Freitag, 12. November 2010

MEDIEN NEWS
PERSOENLICH.COM
10.11.2010
Cédric Wermuth

Jungpolitiker bringt Schawinski und Köppel in Rage

Warum verlieren die Medienprofis die Nerven?
SP-Politiker Cédric Wermuth polarisiert nicht nur innerhalb seiner Partei. Auch gestandene Journalisten wie "Weltwoche"-Chef Roger Köppel und Radio-1-Boss Roger Schawinski bringt Wermuth zur Weissglut. Mit seinem ideologischen Auftreten schaffte es der Jungpolitiker diese Woche, beide Medienprofis aus der Reserve zu locken. Im Doppelpunkt-Interview am letzten Sonntag auf Radio 1 verlor Schawinski als Interviewer teilweise die Selbstbeherrschung. Aber auch Roger Köppel, bekannt für seinen sachlichen und präzisen Argumentationsstil, reagierte ungewohnt gereizt im TalkTäglich-Auftritt am Montag.
Die Frage ist berechtigt: Warum verlieren die beiden erfahrenen Medienprofis die Nerven? Für Rhetorikexperte Marcus Knill ist nicht das brisante Abzocker-Thema schuld. Viel mehr kämen die Medienleute mit Wermuths Auftreten nicht zu recht. "Wermuth geht rhetorisch clever vor", sagt Knill. Er wiederhole seine Botschaften ständig, gehe auf konkrete Fragen kaum ein und reagiere auf den sachlichen Argumentationsstil seiner Gesprächspartner nur sehr knapp.
Das hat seinen Grund. "Wermuth ist gegenüber seinen Diskussionspartnern intellektuell unterlegen", meint Knill. Es bestehe ein grosses Gefälle, so der Rhetorik-Experte. Wer so auftrete wie Wermuth, bringe analytische Denker wie Köppel und Schawinski einfach in Rage. Kommt hinzu, dass Wermuth bewusst die persönliche Provokation sucht. "Es sind eben auch alles stolze Alphatiere und wollen dominieren", sagt Knill. Bei verletzenden Stichen verloren alle einmal die Beherrschung. Die Emotionen steuerten das Verhalten. Das Duell mündete dann in einem sprachlichen Durcheinander.
Auf Anfrage von "persoenlich.com" zeigt sich Roger Köppel selbstkritisch: "Ich war tatsächlich gereizt. Ich hatte das Gefühl, dass Wermuth mit uns das Kalb machte. Die Substanz der Argumente war ihm nicht wichtig. Das sagt viel über die geistige Verwahrlosung der SP aus." Für Köppel ist klar, dass Wermuth jedes Mittel recht sei für Aufmerksamkeit, weil er schliesslich für den Nationalrat kandidiere. Bei der nächsten Begegnung mit dem Jungpolitiker werde Köppel anders auf die Unbedarftheit Wermuths reagieren. (cl)



Karl Lüönd: Cédric Wermuth Publiziät könnte ihm nützen


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Juso-Präsident Cédric Wermuth treibt derzeit seine Kritiker zur Weissglut
und lässt im direkten Duell Rhetorik-Haudegen wie Roger Köppel oder Roger
Schawinski alt aussehen. Was hat der Mann wirklich drauf?

  



«Aber Herr Wermuth!», rief Radio1-Unternehmer Roger Schawinski an die 20 Mal
im Streitgespräch mit dem Juso-Präsidenten Cédric Wermuth. Ausgangspunkt der
Diskussion war die im neuen SP-Programm verankerte «Überwindung des
Kapitalismus». Schawinski bezeichnete Wermuths Aussagen abwechslungsweise
als «Stuss», «Märchen», «Blödsinn» oder «Blabla». Zur Weissglut trieb Cédric
Wermuth auch den «Weltwoche»-Chefredaktor Roger Köppel, in einer
Talk-Sendung auf TeleZüri.

Wermuths Aussage in der Radio-Sendung, man solle seine Rolle nicht
überbewerten, beherzigten weder Köppel noch Schawinski. Beides gestandene
Journalisten und Medienunternehmer, reagierten sie auf den 24-jährigen
Jungpolitiker, der letztes Jahr noch Häuser besetzte, als hätten sie den
einflussreichsten Schweizer vor sich. Weshalb?

