oder: Oh dass ich tausend Zungen hätte!
Der Bundesrat darf bei Sachfragen durchaus geteilter Meinung sein und hat das Recht, intern zu streiten. Doch müsste die Exekutive wissen, dass sie dann nach aussen nur mit einer Stimme sprechen sollte. Was nicht heissen will, dass nur eine Person spricht. Nein - es dürfen alle reden - aber die Aussagen dürfen sich dann nicht widersprechen. Es gibt somit nur EINE Stimme des Gesamtbundesrates. Christoph Blocher wurde als Justizminister immer wieder vorgeworfen, er halte sich nicht an diese Regel. Seit er nicht mehr im Bundesrat sitzt, erleben wir jedoch beim heutigen Bundesrat, wie sie sich in der Oeffentlichkeit widersprechen. Bei der Finanzkrise war es Eveline Widmer - Schlumpf und Doris Leuthard, die unterschiedlich kommunizierten. Dann gab es unterschiedliche Verlautbarungen zwischen Calmy-Rey und Leuthard und beim Einsatz der Soldaten auf hoher See zwischen Calmy Rey und dem Gesamtbundesrat usw. Ich habe dieses Hickhack in der OEffentlichkeit immer wieder im Blog thematisiert. Heute lesen wir nun im Blick:
Uneins!
Sie drückt, er bremst: Doris Leuthard, Hans-Rudolf Merz. (Reuters)
Da soll noch einer drauskommen: Auf der einen Seite fordert Wirtschaftsministerin Doris Leuthard (CVP, 45) am Wochenende «tiefere Löhne für Banker» und sofortige Transparenz bei den vermutlich zwei Milliarden Boni, welche sich die UBS-Banker gönnen: «Die Leute auf der Strasse müssen wissen, wie viel die UBS-Banker an Fixlöhnen und an variablen Entschädigungen bezogen haben. Und zwar schnell», so Leuthard in der «Berner Zeitung».
Zwei Tage zuvor hatte sich schon Justizministerin Eveline Widmer-Schlumpf (BDP, 52) über die Boni empört. Sie habe nur Verständnis für jenen Teil der Boni, der fester Lohnbestandteil sei, «für alles andere nicht».
Ganz andere Töne kommen von Finanzminister Hans-Rudolf Merz (FDP, 66). Er warnt in der «SonntagsZeitung»: «Wir müssen aufpassen, dass die Boni-Debatte nicht zur Hatz auf die UBS wird.» Sekundiert wird er vom Chef der Finanzmarktaufsicht (Finma) Eugen Haltiner, der im SonntagsBlick bei Kritik an den UBS-Boni sogar «Volksverhetzung» wittert.
Was gilt denn nun in dieser Kakophonie? «Der Bundesrat sollte dringend klären, welche Position er eigentlich gegenüber der UBS vertritt», fordert der grüne Finanzpolitiker Daniel Vischer (59). «Kann hier jeder sagen, was ihm gerade in den Sinn kommt?», fragt Vischer. SP-Präsident Christian Levrat (38) erhebt schwere Vorwürfe: «Der Bundesrat spielt ganz bewusst ein Doppelspiel. Gegen aussen tut er so, als ob er den Volkszorn ernst nähme, im Hintergrund schützt er aber nur die Interessen der UBS.»
Eigenartig ist es ja schon: Da regen sich zwei Bundesrätinnen über die UBS auf. Aber der Bundesrat selbst ist doch der Auftraggeber der Finma, kann dieser vorschreiben, was sie bei der UBS durchgehen lassen darf und was nicht. Ausserdem wurde der Vertrag zwischen UBS und Bundesrat über die 68 Milliarden Steuerfranken zur Rettung der Bank unter Leitung von Widmer-Schlumpf umgesetzt – Merz lag im letzten Herbst ja im Spital. In diesem Vertrag steht auch, was der Bund bei den Boni mitzureden hat – oder eben nicht.
Kakophonie auch bei den Parteien: FDP-Vorzeigeunternehmer Johann Schneider-Ammann (56) predigt landauf landab gegen die Geldgier der Banker an und will Boni in der jetzigen Situation verhindern. Als aber am Freitag in der Finanzkommission der Antrag von André Daguet (SP, 61) auf dem Tisch liegt, der Bundesrat müsse die Stornierung der UBS-Boni verlangen, stimmen plötzlich alle FDP-Kollegen dagegen. Genau wie Grünliberale und Leuthards CVP-Kollegen.
Was gilt? In Abwandlung von Leuthards Forderung gilt sicher: Die Leute auf der Strasse müssen wissen, was die Regierung wirklich mit der UBS gedealt hat und wie die Parteien wirklich dazu stehen.
Kommentar: Der Bundesrat sollte sich bei seinen Kommunikationsprozessen die Aerzte des Universitätsspital in Innsbruck (Koma von Daniel Albrecht) zum Vorbild nehmen, die sich bei den täglichen Medienmitteilungen und bei allen Befragungen nie widersprochen haben. Kommunikation muss koordiniert und geführt werden. Das habe ich schon vor Jahren bei Beatrice Tschanz gelernt. Dies müsste auch der Bundesrat wissen! In den Departementen hat es bekanntlich genügend Kommunikationsfachleute.
Nachtrag Tagi 4.2.09
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Es ist noch nicht so lange her, das besprachen Bundesrat Hans-Rudolf Merz und Bundesrätin Doris Leuthard strittige Dossiers bei einem Teller Risotto. Jetzt tragen sie Differenzen in der Öffentlichkeit aus - wie beim Weltwirtschaftsforum in Davos. Leuthard kritisierte die Bonizahlungen der UBS, Merz hingegen verteidigte die UBS.
Das Gezänk im Bundesrat kommt im dümmsten Augenblick: Die Schweiz steht am Beginn einer schweren Wirtschaftskrise, die Gesuche für Kurzarbeit steigen seit Wochen sprunghaft an. Experten rechnen für 2009 mit einer Arbeitslosenquote von bis zu 4,5 Prozent. Eigentlich wären nun Wirtschaftsministerin und Finanzminister gefordert. Sie sollen gemeinsam ein weiteres Programm zur Stabilisierung der Wirtschaft vorlegen.
Das Parteibuch steht im Wege
Dem Risotto-Pärchen Merz und Leuthard steht aber immer öfter das Parteibuch im Wege: Wenn Leuthard ankündigt, sie prüfe auch die Senkung der Mehrwertsteuer zur Ankurbelung des Konsums, folgt hinterher prompt die Kritik des Finanzministers: er sei nicht bereit die Mehrwertsteuer zu senken. Das ist ein Beispiel mehr dafür, wie stark der Konflikt zwischen FDP und CVP das Klima im Bundesrat vergiftet und die Arbeit der Regierung belastet.
Vorwürfe hüben wie drüben
Beide Mitteparteien bombardieren sich seit Monaten mit Vorwürfen. Stefan Brupbacher, Generalsekretär der FDP, bezeichnet die CVP als wenig verlässlichen Partner: «Bei den Parallelimporten und bei der Revision der Invalidenversicherung hat die CVP ihre Position plötzlich gewechselt», kritisiert er. Die FDP-Spitze habe offenbar ein Identifikationsproblem, kontert Marianne Binder, Informationschefin der CVP. «Dass sie auf der Suche nach einem neuen Koalitionspartner der SVP in die Arme läuft, erleichtert die Selbstfindung nicht.»
Neuer Zankapfel die IV-Revision
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