Die Glücksbringer
Leider ist es in der Praxis nicht so einfach wie es die Glücksbringer wahr haben wollen
Coaches und Motivationstrainer versorgen gesunde Menschen mit einfachen Rezepten zur Optimierung ihrer selbst. Die blosse Beschwörung Fortunas ist bei diesen Glücksbringern wichtiger als die Inhalte.
Coaches und Motivationstrainer versorgen gesunde Menschen mit einfachen Rezepten zur Optimierung ihrer selbst. Die blosse Beschwörung Fortunas ist bei diesen Glücksbringern wichtiger als die Inhalte.
Wer sind diese Menschen, die von anderen hören wollen, wie man richtig lebt? Und wer die Trainer und Coaches, die Massen aus dem Lot geratener Psychen wie Chiropraktiker wieder umpolen und routiniert auf das sogenannte "Positive" hinlenken, hin zu sozial erwünschten Stimmungen?
Der Beruf des Beraters zählt zu den reglementierten Gewerben. Unter diesem Begriff Fachwissen weitergeben dürfen nur Unternehmensberater, Lebens-, Sozial- und psychologische Berater – sie müssen eine bestimmte Ausbildung oder eine langjährige Berufspraxis in einem bestimmten Bereich vorweisen. Rund 20.000 von ihnen gibt es derzeit in Österreich.
Abseits dieser Gruppen gibt es jedoch eine Vielzahl an Trainern, Keynote- oder Top-Speakern, die auf eigene Faust beraten und motivieren. Zahlen dazu sucht man vergeblich. Die Kultur der Selbstoptimierung wuchert ungeregelt. Wie viele Glückscoaches oder Erfolgsmotivatoren es gibt, weiß keiner; doch jeder kennt den erfolgreichsten von ihnen: Peter Kinauer.
"Schauen Sie", sagt er, "den Leuten geht es nicht gut. Sie sehnen sich nach Erfolg, und mein Wert liegt darin, dass ich den Menschen zeige, wie sie erfolgreich sein können." Auf seiner Visitenkarte prangt als Berufsbezeichnung: "Experte für Erfolg und Motivation". Weißes Hemd, die Finger seiner Hände vor dem Bauch ineinander verzahnt, wie ein zufriedener Buddha sitzt der 74-Jährige auf einem dunklen Drehstuhl, in einem Dachgeschossbüro im 13. Wiener Gemeindebezirk. Anleitung zum Misserfolg, Lächle und die Welt lächelt, Nobody is Perfect, heißen seine Referate und Bestseller-Bücher. Seit dreißig Jahren ist er im Geschäft, seine Programme sind begehrt. Er liefert Erfolgsstrategien im Schnellservice, die so simpel gestaltet sind wie Bedienungsanleitungen für einen Couchtisch vom Möbeldiscounter – ein Millionengeschäft.
Seine Kundenliste liest sich eindrucksvoll: Nestlé, Strabag, Mazda, Raiffeisen – sie alle buchen ihn, um ihre Mitarbeiter emotional aufzumöbeln. "Und zum Lachen ist auch immer etwas dabei", sagt Kinauer amüsiert.
Drei Vorträge hält Kinauer derzeit pro Woche und kassiert dafür jeweils zwischen 3.400 und 4.500 Euro. Auch die marode Staatsbank Hypo Alpe Adria Kärnten zählt zu seinen Kunden. Vergangenes Jahr leistete sie sich einen Vortrag unter dem Titel Jetzt oder nie! So erobern Sie die Zukunft . Stellung nehmen wollte die Bank dazu nicht.
"Der Persönlichkeitsbildungsmarkt ist schwer überschaubar", sagt Michael Girkinger. Der Politikwissenschaftler und Historiker setzt sich in seinem Buch Einmal Glück und Erfolg, bitte! kritisch mit der Branche auseinander. "Da tummeln sich viele Hobby-Therapeuten, Motivationsgurus und selbst ernannte Experten aller Couleurs, die mit oft zweifelhaften Angeboten ein wachsendes Klientel beruflich und privat beraten, was das Zeug hält. Und wer sich offiziell nicht Unternehmens-, Lebens- oder Sozialberater nennen darf, der versucht es eben als Trainer oder Coach – oder gleich als beides zusammen."
