Journalismus im Prüfstand
Mordfall Rupperswil:
Journalismus oder Voyeurismus?
Medienclub vom 24. MaiIch zitiere PERSOENLICH.com:
Diskutiert wurde dann weniger die Grenze von Journalismus und Voyeurismus, sondern der spezifische Vorgang in der Berichterstattung. Murmann musste Stellung nehmen zu den Kritikpunkten, die in den letzten Tagen fielen. Warum man sich entschieden habe, das Bild zu zeigen? Dass der Täter geständig, mit der DNA überführt worden und der Fall sehr einzigartig sei, habe den Ausschlag gegeben, erklärt die Chefredaktorin. Zudem sei das Gesicht des Opfers von Anfang an gezeigt worden.
Ob das richtig war oder nicht, konnte in der Sendung nicht beantwortet werden. «Es ist heikel», so Stadler. Denn der Betroffene sei zwar verhaftet, aber noch nicht schuldig gesprochen worden. Auch das SRF habe sich entschieden, das Bild nicht zu zeigen, merkt Moderator Franz Fischlin an, weswegen das Foto des Mörders auch in der Sendung verpixelt gezeigt wurde. Keine Kritik gab es jedoch von Wenger: Aus seiner Sicht als Medienkonsument hätten die Medien genau so berichtet, wie es zu erwarten gewesen sei. «Für mich ist es wichtig und richtig, dass dieser Mensch auf die Frontseite kommt.» Dass die NZZ wiederum kein Bild zeige, sei auch richtig, denn das erwarte man von der «Neuen Zürcher Zeitung» nicht. Diese Aussage schien die anderen Gäste durchaus zu überraschen.
Ein weiteres grosses Thema war die Art, wie bei der Beschaffung der Bilder vorgegangen wurde. Da war eine SMS-Konversation zwischen einem «Blick»-Reporter und einem Funktionär des Vereins, auf den Druck ausgeübt wurde, er solle doch das Bild bestätigen oder ein richtiges schicken – ansonsten werde der Falsche angeprangert. Blöd nur, war dieser Funktionär auch gleich Tagi-Journalist und veröffentlichte dieses Gespräch auf Twitter. Dies sei «ein Einzelfall» gewesen, ein «junger Kollege», mit dem man danach geredet habe, verteidigte sich Murmann.
Wengers Erfahrungen jedoch sagen etwas anderes. So hätten auch andere (Fernseh-)Journalisten diese Taktik angewendet. Er sehe da «eine Systematik» dahinter. Stadler wiederum zeigte Verständnis: Als Journalist sei man in so einer Situation derart unter Druck, dass man «alle Tricks anwende». Fischlin konfrontierte im Weiteren Murmann mit Aussagen des Partners der Verstorbenen, dass er, sein Sohn und auch der Vater des Opfers von «Blick»-Journalisten manipuliert worden seien. Schlussendlich stand es bei beiden Fällen Aussage gegen Aussage; sie habe das anders erfahren, so die Chefredaktorin.
Medienrechtlerin Zulauf übte während der ganzen Sendung grosse Kritik an dieser Art der Materialbeschaffung, die vor allem beim «Blick» üblich sei. «Sie sind nun mal der Bad Guy dieser Szene.», urteilt die Juristin über die Boulevard-Zeitung. Menschen würden «massiv unter Druck gesetzt» und hätten keinerlei Möglichkeit, sich zu wehren. Sie fordere eine Beratungsstelle, an die man sich in solchen Situationen wenden könne.
Auch dass es durch die Berichterstattung möglich war, den genauen Wohnort des Schuldigen herauszufinden und die Angehörigen zu identifizieren, gehe zu weit. Da sind sich Zulauf und Stadler einig.
Der Lerneffekt aus der Sendung bleibe aber gering, zieht der Medienjournalist sein Fazit. Das sei ein wiederkehrendes Problem. «Es spielt sich immer das Gleiche ab.»
KOMMENTAR: Es ging um die Kernfrage: Dürfen die Medien die Photo eines Gewaltverbrechers zeigen, bevor dieser verurteilt ist?
Umstritten ist der Passus: "Wenn es im öffentlichen Interesse ist". Dieses Interesse könnte nämlich immer geltend gemacht werden. Es gibt ein Spannungsfeld zwischen dem Respekt der Persönlichkeit eines Täters und dem Bedürfnis nach transparenter Information.
Juristisch scheint die Situation eindeutig: Grundsätzlich muss der Täter anonymisiert werden.
Nur bei Kapitalverbrechen sind Ausnahmen denkbar. Es gilt jedoch immer abzuwägen, ob bei einem Täter auch der Schutz des Umfeldes zu beachten ist. Die Belästigung der Angehörigen.
Das war bei der Gräueltat in Rupperswil der Fall.
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