Montag, 2. Februar 2009

Grenzen überschritten?

Im Kanton Aargau gibt ein Inserat zu Reden. Mit weinenden Kindern wird versucht, den Erziehungsdirektor Huber zu attackieren. Mit einer fragwürdigen Bildkampage, die aussagt: Unter Huber sind die Schulkinder unglücklich.

Ich zitiere 20 Min:

Wahlkampf

Weinende Kinder sorgen für Aufregung

Ein Inserat sorgt für Aufregung im Aargau: Es warnt mit weinenden Kindern vor einer Wiederwahl von Regierungsrat Rainer Huber. Der Gesamtregierungsrat verurteilte das Inserat. Den Inserenten droht jetzt gar eine Urheberrechtsklage.

Das umstrittene Inserat... (Bild: SF)

...zielte auf Regierungsrat Rainer Huber (CVP) (Bild: Keystone/Sigi Tischler)

Der Aargauer Regierungsrat hat die politischen Gruppen im Vorfeld der Stichwahl für den fünften Sitz in der Kantonsexekutive zur «Sachlichkeit» aufgerufen. Es gehöre zur Politkultur, dass ein Regierungsratswahlkampf «eine inhaltliche wie auch emotionale Auseinandersetzung um politische Positionen und Personen» sei, teilte der Regierungsrat am Montag mit. «Nicht zu rechtfertigende Stimmungsmache» gegen Kandidierende trügen jedoch nicht zur Meinungsbildung bei. Weiter verurteilte der Regierungsrat «diffamierende Vorwürfe» gegen Bildungsdirektor Rainer Huber.

Anlass für den Aufruf zur Sachlichkeit ist ein Inserat in der Samstagausgabe der «Aargauer Zeitung» (AZ). Ein anonymes Elternkomitee mit dem Namen «Keiner wählt Rainer» zeigte vier Farbfotos von weinenden Kindern. «Aargauer Kinder sind erschüttert: Rainer Huber kandidiert nochmals...», stand im Inserat.

Die CVP kritisierte das Inserat als «skandalös». Die AZ räumte inzwischen Fehler ein.

Kommentar: Ich erachte solche Attacken eindeutig als unfair, obschon mich Regierungsrat Huber an den Schweizerischen Lehrerfortbildungskursen in Aarau alles andere als überzeugt hatte. Er las damals ein trockenes Standardreferat ab , das alles andere als auf die Adressaten zugeschnitten war. Ein Aargauer Lehrer sagte mir, dass er das selbe Referat schon an einer anderen Veranstaltung im gleichen Wortlaut gehört habe. Es war für mich unverstädnlich, dass ein Erziehungsdirektor nicht fähig war, die Gelegenheit zu nutzen um vor Hunderten von Lehrkräften einen persönlichen Gedanken zu entwickeln, der mit den Aderessaten und der Situation des Lernens in den Ferien etwas zu tun hat.

Nachtrag 8.2.09:

Nach dem Wahlresultat hatte die fragwürdige Kampagne Erfolg:

Abgewählt: Rainer Huber. (Keystone)

Emotionen - das ist Medienfutter und kann gut verkauft werden!

Es sei ein historischer Tennis Match gewesen, heisst es zwar in allen Berichten. Doch werden nicht die spannenden Sportszenen in die Mediengeschichte eingehen. Es werden vor allem die emotionalen Bilder sein und die Tränen, die Roger Federer nach der Niederlage vor Mikrofon und Kamera vergossen hat. Diese Bilder sind heute in allen Blättern und Online Beiträgen gross aufgemacht.

«Federer war ein emotionales Wrack»

(Tagi online)

Die internationalen Medien waren sich nach dem Final zwischen Sieger Rafael Nadal und Roger Federer einig: Das epische Duell von Melbourne wird seinen Platz in der Tennis-Geschichte haben.

< (20 Min):

«Der Abschied vom Olymp»

1. BILDER SAGEN MEHR ALS TAUSEND WORTE

2. EMOTIONEN WIRKEN NACHHALTIGER ALS SACHLICHKEIT

Aus 20 Min:

Tränen der Enttäuschung bei Roger Federer

Nach der Niederlage im Final der Australian Open sollte Roger Federer wie üblich einige Worte ans Publikum richten. Doch der unglückliche Verlierer brachte fast kein Wort heraus, zu gross war die Enttäuschung über das verlorene Spiel und den verpassten Titelrekord von Pete Sampras. Das Publikum zeigte Verständnis und reagierte mit tosendem Beifall.

Roger Federer konnte nach dem Spiel seine Emotionen nicht zurück halten. (Quelle: Youtube)
Der falsche Stapi

Immer wieder versuchen Komiker prominente am Telefon reinzulegen, indem sie einen Politiker imitieren.

In 20 Min gelesen:

Jux-Stapi sorgt für rote Köpfe

Mit frechen Fragen provozierte «Elmar Ledergerber» die Stapi-Kandidatinnen am Radio. Prompt meldeten sich erboste Bürger.

Stadtpräsident Elmar Ledergerber.

Comedian Fabian Unteregger.

