Die Opfer, die Schwerverletzten verschwinden aus dem
medialen Gedächtnis
(Quelle Radio SRF 2)
Die Täter der Anschläge in Deutschland und Frankreich sind Thema auf den
Frontseiten der Zeitungen. Binnen Stunden werden ihre Psychogramme
medial verbreitet. Aber was ist mit den Opfern?
84 Tote, 52 Schwerverletzte in Nizza. Fünf Verletzte in Würzburg.
Neun Tote in München. Das sind nackte Zahlen ohne ersichtliche Menschen.
Aber es sind Menschen mit Träumen und Wunden, mit Geschichten und
Plänen und mit der gemeinsamen Tragödie zur richtigen Zeit am richtigen
Ort gewesen zu sein, um zum Opfer zu werden.
Was ist mit den «indirekten Opfern»? Sie gehören zu den Übersehenen, denn sie haben keine sichtbaren Wunden. Zu ihnen gehört möglicherweise der Klassenlehrer von Ali David S., der sich vielleicht sein Hirn zermartert mit der Frage: Warum habe ich nichts gemerkt? Wie kann ich nach den langen Ferien wieder vor die Klasse treten. Wie zur Normalität finden an der Schule?
Oder die Augenzeugin an der Promenade des Anglais in Nizza, die mitansehen musste, wie die Frau wenige Zentimeter vor ihr von den Truckrädern des Terroristen niedergemäht wurde. Warum sie und nicht ich? Fragt sie sich vielleicht tausend Mal und kriegt die Bilder nicht aus dem Kopf.
Betroffen sind wenige. Getroffen sind alle. Und das tut weh. Das Weh heisst Erschütterung. Fassungslosigkeit und ist am besten gefasst mit Weltschmerz, Weltschmerz einem schönen Begriff von Jean Paul.
Über die Schatten in ihnen Wenn die Kameras sich wieder abwenden von München, Würzburg und Nizza. Wenn die Mikrofone sich nach anderen lauten Ereignissen ausrichten, könnte es also entscheidend sein, die Aufmerksamkeit aufrechtzuhalten für die nachhaltigen Wunden der indirekten Opfer.
Auch sie brauchen Unterstützung, Hilfe und Schutz und seien das nur Geduld, offene Ohren und lange Gespräche über die Schatten in ihnen.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 26.7.2016, 17:15 Uhr.
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Schicksal? Zufall? Vorsehung? Pech?
Viele betrauern die Opfer und bringen Kerzen und Blumen an den Tatort. Alles Zeichen des Mitgefühls, der Trauer und der Solidarität. Es sind Zeichen an die «direkten Opfer», wie Traumaspezialisten und Notfallpsychologinnen sie nennen: die Toten, die Verletzten und ihre vielen Angehörigen. Sie brauchen Hilfe, Unterstützung und Schutz.Was ist mit den «indirekten Opfern»? Sie gehören zu den Übersehenen, denn sie haben keine sichtbaren Wunden. Zu ihnen gehört möglicherweise der Klassenlehrer von Ali David S., der sich vielleicht sein Hirn zermartert mit der Frage: Warum habe ich nichts gemerkt? Wie kann ich nach den langen Ferien wieder vor die Klasse treten. Wie zur Normalität finden an der Schule?
Oder die Augenzeugin an der Promenade des Anglais in Nizza, die mitansehen musste, wie die Frau wenige Zentimeter vor ihr von den Truckrädern des Terroristen niedergemäht wurde. Warum sie und nicht ich? Fragt sie sich vielleicht tausend Mal und kriegt die Bilder nicht aus dem Kopf.
Weltschmerz
Ganz zu schweigen von den Millionen Menschen, die sich aus einer neuen Ängstlichkeit heraus weniger aus dem Haus trauen als vorher, die argwöhnischer werden gegenüber Menschen von anderswo, und in politische Parolen einstimmen, gegen die sie noch vor kurzem demonstriert hätten.Betroffen sind wenige. Getroffen sind alle. Und das tut weh. Das Weh heisst Erschütterung. Fassungslosigkeit und ist am besten gefasst mit Weltschmerz, Weltschmerz einem schönen Begriff von Jean Paul.
Über die Schatten in ihnen Wenn die Kameras sich wieder abwenden von München, Würzburg und Nizza. Wenn die Mikrofone sich nach anderen lauten Ereignissen ausrichten, könnte es also entscheidend sein, die Aufmerksamkeit aufrechtzuhalten für die nachhaltigen Wunden der indirekten Opfer.
Auch sie brauchen Unterstützung, Hilfe und Schutz und seien das nur Geduld, offene Ohren und lange Gespräche über die Schatten in ihnen.
Sendung: Radio SRF 2 Kultur, Kultur-Aktualität, 26.7.2016, 17:15 Uhr.
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Frankreich
Medien zeigen keine Bilder von Terroristen
Sie verzichten bewusst darauf, solche Bilder zu publizieren, um «posthume Glorifikation» zu verhindern.
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