Experten waren sich nicht einig
Auf welche Wissenschaftler in der Corona-Krise war Verlass?
Auf welche Wissenschaftler in der Corona-Krise war Verlass?
Die
Corona-Krise machte zuvor völlig unbekannte Wissenschafter zu Stars und
Propheten. Ihre Prognosen bestimmten Politik und öffentliche Meinung.
Doch wie gut sagten sie den Verlauf der Pandemie tatsächlich voraus?
(Quelle Blick)
Die
erste Runde im Virologen-Streit ist entschieden. Die beiden Jungstars
Christian Althaus (41) und Marcel Salathé (45) haben Mr. Corona Daniel
Koch (65) den Meister gezeigt. Nein, er habe zu Jahresbeginn keine
Warnungen von Althaus über die Gefährlichkeit des Coronavirus erhalten,
behauptete Koch in der «NZZ am Sonntag». Woraufhin das Althaus-Lager
genau einen solchen Brief ins Internet stellte. Koch stand da wie ein
Pudel nach einem Sprung in die Aare.
Nach
dem Notstand werden die Medaillen verteilt. Wer heute behaupten kann,
er habe die Gefahren am besten erkannt, hat gewonnen. Es geht nicht nur
um Ruhm und Ehre, sondern um Forschungsgelder und Mandate. Koch ist zwar
pensioniert, steht als Buchautor und Gründer einer Agentur für
Krisenkommunikation aber bereits wieder in den Startlöchern.
Die
Krise machte Virologen zu Stars und Propheten. Neben Althaus und
Salathé gehörten der Basler Biophysiker Richard Neher (40), der Zürcher
Prionenforscher Adriano Aguzzi (60) und der St. Galler Epidemiologie
Pietro Vernazza (63) zu den prominentesten Stimmen in der Schweiz.
Ihre
Einschätzungen beeinflussten Politik und öffentliche Meinung. Wie gut
nahmen sie vorweg, was eintraf? BLICK macht den Virologen-Check.
Modelle überschätzten lange die Gefahr
Althaus
war der Erste, der eine Zahl ins Spiel brachte: 30'000 Menschenleben.
Die Frage von zwei «NZZ»-Journalisten, ob Corona in der Schweiz im
schlimmsten Fall so viele Opfer kosten könnte, bejahte er am 26.
Februar. Aus heutiger Sicht überrissen, damals vertretbar. Ohne
Massnahmen wäre die Schweiz mit Sicherheit in eine Katastrophe
geschlittert.
Am 23. März
publizierte Althaus erstmals eine Modellrechnung. Die Infektions- und
Todesfallzahlen schossen durch die Decke. Nur in den günstigsten Fällen
schien eine Eindämmung ohne Massensterben möglich.
Ebenfalls
Kurven publizierte der Basler Biophysiker Neher. In der «Tagesschau»
vom 29. März stellte er drei Szenarien vor. Das wahrscheinlichste
rechnete mit 640'000 Erkrankungen und 22'000 Toten. Immerhin: Das
optimistische Szenario kam auf nur 1000 Tote.
Begann es schon viel früher?
Das Coronavirus wütete möglicherweise schon im Sommer 2019.
Der Harvard-Epidemiologe John Brownstein hat im August in der Region
Wuhan einen deutlichen Anstieg der Internetsuchen nach «Husten» und
«Durchfall» festgestellt. Beides sind Symptome der Corona-Erkrankung.
Auch beobachtete er dank Satellitenbildern, dass gleichzeitig der
Autoverkehr bei Spitälern gegenüber der Vorjahresperiode um bis zu 90
Prozent zunahm. Suchten da schon mehr Patienten wegen Covid-19 einen
Arzt auf? Brownstein räumt ein, dass dies keine Beweise aber immerhin
Indizien für ein früheres Auftreten des Virus seien.
Guido Felder
Guido Felder
Heute
lässt sich sagen: Die meisten Annahmen damals waren zu pessimistisch.
Sie überschätzten das Tempo der Epidemie, und sie unterschätzten, wie
effektiv der Lockdown war.
Man
habe schlicht nicht gewusst, wie gut welche Massnahmen wirken würden,
sagt Neher heute. Er und Althaus fütterten ihre Modelle ständig mit
neuen Daten und machten sie immer präziser. Am 9. April prognostizierte
Althaus, dass der Höhepunkt der Epidemie erreicht und die Zahlen fallen
würden. Ein Volltreffer.
BAG hörte erst spät auf Wissenschaft
Salathé
profilierte sich vor allem mit Kritik an Bundesrat und BAG. Sein
Vertrauen in die Politik sei erschüttert, schrieb er nach der Ausrufung
des Lockdowns. In der «NZZ am Sonntag» verglich er die Schweizer
Verhältnisse zuletzt mit Nordkorea und suggerierte, der Lockdown hätte
sich verhindern lassen können. Mittlerweile nahm er das zurück.
