Donnerstag, 17. Januar 2008

Blochers Hompage verliert den Genuss der Immunität

Quelle NZZ online 16.Jan.08

Ich zitiere:

Opposition ohne parlamentarische Immunität

Blocher reaktiviert seine Homepage mit rechtlich problematischen Inhalten

Blocher kommt als Oppositionsführer nicht mehr in den Genuss der Immunität für Amtspersonen. (Bild: Reuters)

Am Freitagabend will Christoph Blocher, alt Bundesrat und designierter Vizepräsident der SVP Schweiz, an der 20. Albisgütli-Tagung die Aufgaben seiner Partei in der Opposition und seine persönliche Rolle dabei erläutern.

Obwohl selber ein Computer-Muffel, gehörte Blocher zu den Parlamentariern, die rasch den Wert des Internets für politische Kampagnen erkannt haben. «blocher.ch» gehörte Ende der neunziger Jahre zu den am meisten beachteten Politiker-Homepages. Ab Blochers Eintritt in den Bundesrat wurde sie nicht mehr nachgeführt. Auf der gleichsam eingefrorenen Homepage blieb der vorbundesrätliche Blocher in Form zahlreicher Reden, Interviews und Zeitungsbeiträge konserviert. Es erstaunt nicht, dass der SVP-Vordenker die Adresse nach seiner Abwahl nun reaktivieren und als Plattform für seine Oppositionspolitik nutzen will. Eine erste kleine Anpassung ist bereits erfolgt: Im politischen Werdegang wurde ergänzt, Blocher sei von 2004 bis 2007 Bundesrat gewesen.

Der virtuelle Gang in die Vergangenheit ruft Episoden aus Blochers Zeit als Nationalrat und Zürcher SVP-Präsident in Erinnerung.

Darunter die Tatsache, dass Blocher mindestens zweimal von gröberem Ungemach verschont blieb, weil er sich in das Privileg der Immunität flüchten konnte, das Parlamentarier unter Umständen vor Strafverfolgung schützt. So wird auf seiner Homepage nach wie vor, in Textform und als Tonband- oder Videokassette, seine Rede vom 1. März 1997 in Oerlikon über die Schweiz im Zweiten Weltkrieg vertrieben. Sie hatte ein gerichtliches Nachspiel. Die Schlagzeile im «Sonntags-Blick» am nächsten Tag, «Blocher: Den Juden geht es nur ums Geld», hatte den Redner veranlasst, die Justiz in Bewegung zu setzen, ohne Erfolg. Seine Ehrverletzungsklage gegen die Zeitung fiel wie ein Bumerang in Form einer richterlichen Strafanzeige wegen Verstosses gegen die Rassismusstrafnorm auf Blocher zurück. Die Zürcher Bezirksanwaltschaft stellte den Antrag an die eidgenössischen Räte, seine Immunität sei aufzuheben. Das Parlament lehnte dies ab und verschonte Blocher, der anfänglich der NZZ zu Protokoll gegeben hatte, er freue sich auf diesen Prozess, vor einer Strafuntersuchung, obwohl diese auch mit einer Einstellung des Verfahrens hätte enden können.

Haltloser Anwurf nie gelöscht

Vorhanden ist ebenso Blochers Text im «Tages-Anzeiger» vom 14. April 2003 gegen den Filz in Politik und Wirtschaft. Darin unterstellt er unter anderem dem damals eben abgewählten Kantonsrat Jean-Jacques Bertschi (fdp.), er habe die Zugehörigkeit zur kantonsrätlichen Bildungskommission dazu genutzt, um sich Aufträge für seine private Schulungsfirma zu sichern. Bertschi wies den Vorwurf begründet zurück, darauf hielt Blocher in einer Gegendarstellung vollumfänglich an seinen Aussagen fest und verbreitete den Text als Inserat, auch in der NZZ. Als Bertschi eine Ehrverletzungsklage einreichte, verstummte Blocher und verlegte sich darauf, die Sache auszusitzen. Kurz vor seiner Wahl in den Bundesrat wurde die Klage vom Bezirksgericht Zürich zugelassen, und die zuständige Richterin stellte zuerst beim Parlament, dann beim Bundesrat den Antrag auf Aufhebung von Blochers Immunität. Im März 2004 stellte sich die Landesregierung schützend vor ihr neues Mitglied und hinderte die Zürcher Justiz daran, ihre Arbeit zu tun, indem sie Blochers Rundumschlag zum politischen Manifest erhob und die ungestörte Ausübung ihres Mandates über das Interesse an einer Strafverfolgung stellte. Dass sich Bertschi zu Recht gegen Blochers Anwurf gewehrt hatte, zeigte wenige Tage danach die briefliche Bestätigung der Zürcher Bildungsdirektorin Regine Aeppli. Demnach hat er während seiner Zeit in der Bildungskommission von der Bildungsdirektion keinen Auftrag erhalten.

Nach 28 Jahren nicht mehr immun

Das Internet zeichnet sich neben anderem dadurch aus, dass man inhaltliche Fehler ohne weiteres korrigieren oder einen heiklen Beitrag per Maus-Click entfernen kann. Obwohl die Justiz zweimal gegen ihn vorgehen wollte, ist Blocher offenbar nicht zu diesem Schritt bereit. Vielmehr verbreitet er die beanstandeten Aussagen auf seiner Homepage weiter. Damit nimmt er in Kauf, dass die zuständigen Stellen die Fälle wieder aufnehmen. Selbst beim offensichtlich ungerechtfertigten Anwurf gegen Bertschi war er zu diesem minimalen Eingeständnis eines Fehlers nicht bereit. Im Fall der umstrittenen Rede von 1997 dürften die Gründe tiefer liegen. Als Justizminister wollte Blocher, wozu er nicht mehr kam, die Rassismusstrafnorm überprüfen.

Die Rückblende zeigt ausserdem, dass Christoph Blocher als Anführer der Opposition in Zukunft seine Worte sorgfältig wählen muss, will er keine Prozesse riskieren.

Erstmals seit seiner Wahl in den Nationalrat vor 28 Jahren darf er nicht mehr damit rechnen, im Sicherheitsnetz der Immunität weich zu landen. Eine Aussage wie 2006 im Albisgütli, als der damalige Bundesrat zwei Kosovo-Albaner zu Unrecht als Kriminelle bezeichnet hat, wofür Blocher sich entschuldigen musste, kann in Zukunft rechtliche Folgen nach sich ziehen.

Ende Zitat

Kommentar: Der abgewählte Bundesrat wird vermutlich das Internetrecht auszureizen. Doch ist es spannend, mitzuverfolgen, wie er die Gratwanderung - zwischen Aeusserungen, die eingeklagt werden können und Vorwürfen, die das Gesetz nur anritzen - meistern will.

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