Es gibt keine Wirtschaftskrise, die Krise, sie ist nur im Kopf
Emotionstrainer Manfred Rauchensteiner.
"Es gibt keine Wirtschaftskrise, die Krise, sie ist nur im Kopf", sagt der Emotionstrainer Manfred Rauchensteiner. Der 51-jährige Oberösterreicher wird heute in der Abendakademie Linz einen Vortrag halten. Gebräuntes Gesicht, stahlblaue Augen, Leinensakko. Ein grüner Stein hängt an einer schwarzen Kette um seinen Hals. Alles im Leben sei "Einstellungssache". Rauchensteiner nippt an seinem Kaffee, seine Mimik wirkt gekünstelt, sein Blick fixiert ungewöhnlich lange das Gegenüber, als brauchte es ständige Aufmerksamkeit.
Seine Ausbildung zum Glücksstrainer hat Rauchensteiner bei Ella Kensington absolviert, einem deutsch-schweizerischen Anbieter von Glücksseminaren. 23 Jahre lang arbeitete Rauchensteiner zuvor bei den Casinos Austria als Betriebskassier. Er kümmerte sich um die Ausgabe der Jetons und die Bargeldverwaltung, war aber auch für Menschen zuständig, die glücklos zu viel gezockt hatten. "Mit denen muss man dann reden, sie fragen, ob sie sich das Spiel jetzt noch leisten können. Insofern war ich einfach immer in Kontakt mit unterschiedlichsten Menschen, und das hat mich interessiert."
Erfolgreich im Job sein
oder subtil andere manipulieren: Von Kursen für Neuro-Linguistisches
Programmieren erhoffen sich Führungskräfte vieles. Was ist da dran?
Auf der Bühne des alten Konzertsaals in Berlin steht
nur ein roter Hocker. 600 Menschen drängen hinein, die Plätze in den ersten
Reihen sind von Fans mit Taschen und Jacken blockiert. Chris Mulzer, Trainer
für Neuro-Linguistisches Programmieren (NLP), betritt die Bühne. Es wird sofort
still im Saal. Mulzer, heißt es, sei ein großer Manipulator.
Das Licht ist schummerig, die Luft stickig. Mulzer erzählt Geschichten. Er berichtet von Reisen, von Erfolgsstrategien, von Studienergebnissen. Er räuspert sich, breitet hin und wieder die Hände aus oder fasst sich am Oberarm. Nie kommt er zum Punkt, immer lässt er eine Geschichten offen, um eine neue anzufangen; verschachtelte Ausführungen. Viele sind bereits nach der ersten halben Stunde eingedöst. Ich versuche, mich mit Mitschreiben wachzuhalten.
Die Menschen im Saal sind Teilnehmer einer zehntägigen NLP-Grundausbildung, Practitioner genannt. Ein Massenkurs. Sie streben nach Erfolg im Job, Harmonie in Familie und Partnerschaft und nach einem glücklichen Leben. Das aus verschiedenen Ansätzen der Psychologie entwickelte Kommunikationsmodell NLP soll es ihnen ermöglichen. Einige wollen auch lernen, andere in ihrem Sinne zu beeinflussen – Mitarbeiter und Kunden zum Beispiel. Unter den Teilnehmern sind Führungskräfte, Verkäufer und Makler. Mulzers Kurs ist als berufliche Weiterbildung anerkannt.
- Neuro-Linguistisches Programmieren
- Positiv umdeuten
- Anwendung
- Neuro-Linguistisches Programmieren (NLP) wurde von
dem amerikanischen Psychologen Richard Bandler und dem Linguisten John
Grinder Anfang der siebziger Jahre an der University of California in
Santa Cruz entwickelt.
Sie versuchten, die erfolgreichsten Methoden aus der Gesprächs- und Psychotherapie, der Gestalt- und Familientherapie in einem Werkzeugkoffer zu vereinen.
