Gegenüber unserer Strassenseite leuchtet derzeit
ein Rapsfeld
SRF publiziert heute die passende Musik zu diesem gelben Rapsfeld: Rameaus «La Joyeuse».
Es gibt keine gelbe Musik. Und keine rote, grüne, schwarze. Farben
jedoch haben immer auch eine symbolische Bedeutung. Somit wird man sich
unter einem «roten» Lied durchaus das kommunistische Arbeiterlied
«Völker, hört die Signale» vorstellen können. Und gilt nicht Giuseppe
Verdis «Otello» als seine «schwärzeste» Oper – unabhängig von der
Hautfarbe der Titelfigur?
Mit der Farbe Gelb verbindet sich
symbolhaft höchst Disparates. Gelb kann man vor Neid werden. Smileys
grinsen uns in der Regel gelb an – freundlich oder unfreundlich. In der
Welt des Sports werden gelbe Karten vom Schiedsrichter gezückt. Gelb ist
die Farbe der deutschen FDP.
Ein U-Boot für Hippies
Mehr ein Kinderlied denn «gelbe» Musik vor Augen hatten die Beatles, als sie 1966 ihr «Yellow Submarine»
vom Stapel liessen. Das gelbe U-Boot im Songtext wurde als Statement
gegen den Vietnamkrieg interpretiert oder als symbolisches Tauchgefährt,
Vehikel für Konsumenten psychedelischer Substanzen. Das waren
Sichtweisen gegen die sich die Beatles vehement wehrten.
Neben gelben Unterseeboote hält die Musikgeschichte Titel parat wie «La Princesse jaune»
(eine komische Oper von Camille Saint-Saëns). Frank Zappas Plattenfirma
veröffentlichte einen Monat vor dessen Tod die Orchestersuite «The yellow shark». Der Pianist Lang Lang produzierte sich gerne mit dem Klavierkonzert «Yellow River»
seines chinesischen Landsmanns Yin Chengzong. Gelb als Attribut – das
gibt’s nicht selten in der Musik. Anders beim Maler und Theoretiker
Wassily Kandinsky.
Allmähliche Verdunkelung
Kandinsky glaubte an die synästhetische Wechselwirkung von Farben
und Musik. Seine Bilder nannte er «Kompositionen». Von ihm ist das zu
Lebzeiten unaufgeführte Bühnenwerk «Der gelbe Klang» überliefert.
Kandinsky stellte sich dazu «ein mattes gelbes Licht» vor, «welches
allmählich immer intensiver wird, bis die ganze Bühne grell zitronengelb
wird». Mit der Steigerung des Lichtes soll allerdings die Musik «immer
dunkler» werden.
Alfred Schnittke: Musik zu Wassily Kandinskys Bühnenspiel «Der gelbe Klang»
0:53 min
Der russische Komponist Alfred Schnittke hat diese Anweisungen 1974
auf seine Weise interpretiert. Seine Musik zu «Der gelbe Klang»
erstarrt am Ende wie Eis.
Schönberg bleibt vage
Synästhetiker verbinden mit Gelb zu hohe Männerstimmen, sich
überschlagende Musik oder auch Free Jazz. Auch der Komponist Alexander
Skrjabin ordnete gewissen Klängen Farben zu. Und Arnold Schönberg sprach
in seiner Harmonielehre von «Klangfarbenmelodien» – ohne allerdings in
der Zuordnung zu einzelnen Farben spezifischer zu werden.
Farb-Ton-Verbindungen sind bei jedem anders geartet.
Rameau: Cembalosuite «La Joyeuse» (Cembalo: Mahan Esfahani)
1:16 min
Bei einer Zugfahrt habe ich, obwohl selbst kein Synästhetiker, per
Zufall so etwas wie einen gelben Klang gefunden. Jetzt, wo die
Rapsfelder die Landschaft in gelbe Hingucker und einen blassen Rest
unterteilen. Von meiner Playlist spulte ich blind Liszt und Beethoven
ab, Monteverdi und Bartók. Schliesslich passte tatsächlich etwas. Die
hohen, dicht an dicht heraneilenden Töne schienen den grinsenden
Rapsfeldern da draussen geradezu zu entspringen. Es war ein Satz aus
einer Cembalosuite von Jean-Philippe Rameau mit dem Titel «La Joyeuse».
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