Sonntag, 17. November 2013

Die Finanzministerin als Verwalterin ungelöster Probleme

Niemand möchte in ihrer Haut stecken:

Bundesrätin Eveline  Widmer-Schlumpfs Problemdossiers wurden im Tagi
treffend analysiert:


Die Verwalterin der ungelösten Problemdossiers

 
Eveline Widmer-Schlumpf ist die heimliche Regierungschefin. Die mächtige Finanzministerin laviert zwischen allen Fronten.
Steht bei Verhandlungen mit dem Ausland permanent unter Druck: Eveline Widmer-Schlumpf.
Steht bei Verhandlungen mit dem Ausland permanent unter Druck: Eveline Widmer-Schlumpf.
Bild: Georges Gobet/AFP

Im Schweizer Bundesrat gibt es eine eigentliche Begriffsverwirrung. Der Wirtschaftsminister ist de facto Landwirtschaftsminister und die Leiterin des Finanzministeriums de facto Krösus und Wirtschaftsministerin. Am mächtigsten ist nicht der jährlich wechselnde Bundespräsident, sondern die Finanzministerin hat am meisten zu sagen und ist die heimliche Regierungschefin. Seit drei Jahren besetzt Eveline Widmer-Schlumpf dieses mächtige Amt, gar seit fünf Jahren beschäftigt sie sich an vorderster Front mit der Transformation des Finanzplatzes in die Zeit nach dem Bankgeheimnis. Und dies alles mit einer Partei im Rücken, die gerade mal 5 Prozent der Wähler hinter sich hat. Ein Grosserfolg der Frau aus dem Bündnerland.
Ein Grosserfolg für die Schweiz ist, dass in dieser Zeit trotz Finanz- und Eurokrise weder die Arbeitslosigkeit ernsthaft anstieg noch die Staatsfinanzen aus dem Ruder liefen. Doch langsam zeigt sich, dass es für die Allgemeinheit nicht gratis ist, sich mit wechselnden Mehrheiten durch den Bundesrat und das Parlament zu jonglieren. Heute, in der Halbzeit der Legislatur und zwei Jahre vor der angestrebten Wiederwahl, zeichnet sich ab, dass deswegen erstens der Staatshaushalt langsam aus dem Ruder läuft und zweitens noch immer keines der Probleme rund ums Bankgeheimnis gelöst ist.
Die effizienteste Art, sich als Finanzpolitikerin Zustimmung zu verschaffen, ist Geld zu verteilen oder für die eigene Klientel die Steuern zu senken. Dazu eignet sich die Familienpolitik besonders gut, denn die CVP ist neben der eigenen Partei die treueste Verbündete der Finanzministerin.

Finanzplatzpolitik eignet sich für linken Populismus

Zur gleichen Zeit, in der Widmer-Schlumpf mit guten Argumenten die SVP-Familieninitiative bekämpft, die zur Zementierung des traditionellen Familienmodells zu Milliardenausfällen führen würde, heisst der Bundesrat die Familieninitiative der CVP gut, wie den kürzlich veröffentlichten «Steuerpolitischen Prioritäten des Bundes» zu entnehmen ist. Laut diesen gibt es keine einzige Sparvorlage oder Steuererhöhung, aber es soll mit «Priorität eins» in der Verfassung künftig folgender Satz zu finden sein: «Die Ehe ist die auf Dauer angelegte und gesetzlich geregelte Lebensgemeinschaft von Mann und Frau.» Dies, nachdem immerhin auch im Wallis das Konkubinat erlaubt ist und eigentlich die Anerkennung der gleichgeschlechtlichen Ehe auch verbrieft ist. Fast 2 Milliarden Franken kostet das, und trotzdem hat es laut offizieller Verlautbarung für das EFD Priorität eins.
Gleiche Priorität hat auch die Unternehmenssteuerreform 3, die «gewichtige» Mindereinnahmen zur Folge haben wird. Auffällig ist, dass kein einziges Projekt Priorität hat, das entweder Ausgaben spart oder Steuern erhöht. Wie viel das alles kostet, wagt man nicht zu sagen. Das Defizit wird Milliarden erreichen, wenn das alles durchkommt.
Für etwas linken Populismus eignet sich die ehemals so trockene Finanzplatzpolitik. Wenn man am Rande einer Parteiversammlung kurz erwähnt, die Banken müssten eigentlich doppelt so viel Eigenkapital haben wie bisher, ist die Zustimmung bei der SP und im Volk ebenso gewiss wie der Absturz der Bankaktien an der Börse. Dass jetzt der Sprecher des Finanzministeriums sagt, es gebe bis 2015 sicher keine Änderung der geltenden Vorschriften, hört niemand mehr. Genauso, wie es sich leicht sagen lässt, die gewissenlosen Banker hätten bei der Steuerhinterziehung geholfen, obwohl das Bankgeheimnis geltendes Recht war. Wenn es dann aber konkret wird, ist gewiss, dass die Finanzmarktaufsicht in einer ihrer zahllosen Untersuchungen feststellen wird, «es wurden zwar Fehler gemacht, aber das Management der Banken wusste von nichts».

Ständig unter Druck

Wenn es um die dringenden Fachfragen geht, nämlich um die Lösung des Steuerstreits der Schweiz mit allen führenden Wirtschaftsnationen, ist die Bilanz niederschmetternd. Weder Widerstand und das Beharren auf dem Bankgeheimnis, wie von politisch rechts gefordert, noch der Bruch mit der Vergangenheit, wie das die Linken wollen, ist mehrheitsfähig. Die Folge: Der Disput mit den USA ist weiterhin in der Schwebe. Der Streit mit den umliegenden Ländern Deutschland, Frankreich und Italien ist ungelöst. Mit den Franzosen und den Italienern wird zwar auf technischer Ebene verhandelt, aber spruchreif ist nichts. Im Fall von Deutschland ist seit der Ablehnung der Abgeltungssteuer vor einem Jahr nichts mehr geschehen. Man wartet auf die Bildung einer neuen Regierung. Mit der aufstrebenden Wirtschaftsmacht Indien braut sich ein neuer Konfliktherd zusammen, denn die Inder haben Kundendaten der HSBC Genf und wollen Rechtshilfe, bekommen sie aber nicht. Das wird für die Exportindustrie zum Problem.
Soll die Schweiz weiterhin ein Erfolgsmodell bleiben, kann es nicht sein, dass wir von einer Finanzministerin ohne Heimmacht regiert werden. Es braucht einen Richtungsentscheid, sonst laufen die Finanzen aus dem Ruder, und der Finanzplatz kommt nicht aus der Krise. Dass es sich die Bürgerlichen weiterhin leisten, dass sich ihre Vertreter ins Aussen- und Verteidigungsdepartement verziehen und mit Widmer-Schlumpf einfach einen linken Finanzminister verhindern, kann auf Dauer nicht die Lösung sein.

KOMMENTAR: Nach meinem Dafürhalten besteht für die Finanzministerin heute noch keine Gefahr, abgestraft zu werden. Sie wird immer noch getragen von jenen Parteien, die den Dolch zum Stoss gegen Blocher gewetzt hatten. Auch die Medien werden wohl die Finanzministerin kaum demontieren. Dennoch könnten weitere Misserfolge dem Image der umstrittenen Bundesrätin folgenschweren Schaden zufügen. 

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