Keine gute Figur machten die Stapi-Kandidatinnen beim Zürich-Quiz auf Radio 24. Wer war vor Elmar Ledergerber Stadtpräsident? «Thomas Wagner», sagte Kathrin Martelli. Richtig: Sepp Estermann, wie Corine Mauch lachend nachschob. Welche Brücke verbindet Wipkingen mit dem Stadtteil Hard? «Europabrücke!», sagte Mauch, und dann «Hardbrücke, nein Rosengartenbrücke!» Richtig: Hardbrücke. Hochbauvorsteherin Martelli wusste derweil gar nichts zu sagen.

In der Radio-24-Morgenshow letzten Freitag: Zu Gast sind die beiden Stapi-Kandidatinnen Kathrin Martelli und Corine Mauch. Plötzlich meldet sich vermeintlich Elmar Ledergerber via Telefon zu Wort. Er fragt Mauch, die Chinesisch spricht: «Corine, wie heisst auf Chinesisch: Kathrin Martelli ist ein heisser Käfer?» Von Martelli will er wissen: «Kathrin, du siehst von Wahlkampf zu Wahlkampf auf dem Plakat immer jünger aus, wie machst du das?»

Die beiden Frauen reagierten laut Morgenshow-Moderator Patrick Hässig zunächst verdattert. «Dann merkten sie aber, dass es sich um eine Parodie handelte, gespielt von Comedian Fabian Unteregger (bekannt aus «Giacobbo/Müller»). Im Gegensatz zu zahlreichen Radiohörern, die sich über Ledergerbers Einmischung in den Wahlkampf ärgerten und im Stadthaus anriefen: «Sie beschwerten sich über die Art, wie der vermeintliche Stadtpräsident die Kandidatinnen interviewt hatte», sagt Nat Bächtold vom Präsidialdepartement. Nach Abklärungen bei Radio 24 sei die Sache nun aber geklärt. Von einem «Erfolg auf der ganzen Linie» spricht Unteregger: «Wenn sich so viele Leute enervieren, ist die Parodie gelungen.»

Kommentar: Für die Zuhörer sind zwar solche Jux Telefonate lustig (Schadenfreude ist die reinste Freude). Für die Betroffenen hingegen weniger. Was ich in Medienseminaren stets rate: Bei Interviews lohnt es sich, zuerst zu stoppen und den Namen mit der TelefonNr zu notieren und dann später zurückzurufen (Dank dieser Pause kann der Anrufer verifiziert werden). Dies Klärung lohnt sich.
Zum Meinungschaos des Bundesrates

oder: Oh dass ich tausend Zungen hätte!

Der Bundesrat darf bei Sachfragen durchaus geteilter Meinung sein und hat das Recht, intern zu streiten. Doch müsste die Exekutive wissen, dass sie dann nach aussen nur mit einer Stimme sprechen sollte. Was nicht heissen will, dass nur eine Person spricht. Nein - es dürfen alle reden - aber die Aussagen dürfen sich dann nicht widersprechen. Es gibt somit nur EINE Stimme des Gesamtbundesrates. Christoph Blocher wurde als Justizminister immer wieder vorgeworfen, er halte sich nicht an diese Regel. Seit er nicht mehr im Bundesrat sitzt, erleben wir jedoch beim heutigen Bundesrat, wie sie sich in der Oeffentlichkeit widersprechen. Bei der Finanzkrise war es Eveline Widmer - Schlumpf und Doris Leuthard, die unterschiedlich kommunizierten. Dann gab es unterschiedliche Verlautbarungen zwischen Calmy-Rey und Leuthard und beim Einsatz der Soldaten auf hoher See zwischen Calmy Rey und dem Gesamtbundesrat usw. Ich habe dieses Hickhack in der OEffentlichkeit immer wieder im Blog thematisiert. Heute lesen wir nun im Blick:

Uneins!

Sie drückt, er bremst: Doris Leuthard, Hans-Rudolf Merz. (Reuters)

Da soll noch einer drauskommen: Auf der einen Seite fordert Wirtschaftsministerin Doris Leuthard (CVP, 45) am Wochen­ende «tiefere Löhne für Banker» und sofortige Transparenz bei den vermutlich zwei Milliarden Boni, welche sich die UBS-Banker gönnen: «Die Leute auf der Strasse müssen wissen, wie viel die UBS-Banker an Fixlöhnen und an va­riablen Entschädigungen bezogen haben. Und zwar schnell», so Leuthard in der «Berner Zeitung».

Zwei Tage zuvor hatte sich schon Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf (BDP, 52) über die Boni empört. Sie habe nur Verständnis für jenen Teil der Boni, der fester Lohnbestandteil sei, «für ­alles andere nicht».

Ganz andere Töne kommen von Finanzminister Hans-Rudolf Merz (FDP, 66). Er warnt in der «SonntagsZeitung»: «Wir müssen aufpassen, dass die Boni-Debatte nicht zur Hatz auf die UBS wird.» Sekundiert wird er vom Chef der Finanzmarktaufsicht (Finma) Eugen ­Haltiner, der im SonntagsBlick bei Kritik an den UBS-Boni sogar «Volksverhetzung» wittert.

