Der
Mord an George Floyd (†46) hat überall Massenproteste gegen Rassismus
ausgelöst. Denn die Geschichte der USA ist belastet von Sklaverei und
Rassentrennung, wie die Spannungen zwischen Weissen und Schwarzen noch
heute zeigen.
Zwar haben
wir in der Schweiz eine ganz andere Situation. Doch auch bei uns werden
Angehörige von Minderheiten brüskiert oder sogar tätlich angegriffen.
SonntagsBlick-Reporter Fabian Eberhard hat unter dem Titel «Seien wir
antirassistisch!» fünf Vorschläge gemacht, was jeder von uns dagegen tun
kann:
1. Rassismus wahrnehmen.
2. Unsere Privilegien erkennen.
3. Unser eigenes Handeln hinterfragen.
4. Jenen zuhören, die Diskriminierung erfahren haben.
5. Solidarität zeigen – denn Schweigen bedeutet Zustimmung.
Diese Vorschläge sind klug, durchdacht und konstruktiv.
Leider
ist die öffentliche Debatte derzeit genau vom Gegenteil geprägt: Die
halbe Schweiz streitet über die korrekte Bezeichnung von Süssigkeiten,
um Namen von Gasthöfen, Apotheken und Gemeinden, um Denkmäler und
Gedenkstätten.
Plötzlich
ist eine Statue von Alfred Escher (1819–1882) hoch umstritten. Als
Mitgründer von SBB, ETH und Credit Suisse geniesst er Heldenstatus –
aber seine Familie hat einen Teil ihres Vermögens mit Kaffeeplantagen in
Kuba gemacht. Das war gewiss nicht sehr christlich. Nur: Wie sinnvoll
ist es, wenn wir Persönlichkeiten von früher mit den Werten von heute
beurteilen?
Plötzlich
gerät Hasan Güven (37) unter Druck, der Wirt vom «Mohren» in Willisau
LU, weil er den Namen seines Gasthofs nicht ändern mag. Wer könnte es
besser wissen als dieser türkische Wirt, wenn er sagt, «Rassismus
entsteht im Herzen und nicht wegen eines Worts»?
Plötzlich
stehen die Mohrenköpfe der Firma Dubler im Kreuzfeuer – wie übrigens
schon vor Jahrzehnten. Diesmal wegen der kopflosen Reaktion der Migros
auf den Tweet einer Kundin. Sie schrieb: «Ich bitte Sie, dieses Produkt
unverzüglich aus Ihrem Sortiment zu nehmen! Dieser Ausdruck ist äusserst
rassistisch und entspricht nicht der Political Correctness.» Prompt
verbannte der Grossverteiler Dubler-Produkte aus seinem Sortiment! Volg
und Spar denken an ähnliche Schritte. Hätten sie wirklich ein Problem
mit Mohrenköpfen, hätten sie längst handeln können. Weshalb – wenn nicht
aus reinem Opportunismus – knicken sie nun beim kleinsten Shitstürmchen
ein?
Denn wer denkt beim
Verzehr eines Mohrenkopfes heute noch an Menschen schwarzer Hautfarbe –
zumal die ursprüngliche Bedeutung des Wortes «Mohr» die Mauren
bezeichnete, Bewohner Mauretaniens, Marokkos oder Algeriens?
Natürlich
lässt sich die so heftig diskutierte Süssigkeit problemlos in
«Schokokuss», «Choco-Köpfli», «Schaumkuss» oder sonst was umtaufen. Im
Volksmund wird man sie weiterhin «Mohrenkopf» nennen.
Wirklich
problematisch ist etwas völlig anderes: Der in einer globalisierten
Welt dringend notwendige Kampf gegen Rassismus führt sich selbst ad
absurdum, wenn er sich gegen Süssspeisen richtet statt gegen die
Verletzung der Menschenrechte.
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