
sie haben etwas gemeinsam: die Interessen des beruflichen und
wirtschaftlichen Vorankommens. Allerdings, so erklärt eine bekannte
Unternehmerin, die sich nicht namentlich zitieren lassen möchte, gehe es
dabei nicht allein um das «Gross-heraus-Kommen» oder Sozialprestige wie
früher. Vielmehr stehe der maximale persönliche Entwicklungsfreiraum
sowohl für den Mann als auch für die Frau im Zentrum. Dazu zählen
berufliches Vorankommen, gesicherte Finanzen, ein Familienleben.
Power-Paare
haben hier einen Wettbewerbsvorteil durch ihre Partnerschaft. Das
heisst, beide können beim anderen mitreden, was nicht nur ein
beruflicher und persönlicher Vorteil und eine Stütze, sondern auch für
die Partnerschaft vorteilhaft sein kann. Allerdings haben auch
sogenannte Power-Paare ihre je spezifischen Probleme. Eine echte,
gewinnbringende Partnerschaft setzt Reife voraus – und Stärke, von
beiden Seiten. Das heisst, die Frau muss den starken Mann, der Mann die
starke Frau an seiner Seite erstmal aushalten. Während Ersteres dem
gesellschaftlichen Bild entspricht, kratzt Zweiteres an den
Gender-Ideologien, nach denen unsere Gesellschaft noch immer
funktioniert
.
Sagen, was Sache war?
Im Fall
Hildebrand bleibt die Frage: Wenn Power-Paare einen gemeinsamen
Wettbewerbsvorteil suchen, wie kommt Frau Hildebrand dazu, eine solch
heikle Transaktion zu tätigen? Und wie kommt es, dass Mitglieder der
Notenbank oder ihre Angehörigen überhaupt Devisenspekulationen betreiben
dürfen? Und wie hätte Philipp Hildebrand richtig reagieren müssen?
Reicht es zu sagen: «Das war meine Frau, nicht ich» ( so wie Adam im
Paradies die Schuld am Sündenfall sofort Eva zuwies), wie Regula
Stämpfli in der Zeitung «Sonntag» süffisant bemerkte? Hätte er die
Verantwortung für ihr Handeln übernehmen, sie gar nicht ins Spiel
bringen sollen – auf die Gefahr hin, ihr ihre Mündigkeit in der Sache
abzusprechen? Oder müsste nicht Kashya Hildebrand jetzt hinstehen und
sagen, was Sache war?
(Tagesanzeiger.ch/Newsnet)