Samstag, 13. Juni 2020

Gut gebrüllt Christian Dorer

Ich zitiere:

Der Mord an George Floyd (†46) hat überall Massenproteste gegen Rassismus ausgelöst. Denn die Geschichte der USA ist belastet von Sklaverei und Rassentrennung, wie die Spannungen zwischen Weissen und Schwarzen noch heute zeigen.
Zwar haben wir in der Schweiz eine ganz andere Situation. Doch auch bei uns werden Angehörige von Minderheiten brüskiert oder sogar tätlich angegriffen. SonntagsBlick-Reporter Fabian Eberhard hat unter dem Titel «Seien wir antirassistisch!» fünf Vorschläge gemacht, was jeder von uns dagegen tun kann:
1. Rassismus wahrnehmen.
2. Unsere Privilegien erkennen.
3. Unser eigenes Handeln hinterfragen.
4. Jenen zuhören, die Diskriminierung erfahren haben.
5. Solidarität zeigen – denn Schweigen bedeutet Zustimmung.
Diese Vorschläge sind klug, durchdacht und konstruktiv.
Leider ist die öffentliche Debatte derzeit genau vom Gegenteil geprägt: Die halbe Schweiz streitet über die korrekte Bezeichnung von Süssigkeiten, um Namen von Gasthöfen, Apotheken und Gemeinden, um Denkmäler und Gedenkstätten.
Plötzlich ist eine Statue von Alfred Escher (1819–1882) hoch umstritten. Als Mitgründer von SBB, ETH und Credit Suisse geniesst er Heldenstatus – aber seine Familie hat einen Teil ihres Vermögens mit Kaffeeplantagen in Kuba gemacht. Das war gewiss nicht sehr christlich. Nur: Wie sinnvoll ist es, wenn wir Persönlichkeiten von früher mit den Werten von heute beurteilen?
Plötzlich gerät Hasan Güven (37) unter Druck, der Wirt vom «Mohren» in Willisau LU, weil er den Namen seines Gasthofs nicht ändern mag. Wer könnte es besser wissen als dieser türkische Wirt, wenn er sagt, «Rassismus entsteht im Herzen und nicht wegen eines Worts»?
Plötzlich stehen die Mohrenköpfe der Firma Dubler im Kreuzfeuer – wie übrigens schon vor Jahrzehnten. Diesmal wegen der kopflosen Reaktion der Migros auf den Tweet einer Kundin. Sie schrieb: «Ich bitte Sie, dieses Produkt unverzüglich aus Ihrem Sortiment zu nehmen! Dieser Ausdruck ist äusserst rassistisch und entspricht nicht der Political Correctness.» Prompt verbannte der Grossverteiler Dubler-Produkte aus seinem Sortiment! Volg und Spar denken an ähnliche Schritte. Hätten sie wirklich ein Problem mit Mohrenköpfen, hätten sie längst handeln können. Weshalb – wenn nicht aus reinem Opportunismus – knicken sie nun beim kleinsten Shitstürmchen ein?
Denn wer denkt beim Verzehr eines Mohrenkopfes heute noch an Menschen schwarzer Hautfarbe – zumal die ursprüngliche Bedeutung des Wortes «Mohr» die Mauren bezeichnete, Bewohner Mauretaniens, Marokkos oder Algeriens?
Natürlich lässt sich die so heftig diskutierte Süssigkeit problemlos in «Schokokuss», «Choco-Köpfli», «Schaumkuss» oder sonst was umtaufen. Im Volksmund wird man sie weiterhin «Mohrenkopf» nennen.
Wirklich problematisch ist etwas völlig anderes: Der in einer globalisierten Welt dringend notwendige Kampf gegen Rassismus führt sich selbst ad absurdum, wenn er sich gegen Süssspeisen richtet statt gegen die Verletzung der Menschenrechte.

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