Auch Methoden aus der Hypnotherapie, der modernen Systemtheorie, Linguistik und Neurophysiologie flossen ein.
Manipulation des Unterbewusstseins
Der euphorische Teilnehmer ist selbst NLP-Trainer und leitet später eine Übungsgruppe. Die verschachtelten Geschichten Mulzers heißen nested loops, erklärt er. Dass die Teilnehmer davon müde werden und wegdösen, sei durchaus gewollt. In die Geschichten seien Suggestionen, Lernziele und gewünschte Veränderungen eingebettet. Auf bewusster Ebene bekämen wir das nicht mit, aber das Unterbewusstsein nehme die versteckten Befehle auf. Es sei unmöglich, sich dagegen zu wehren. Als ich anmerke, es sei eine verrückte Vorstellung, jemand könnte in meiner Psyche herumpfuschen, ohne dass ich es merke oder will, belehrt mich der Mann: "Du willst es ja, sonst wärst du nicht hier."
Tina Groll
Ein einträgliches Geschäft scheint es auf jeden Fall zu sein. Der Verband für Neuro-Linguistisches Programmieren (DVNLP) hat allein gut 2.000 Mitglieder, und es gibt noch mehr Verbände. Die meisten Anbieter solcher Ausbildungen verlangen für den Grundkurs mehrere Tausend Euro. Wer an Mulzers Großkurs teilnimmt, muss nur 350 Euro zahlen. "NLP-Ballermann" wird seine Veranstaltung daher genannt. Und ein bisschen wie auf Mallorca geht es auch zu. Eine Gruppe junger Männer läuft mit Luftballonhüten herum; sie hoffen, nach erfolgreicher Teilnahme mit Hypnosetechniken besser bei Frauen anzukommen.
- NLP in Deutschland
- NLP international
- Chris Mulzer
- In Deutschland sind rund 2.000 Anwender, NLP-Ausbilder und NLP-Trainer im Deutschen Verband für Neuro-Linguistischen Programmieren (DVNLP)
organisiert. Der Verband will die Qualität der NLP-Ausbildungen sichern
und hat Mindestinhalte, ein standardisiertes Curriculum sowie
Zertifizierungskriterien definiert.
Die NLP-Ausbildungen gliedern sich in Grundkurse, sogenannte Practitioner, Masterkurse und Trainerausbildungen. Aus Sicht des DVNLP soll die Grundausbildung mindestens 130 Zeitstunden und 18 Tage umfassen und muss von einem zertifizierten NLP-Trainer durchgeführt werden. Die Gruppen sollen klein sein. Die Mindestgröße beträgt sechs Personen, ab zehn Teilnehmern ist eine Assistenz obligatorisch, die mindestens den Grundkurs nachweisen kann. Auf dem Lehrplan stehen 23 Inhalte. Die Ausbildung soll mit einer schriftlichen und einer praktischen Prüfung enden.
Coaching"Für Chefs ist Hypnose ein wirksames Werkzeug"
Manager lassen sich hypnotisieren, um zu entspannen
und Kompetenzen zu stärken. Der Hypnose-Trainer Tom Krause erzählt im
Interview, wie das Mentaltraining wirkt.
ZEIT ONLINE:
Herr Krause, Sie hypnotisieren Manager. Sind die
Anforderungen in Führungsjobs
so hoch, dass sie nur unter Hypnose zu ertragen sind?Thomas Krause: Die Anforderungen in vielen Führungspositionen sind enorm. Ich habe selbst viele Jahre als Führungskraft im Verkauf gearbeitet und coache viele Entscheider aus dem Verkauf und Vertrieb. In der modernen Arbeitswelt kommt es ja vor allem darauf an, zu funktionieren. Die Gefühle, die Seele, das Unterbewusste spielen kaum eine Rolle. Dieser Teil von uns wird über Hypnose angesprochen. Dort schlummern viele wichtige Ressourcen: Kraft, Ruhe, Entspannung, Selbstvertrauen und Freude, die zur Bewältigung von Stress gebraucht werden. Nun ist aber Hypnose kein Dauerzustand. Es wäre also falsch, zu sagen, Manager würden unter Hypnose gesetzt und in diesem Zustand ferngesteuert.