Was gilt denn nun in dieser Kakophonie? «Der Bundesrat sollte dringend klären, welche Position er eigentlich gegenüber der UBS vertritt», fordert der grüne Finanz­politiker Daniel Vischer (59). «Kann hier jeder sagen, was ihm gerade in den Sinn kommt?», fragt Vischer. SP-Präsident Christian Levrat (38) erhebt schwere Vorwürfe: «Der Bundesrat spielt ganz bewusst ein Doppelspiel. Gegen aussen tut er so, als ob er den Volkszorn ernst nähme, im Hintergrund schützt er aber nur die Interessen der UBS.»

Eigenartig ist es ja schon: Da regen sich zwei Bundesrätinnen über die UBS auf. Aber der Bundesrat selbst ist doch der Auftraggeber der Finma, kann dieser vorschreiben, was sie bei der UBS durchgehen lassen darf und was nicht. Ausserdem wurde der Vertrag zwischen UBS und Bundesrat über die 68 Milliarden Steuerfranken zur Rettung der Bank unter Leitung von Widmer-Schlumpf umgesetzt – Merz lag im letzten Herbst ja im Spital. In diesem Vertrag steht auch, was der Bund bei den Boni mitzureden hat – oder eben nicht.

Kakophonie auch bei den Parteien: FDP-Vorzeigeunternehmer Johann Schneider-Ammann (56) predigt landauf landab gegen die Geldgier der Banker an und will Boni in der jetzigen Situation verhindern. Als aber am Freitag in der Finanzkommission der Antrag von André Daguet (SP, 61) auf dem Tisch liegt, der Bundesrat müsse die Stornierung der UBS-Boni verlangen, stimmen plötzlich alle FDP-Kollegen dagegen. Genau wie Grünliberale und Leuthards CVP-Kollegen.

Was gilt? In Abwandlung von Leuthards Forderung gilt sicher: Die Leute auf der Strasse müssen wissen, was die Regierung wirklich mit der UBS gedealt hat und wie die Parteien wirklich dazu stehen.

Was gilt denn jetzt?

Kommentar: Der Bundesrat sollte sich bei seinen Kommunikationsprozessen die Aerzte des Universitätsspital in Innsbruck (Koma von Daniel Albrecht) zum Vorbild nehmen, die sich bei den täglichen Medienmitteilungen und bei allen Befragungen nie widersprochen haben. Kommunikation muss koordiniert und geführt werden. Das habe ich schon vor Jahren bei Beatrice Tschanz gelernt. Dies müsste auch der Bundesrat wissen! In den Departementen hat es bekanntlich genügend Kommunikationsfachleute.

Nachtrag Tagi 4.2.09

Das Gezänk kommt im dümmsten Augenblick: Bundesrat Hans-Rudolf Merz, Bundesrätin Doris Leuthard

Das Gezänk kommt im dümmsten Augenblick: Bundesrat Hans-Rudolf Merz, Bundesrätin Doris Leuthard

Es ist noch nicht so lange her, das besprachen Bundesrat Hans-Rudolf Merz und Bundesrätin Doris Leuthard strittige Dossiers bei einem Teller Risotto. Jetzt tragen sie Differenzen in der Öffentlichkeit aus - wie beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Leuthard kritisierte die Bonizahlungen der UBS, Merz hingegen verteidigte die UBS.

Das Gezänk im Bundesrat kommt im dümmsten Augenblick: Die Schweiz steht am Beginn einer schweren Wirtschaftskrise, die Gesuche für Kurzarbeit steigen seit Wochen sprunghaft an. Experten rechnen für 2009 mit einer Arbeitslosenquote von bis zu 4,5 Prozent. Eigentlich wären nun Wirtschaftsministerin und Finanzminister gefordert. Sie sollen gemeinsam ein weiteres Programm zur Stabilisierung der Wirtschaft vorlegen.

Das Parteibuch steht im Wege

Dem Risotto-Pärchen Merz und Leuthard steht aber immer öfter das Parteibuch im Wege: Wenn Leuthard ankündigt, sie prüfe auch die Senkung der Mehrwertsteuer zur Ankurbelung des Konsums, folgt hinterher prompt die Kritik des Finanzministers: er sei nicht bereit die Mehrwertsteuer zu senken. Das ist ein Beispiel mehr dafür, wie stark der Konflikt zwischen FDP und CVP das Klima im Bundesrat vergiftet und die Arbeit der Regierung belastet.

Vorwürfe hüben wie drüben

Beide Mitteparteien bombardieren sich seit Monaten mit Vorwürfen. Stefan Brupbacher, Generalsekretär der FDP, bezeichnet die CVP als wenig verlässlichen Partner: «Bei den Parallelimporten und bei der Revision der Invalidenversicherung hat die CVP ihre Position plötzlich gewechselt», kritisiert er. Die FDP-Spitze habe offenbar ein Identifikationsproblem, kontert Marianne Binder, Informationschefin der CVP. «Dass sie auf der Suche nach einem neuen Koalitionspartner der SVP in die Arme läuft, erleichtert die Selbstfindung nicht.»

Neuer Zankapfel die IV-Revision