Roger Köppel: «Wermuth führt die SP in die Unseriosität»

«Herr Wermuth versteigt sich zu unhaltbaren Aussagen, um Wind zu machen für
seine Nationalratswahl», erklärt Roger Köppel seine heftige Reaktion
gegenüber Tagesanzeiger.ch/Newsnetz. «Wermuths Ziel, den Kapitalismus zu
überwinden, würde die Schweiz ruinieren.» Zudem sei die SP eine wichtige
Partei, die es als Gegengewicht zur SVP brauche. Köppel: «Es ärgert mich,
wenn in dieser Volkspartei neuerdings Schaumschlägersozialisten den Ton
angeben und die SP in die Unseriosität hineinführen.»

Wermuth sieht es anders: «Köppel und Schawinski sind allgemein sehr
aggressive Diskussionspartner», sagt er auf Anfrage. «Aber vielleicht habe
ich sie in Rage gebracht, weil ich mich getraue, ihren Status infrage zu
stellen.» Publizist Karl Lüönd erklärt es so: «Schawinski und Köppel
befürchten wahrscheinlich einen neuen Konkurrenten in ihrem Kerngeschäft,
der Herstellung von künstlicher Aufregung.»

Grundsatzfragen im Land der Kompromisse

«Cédric Wermuth spricht Grundsatzfragen an. Das ist in einem Land der
Kompromisse ungewöhnlich», sagt Lüönd. «Er hebt sich ab, das ist aus
medialer Sicht geschickt. Es interessiert nur das Flugzeug, das über die
Piste hinausfährt. Die tausenden Flugzeuge, die reibungslos starten,
interessieren nicht.» Natürlich habe die Juso eine klare
Kommunikationsstrategie, sagt Wermuth. «Wir spitzen Botschaften sehr bewusst
zu, wir emotionalisieren und personalisieren und setzen uns auch über
Political Correctness hinweg.»

Karl Lüönd fragt sich, welche Ausbildung oder welcher politische oder
geschäftliche Erfolg Wermuth für diese hohe Aufmerksamkeit qualifiziere.
Lüönds Erklärung: Wermuth gehöre möglicherweise zu diesen Medientypen
«famous for being famous». «Die gibt es vor allem im Ausland.» Hat Wermuth
somit Chancen für erhöhte Medienaufmerksamkeit im Ausland, wie das bei
anderen unschweizerisch argumentierenden Wortführern der Fall ist?

«Nicht unschweizerisch, sondern neu»

Ein Beispiel ist der Walliser SVP-Nationalrat Oskar Freysinger, der nach dem
Ja zur Minarettinitiative im arabischen TV-Sender Al Jazeera auftrat und
immer wieder in französischen Medien zu Wort kommt. Oder Jean Ziegler, der
in französischsprachigen Medien hohe Beachtung hat. Roger Köppel tritt
häufig in deutschen Talkshows auf. Für den Erfolg im Ausland, sagt Lüönd,
müsste Wermuth Fremdsprachen beherrschen.

Wermuth selbst hält das Attribut unschweizerisch für gefährlich, wie er
sagt. «Meine Argumentationsweise ist nicht unschweizerisch, sondern neu, vor
allem bei der Linken», sagt er gegenüber Tagesanzeiger.ch/Newsnetz. «Doch
die Kommunikationsmittel, die ich gebrauche, sind bekannte Erfolgsfaktoren.»
(Tagesanzeiger.ch/Newsnetz)



Nachtrag aus TAGI:


Trotz Medienschelte ist Cédric Wermuth überzeugt, dass die SP mit dem neuen Parteiprogramm keinen Fehler gemacht hat. Der Juso-Präsident erklärt, warum der Kapitalismus eben doch überwunden werden müsse.
«Die 300 Reichsten verfügen über ein Reinvermögen von 459 Milliarden»: Juso-Präsident Cédric Wermuth.
Juso-Präsident Cédric Wermuth.
Bild: Keystone


«Möchtegern-Marxisten», «Weltverbesserungsverein» (MittellandZeitung und Sonntag), Krypto-Marxisten (NZZ), «unschweizerisch, umstürzlerisch» (Weltwoche), «Retro-Programm» (20 Minunten). Die deutschschweizer Presse ist sich einig:


Die SP hat mit dem neuen Parteiprogramm einen groben Fehler gemacht. Es seien die Rezepte von gestern und überhaupt unverschämt, dass die Partei solch «radikale» Positionen einnehmen. Immer dann aber, wenn zu grosse Einigkeit herrscht, lohnt es sich genau hinzuschauen. Besonders anstössig scheint, dass die SP es «wagt», sich die «Überwindung des Kapitalismus» und den «demokratischen Sozialismus» auf die Fahne zu schreiben. Tatsächlich entspricht das, was wir fordern dem gesunden, demokratischen Menschenverstand.


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