Politikerportraits
Es geht ums Image
Ich habe für die neue Ausstellung im Museum für Gestaltung "KOPF AN KOPF" die Portraits von Angela Merkel analysiert. Diese Analysen können Sie an der Ausstellung hören (Band ab Kopfhörer). Ich werde über diese Arbeit später etwas schreiben.
Im NZZ Folio lesen wir über diese Ausstellung KOPF AN KOPF:
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NZZ Folio 11/08 - Thema: Image Inhaltsverzeichnis
Strahlen, winken, Kinder küssen
Entscheidend ist, wie sich ein Politiker auf dem Plakat inszeniert, welche Körper- und Kopfhaltung er wählt, das Zusammenspiel von Vorder- und Hintergrund. Die formelhafte Bildsprache des Plakats reicht zurück bis in die Anfänge der politischen Werbung Ende des 19. Jahrhunderts.
Der Mann von nebenan
Der Familienmensch
Neben der Inszenierung von Frau und Kindern ist in jüngerer Zeit auch die ausserfamiliäre Kinderbetreuung ein Thema; damit soll die Fortschrittlichkeit des Kandidaten unterstrichen werden. Carmen Walker Späh zeigt sich umzingelt von Stofftieren, während sie ein Kind in der Tagesschule abgibt. Alternativ setzt diese Strategie die traditionelle Bilderbuchfamilie in den Mittelpunkt: verheiratete Eltern, Kinder, Eigenheim. Die Abbildung der Familie bringt einen privaten Aspekt in den Wahlkampf; als emotionale Strategie drängt sie politische Inhalte eher in den Hintergrund.
Der Macher
Durch die ganze Geschichte der politischen Imagebildung zieht sich das Muster des «economic man», der als Garant für Professionalität und Wohlstand erscheint. Sei es als Planer von Industriekomplexen, als Baumeister ganzer Stadtquartiere oder schlicht als geschäftiger Organisator am Telefon. Der Macher hat eine klare Botschaft: Mit ihm werden die grossen Werke der Zukunft dynamisch in Angriff genommen. Typische Bildmotive waren lange Zeit Schiffe als Symbole des Handels, später auch rauchende Kamine und die Eisenbahn als Sinnbild des industriellen Fortschritts. Beim Macher ist der Hintergrund des Bildes besonders wichtig: Zwar zeigt sich im Beispiel Maos Oberkörper selbst zu einem Kraftwerk aufgeblasen, das Augenmerk gilt aber der mächtigen Industrieanlage und den offensichtlich grossen Plänen des Grossen Vorsitzenden.
Der Volksfreund
Ist ein Politiker ausreichend bekannt, bietet sich das Image des Volksfreunds an. Dieser liebt das Bad in der Menge, beispielsweise mit ausgedehnten Prozessionen zum Rednerpult, die ihm Gelegenheit geben, seinen begeisterten Anhängern theatralisch die Hand zu schütteln. In der autoritären Spielform mutiert der Volksfreund zum huldvoll Zuwinkenden über einer grossen Menschenansammlung. Die Kernaussage stellt hier auf die offensichtliche Beliebtheit des Politikers ab. Eine derart begeisterte Masse wird sich kaum täuschen können. Der Volksfreund erhebt einen uneingeschränkten Führungs- und Machtanspruch.
Diese Bildformel ist die moderne Version alter Königsdarstellungen, in denen der König als Kopf des Staates, als Personifizierung der politischen Einheit porträtiert wird, während das Volk den Körper, die Masse der Regierten bildet. Das gilt für Mussolini und Hitler ebenso wie für den hier abgebildeten Stalin: Dieser geht sogar so weit, seiner Anhängerschar zu applaudieren – er gibt vor, sein Volk zu lieben. In der Schweiz mit ihrer langen republikanischen Tradition ist dieses Muster unpopulär. Lässt sich ein Politiker hierzulande zu überhöht inszenieren, regt sich Widerstand. Das erlebte Christoph Blocher, einer der populärsten Schweizer Politiker der Gegenwart, der von seiner Anhängerschaft wie kein anderer gefeiert, aber vom Parlament als Bundesrat nicht bestätigt wurde.
Der Thronfolger
Der Visionär
Seiner höheren Mission eingedenk, wendet der Visionär seinen Blick vom Gegenüber ab, den kommenden Herausforderungen entgegen. Die liegen generell ausserhalb des Bildes, dort, wo auch das Hauptlicht herkommt, das auf den Porträtierten fällt. Der Visionär zeigt sich sozusagen im Augenblick seiner «Erleuchtung». Im Gegenzug delegieren die Angesprochenen ihm Verantwortung und schenken ihm Vertrauen. Dies gilt für Barack Obama ebenso wie für seine politische Referenz John F. Kennedy. Beide zeigen sich im Profil. Während die Darstellung bei Kennedy noch als Bildseite einer Münze (dem ältesten «Medium» zur Verbreitung politischer Portraits) gelesen werden kann, scheint Obama bereits von einem Heiligenschein umgeben. Entsprechend bedient er die Wählerschaft mit Schlagworten wie «Change», «Progress» und «Hope». Aber auch François Mitterrand richtet sich im hier gezeigten Beispiel nicht mehr direkt an den Betrachter. Er gibt sich beinahe schon als Statue, inszeniert sich als unerschütterliche Verkörperung eines geeinten Frankreich.
Politiker wollen letztlich nur eines: gewählt werden. Darum bauen sie uns mit vielfältigen Strategien visuelle Brücken, um eine Mehrheit für sich zu gewinnen. Vielleicht vermissen wir deshalb bei den politischen Portraits oft eine herausragende Gestaltung. Denn in gestalterischen Fragen bedeutet Mehrheitsfähigkeit meist Mittelmass.
Christian Brändleist Direktor des Museums für Gestaltung Zürich und Kurator der Ausstellung «Kopf an Kopf – Politikerporträts». Die Ausstellung zu Imagebildung, Repräsentation und Demontage läuft bis am 22. Februar 2009 im Museum für Gestaltung Zürich. Das Rahmenprogramm und die Publikation zur Ausstellung finden Sie unter http://www.museum-gestaltung.ch/.
Museum für Gestaltung «Kopf an Kopf - Politikerporträts»
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