Dennoch
traf Salathé einen wunden Punkt. Das BAG blockte externe Stimmen lange
ab und war technologisch von gestern. Die Taskforce mit 25
Wissenschaftern wurde erst Ende März eingesetzt. «Wir mussten uns
richtiggehend aufdrängen», sagte deren Chef, der Berner Epidemiologe
Matthias Egger, im «Tages-Anzeiger-Magazin».
Nicht mal der Lockdown war ihm genug
In
der Krise werden Karrieren gemacht und geknickt. Die einen steigen auf,
die andern ab. Der Zürcher Prionenforscher Adriano Aguzzi erlebte
beides. In einem Video Mitte März bekniete er die Bevölkerung, zu Hause
zu bleiben. Sein Engagement trug ihm Respekt und Wohlwollen ein.
Aguzzi
war in seinem Element. Er schrieb Briefe an Wirtschaftsführer, forderte
die Umwandlung von Hotels in Quarantäne-Stationen. Der Lockdown war ihm
nicht genug. Bis im Juli würden 60'000 Menschen in der Schweiz sterben,
wenn nicht eine Ausgangssperre verhängt würde, verkündete er.
Tatsächlich
sind bis heute 1663 Menschen in der Schweiz gestorben. Der rasche
Rückgang der Zahlen enttarnte Aguzzis Aussagen als Fantastereien.
Er
selbst sieht sich als Opfer von Verleumdungen, gleichzeitig glaubt er,
dass die Massnahmen nicht zuletzt dank ihm so gut wirkten: «Ich bin
überzeugt, dass mein Video Menschenleben gerettet hat, weil es von
300'000 Leuten angeschaut wurde und sich die Leute tatsächlich an den
Lockdown gehalten haben.»
Kommentar:
Am Anfang der Corona Krise war über das Virus noch nicht viel bekannt. Die Regierung musste sich auf Annahmen, Hypothesen abstützen und auf die Ratschläge der Experten hören. Die Spezialisten hatten jedoch ganz unterschiedliche Ansichten. So kam es, dass es immer wieder zu widersprüchlichen Massnahmen, welche die Bevölkerung verunsicherten.
Doch gegensätzliche Prognosen untergraben in Krisensituationen das Vertrauen. Heute sehen wir, welche Experten den Nagel auf den Kopf trafen. Wie bei der Klimathematik kochten viele bei der Coronakrise ihr Süppchen gemixt mit Panikmache und Weltuntergangsstimmung.
Angst schüren war schon immer ein schlechter Ratgeben.
Dies zur Krisenkommunikation.
Bei der politischen Kommunikation ist es hingegen ganz wichtig, dass wir gegensätzliche Meinungen zulassen und jede These oder jedes Argument in Frage stellen dürfen. Es wäre eine falsche Konkklusion, wenn wir nach der Coronaphase verlangen, dass alles blind gutgeheissen wird, was von oben kommt.
Medien, Parteien und Politiker müssen Rede und Gegenrede zulassen. Die Demokratie lebt von der Meinungsfreiheit.
Es gibt leider bereits Tendenzen, unliebsame Meinungen abzuwürgen, indem diese in die Ecke der Weltverschwörer oder Sektierer gestellt wird und damit mundtod gemacht wird.
Kommentar:
Am Anfang der Corona Krise war über das Virus noch nicht viel bekannt. Die Regierung musste sich auf Annahmen, Hypothesen abstützen und auf die Ratschläge der Experten hören. Die Spezialisten hatten jedoch ganz unterschiedliche Ansichten. So kam es, dass es immer wieder zu widersprüchlichen Massnahmen, welche die Bevölkerung verunsicherten.
Doch gegensätzliche Prognosen untergraben in Krisensituationen das Vertrauen. Heute sehen wir, welche Experten den Nagel auf den Kopf trafen. Wie bei der Klimathematik kochten viele bei der Coronakrise ihr Süppchen gemixt mit Panikmache und Weltuntergangsstimmung.
Angst schüren war schon immer ein schlechter Ratgeben.
Dies zur Krisenkommunikation.
Bei der politischen Kommunikation ist es hingegen ganz wichtig, dass wir gegensätzliche Meinungen zulassen und jede These oder jedes Argument in Frage stellen dürfen. Es wäre eine falsche Konkklusion, wenn wir nach der Coronaphase verlangen, dass alles blind gutgeheissen wird, was von oben kommt.
Medien, Parteien und Politiker müssen Rede und Gegenrede zulassen. Die Demokratie lebt von der Meinungsfreiheit.
Es gibt leider bereits Tendenzen, unliebsame Meinungen abzuwürgen, indem diese in die Ecke der Weltverschwörer oder Sektierer gestellt wird und damit mundtod gemacht wird.
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Keystone
3/7
6/7
keystone-sda.ch
Notiert von marcus knill um 04:15
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