ZEIT ONLINE: Sondern?
Krause: Über Hypnose existieren viele Klischeevorstellungen. Dabei ist Hypnose ein natürlicher Zustand, den jeder kennt. Jeder kann sich in eine Trance versetzen und wir tun es auch ständig. Wenn wir beispielsweise im Kino gebannt auf die Leinwand starren oder in Tagträume versinken, befinden wir uns letztlich in einer Trance. Es ist ein Zustand angenehmer Entspannung und innerer Ruhe, in dem wir Zugang zu unserem Unterbewusstsein haben und in dem wir für Suggestionen empfänglich sind. Das geht übrigens auch mit Autosuggestionen, beispielsweise wenn man sich einredet, dass alles bestens laufen werde, um die Angst vor einer beruflichen Herausforderung zu überwinden. Es ist aber nicht möglich, jemanden gegen seinen Willen in diesem Zustand fernzusteuern, auch verliert der Hypnotisand nicht die Kontrolle über sich. Ich habe unzählige Klienten hypnotisiert. Alle sind wieder aufgewacht – und allen ging es danach besser. Ich zeichne die Sitzung übrigens auch als Audiofile auf, sodass die Klienten sich die Hypnose später noch einmal anhören können. Viele nutzen das zu Hause zur Entspannung.
Thomas Krause
Krause: Hypnose ist komplex und einfach zugleich. Der Trance-Zustand wird über Worte erreicht, ein Pendel braucht es dafür nicht, es sei denn, der Klient glaubt stark daran, dass das Pendel zur Hypnose unverzichtbar ist. Solch einen Glaubenssatz nutze ich natürlich. In erster Linie spricht der Hypnotiseur mit seinem Klienten. Er lenkt sein Bewusstsein auf die Atmung und die Muskulatur, und er spricht auch die Fantasie an. Der Klient soll sich beispielsweise eine schöne Landschaft vorstellen. Die Kunst dabei ist es, alles vage zu halten, Fragen zu stellen. Zum Beispiel durch Worttilgungen, -verzerrungen und – verallgemeinerungen, wird ein transderivationaler, unbewusster Suchprozess ausgelöst. Der Klient gleicht bei diesem Vorgang bereits gemachte Erfahrungen ab. Auf diese Weise wird auch der Zustand der Entspannung angeleitet. In dieser Phase wird das Bewusstsein abgelenkt. Man ist dann empfänglich für Suggestionen und bekommt so Lösungen mit auf den Weg, die alte Verhaltensweisen aufbrechen können. Voraussetzung dafür ist natürlich Vertrauen und dass sich der Klient auch darauf einlässt.
ZEIT ONLINE: Suggestion klingt nach Manipulation.
Krause: Suggestionen sind Angebote. Aber Sie haben Recht: Hypnose ist Manipulation – eine bewusst gewünschte. Wenn sich der Andere darauf nicht einlässt, funktioniert es nicht.
ZEIT ONLINE: Was sind das für Angebote?
Krause: Das hängt vom Ziel der Hypnose ab. Ich gebe mal ein Beispiel: Vor einiger Zeit kam eine Führungskraft aus Österreich zu mir. Dieser Mann war Vertriebsleiter und bekam die Aufgabe, für ganz Österreich eine neue Vertriebsstruktur aufzubauen. Er fühlte sich erschöpft und überfordert von der neuen Aufgabe, auch weil er harte Entscheidungen zu treffen hatte. In der Hypnose haben wir daran gearbeitet, dass er wieder zu sich kommt, auf seine Gefühle achtet und neue Kraft findet. Das heißt, ich arbeite mit der Suggestion, dass sich mein Klient gut gerüstet für den Job fühlt und auf seine Gefühle achten kann. Nach der Sitzung fühlte er sich entspannter und war zuversichtlicher.
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