Sebastian Kurz, der neue Kanzler, ist schon bei den Wahlen in Österreich ein erstaunlicher
Sieg gelungen. Der Star der Kommunikationsszene Philipp Maderthaner hat als Macher des ungewöhlichen Erfolges von Kurz grosse Verdienste. Was war das Geheimnis seines
erfolgreichen Campaigning?
Er hatte einen Hoffnungsträger als Politiker, dem die Oeserreicher vertrauten.
Der Macher setzte auf schlichte Dinge, die leider im Politbetrieb nicht mehr selbstverstädnlich sind:
Eine klare Haltung.
Eine einfache verständliche Sprache.
Die Bescheidenheit.
Das Team der Kurz-Kampagne wusste, dass Kurz ins Kreuzfeuer der Kritik kommen wird, nach dem Motto "Alle gegen Kurz".
Es war damit zu rechnen, dass von verschiedensten Seiten versucht wird, den Politiker zu demontieren.
Maderthaner orientierte sich als Kampagnenleiter an den amerikansichen Wahlkampfmethoden.
Das heisst:
Die positive Einstellung des Kanditaten dominiert.
Auf Attacken wird verzichtet.
Es gibt kein
Dirty Campaigning ("Schmutzkübelkampagnen", die meist vor Gericht enden).
Dieser neue, offene Stil führte zu einer
Mitmach-Bewegung. Es gab laufend neue Unterstützer.
Der Spitzenkandidat blieb jedoch spielentscheidend.
Auch wenn’s mal
unpopulär ist. Diese Integrität, diese Haltung ist aus meiner Sicht sein
größtes Asset.
. Er hat oft genug
in seinem politischen Wirken bewiesen, dass er nicht nur sagt, was
Sache ist, sondern auch tut, was nötig und richtig ist. Auch wenn’s mal
unpopulär ist. Diese Integrität, diese Haltung ist aus meiner Sicht sein
größtes Asset.
Im Video: Sebastian Kurz über Verhältnis zur FPÖ: "Der Wählerwille muss akzeptiert werden"
Jäger: Denken Sie, dass die Zuspitzung auf Personen gerade besonders zeitgemäß ist? Und warum?
Maderthaner: Organisationen
und Institutionen verlieren nicht nur an Vertrauen, das zeigen
Forschungsergebnisse zunehmend, sie verlieren auch an Bedeutung. Die
digitale Vernetzung, über soziale Netzwerke und das Internet generell,
beschert uns als Individuen völlig neue Macht. Wir haben dadurch ein
Ausmaß an Selbstorganisationskraft erlangt wie nie zuvor. Wir können uns
zu jeder Zeit selbst rund um unsere Interessen, Anliegen, Wünsche,
Träume oder Hoffnung digital und in der Folge auch offline organisieren.
Die logische Konsequenz ist, dass jene, die diesen Job bisher hatten,
nämlich Organisationen, an Bedeutung verlieren. Und die Folge daraus
ist: Mobilisierungskraft, also die Fähigkeit Menschen zu bewegen, wird
zu einer Art Schlüsselfähigkeit. Das ist die zentrale These des von mir
entwickelten methodischen Kampagnenansatzes. Dafür braucht's natürlich
auch Leader, die diese Bewegungen anführen.
Jäger: Wie wichtig war die thematische Ausrichtung? Wo lagen die Schwerpunkte?
Maderthaner: Thematisch
gab es drei Schwerpunkte. Einerseits den Standort und das Thema der
Steuersenkungen. Dazu die Frage der Sicherung unserer Sozialsysteme und
letztlich auch die Herausforderungen der illegalen Migration. Über all
diesen Themen stand permanent, als eine Art Meta-Thema, die Frage,
welchen Stil wir in der Politik künftig haben wollen.
Jäger: Es wurde ja
häufig der Vergleich zur Bewegung von Macron gezogen. Team-Kurz lief
aber parallel zur etablierten Parteiorganisation. Was das eine Bürde
oder ein Vorteil?
Maderthaner: Ganz klar ein
Vorteil. Die Kampagne konnte so auf das Beste aus beiden Welten bauen.
Österreichs Parteien haben traditionell sehr starke Parteistrukturen und
auch einen hohen Organisationsgrad im Bezug auf Mitgliederzahlen.
Darauf zu verzichten wäre nicht nur falsch, sondern aus meiner Sicht
auch dumm. Auch in der Volkspartei haben sich immerhin viele Menschen
aus ehrlicher Überzeugung engagiert, teils über Jahre und Jahrzehnte,
das kann man doch nicht einfach ignorieren. Aber was es schon auch
brauchte, war die Öffnung. Die Öffnung und Verbreiterung mit dem Team
Kurz. Eine offene Mitmach-Bewegung für alle Menschen, die diesen Weg mit
uns gehen wollten.
Im Video: FPÖ-Anhänger verprügelt Puls4-Reporter auf Wahlparty
Jäger: Wie gelang die Abstimmung mit der ÖVP ganz praktisch?
Maderthaner: Das
Team Kurz hatte einen eigenen Sprecher, der als Sprecher der Bewegung
agierte. Die Volkspartei wiederum hat eine Generalsekretärin, die an der
Spitze der Organisation steht. Beide Teile wurden in Form einer
ganzheitlichen Kampagnen-Organisation miteinander verschränkt. Die
Abstimmung war somit nahtlos.
Jäger: Die Wählerwanderung zeigt, dass die ÖVP von allen Parteien dazugewonnen hat. Gab es hierfür gezielte Kampagnen?
Maderthaner: Der
neue Stil von Sebastian Kurz hat sicherlich auch viele Nichtwähler
angesprochen und generell Anhänger in allen politischen Lagern gefunden.
Das liegt vor allem an der Persönlichkeit von Sebastian Kurz. Gezielte
Kampagnen für einzelne politische Lager gab es nicht.
Jäger: Bei dem Erfolg stellt sich die Frage: wird die Kampagne auch während der Regierungsarbeit weitergeführt? In welcher Form?
Maderthaner: Das
Team Kurz entstand eigentlich 2013 rund um die Vorzugsstimmenkampagne
von Sebastian Kurz. Damals war die Entscheidung: Natürlich bleiben wir
mit den 50.000 Menschen in Kontakt und arbeiten weiter mit ihnen an
echter Veränderung. Jetzt, nach 2017, würde ich meinen, dass das Gleiche
gilt. Hier sind Hunderttausende Menschen mit großen Hoffnungen Teil
einer Bewegung geworden. Jetzt gilt es, mit diesen Menschen gemeinsam
jene Veränderung zu bewirken, die es braucht. Die Mobilisierungskraft
des Team Kurz kann dabei sicher nicht schaden.
Jäger: Bei der Bundestagswahl in
Deutschland haben beide Volksparteien stark verloren. Inwiefern wäre das
Erfolgsrezept von Sebastian Kurz auch auf die Bundesrepublik
übertragbar?
Maderthaner: Methodisch
gesehen ist diese Form der Mobilisierung grundsätzlich übertragbar. Ich
bin fest davon überzeugt, dass Parteien insgesamt ihre strukturelle
Bedeutung zunehmend verlieren und künftig in der Lage sein müssen,
Menschen stärker rund um Anliegen zu involvieren und diese auch zu
kampagnisieren. So etwas kurz vor einer Wahl zu beginnen, wäre zum
Scheitern verurteilt. Auch Kurz hat eben 2013 damit begonnen. Politik
wird zunehmend zum offenen Mitmach-Prozess und Kampagnen zu einer Art
Dauerzustand, ein permanentes Interagieren mit jenen Menschen, die
bereit sind, meine Sache zu unterstützen. Das ist mit einer ‚weiter so’
Botschaft sicherlich schwieriger als mit einer, die auf ‚Veränderung’
setzt. Aber auch bei ‚weiter so’ gibt es ein Verlangen nach einer
begeisterungsfähigen Zukunftsvision, das gestillt werden will. Hier
denke ich liegt die Herausforderung für die etablierten Volksparteien.