Trotz Animation und enormer Werbung: DER BESTATTER entsprach nicht den gesteckten Erwartungen
Ich habe den ganzen Film mitverfolgt, um die neue Ausgabe persönlich beurteilen zu können.
Als Normalverbraucher hätte ich nach einer halben Stunde weggezappt. Ein Krimi benötigt immer auch eine Struktur und
müsste die Zuschauer zum Mitdenken anregen.
Der Einstieg verwirrte und es war mühsam, einen roten Faden auszumachen.
Die "Medienkritik" kam vor allem auf die brutalen Bilder zu sprechen
Ich zitiere:
Bestatter am Abend: Konvergentes Leichenbild (TV/Print/online)
Der Blick am Abend scheinempört sich heute
über die jüngste Folge der TV-Serie “Der Bestatter”, in der am 4.
Februar 2014 eine Leiche von ganz nahe und mit ihrem entstellten Gesicht
unnötig lang gezeigt wird.
Weil in der Onlineausgabe des Blick am Abend darüber abgestimmt
werden soll, ob dieser Ausschnitt “zu krass” fürs Abendprogramm ist,
darf man dahinter so etwas wie Medienkritik vermuten. Und man versteht
aus (nur) diesem Blickwinkel, warum dem Leser der Ausschnitt als
Videodatei gleich angeboten wird.
Interessant ist auch für dieses Thema ein Blick ins Gesetzbuch (Art. 135 StGB):
Wer Ton- oder Bildaufnahmen, Abbildungen, andere
Gegenstände oder Vorführungen, die, ohne schutzwürdigen kulturellen oder
wissenschaftlichen Wert zu haben, grausame Gewalttätigkeiten gegen
Menschen oder Tiere eindringlich darstellen und dabei die elementare
Würde des Menschen in schwerer Weise verletzen, herstellt, einführt,
lagert, in Verkehr bringt, anpreist, ausstellt, anbietet, zeigt,
überlässt oder zugänglich macht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei
Jahren oder Geldstrafe bestraft.
Mit der Frage, ob eine Leiche als Objekt von
Gewaltdarstellungen gelten kann, und mit der Überlegung, wie es sich mit
dem blossen Zeigen der Folgen von Gewalt verhält, wollen wir uns hier
nicht beschäftigen. Die Gerichte sind generell tolerant mit
Gewaltdarstellungen – für eine Verurteilung braucht es sehr viel.
Das Verbot von Gewaltdarstellungen stellt jedenfalls auf den
Kontext ab und berücksichtigt ausdrücklich die Kunstfreiheit (
anders als etwa der Wortlaut der Rassismusstrafnorm).
Einen kulturellen Wert wird man dem Bestatter beimessen, als
Kriminalfilm mit Anspruch; ausserdem ist die Szene im Film eingebettet
in eine Vorgeschichte und Nachbearbeitung. Ob das den Anforderungen an
Jugendschutz genügt, bestimmt sich allerdings auch nach dem Radio- und
TV-Gesetz (Art. 5 RTVG):
Jugendgefährdende Sendungen
Programmveranstalter haben durch die Wahl der
Sendezeit oder sonstige Massnahmen dafür zu sorgen, dass Minderjährige
nicht mit Sendungen konfrontiert werden, welche ihre körperliche,
geistig-seelische, sittliche oder soziale Entwicklung gefährden.
Doch wie rechtfertigt der Blick am Abend das Zeigen
dieser angeblich “krassen” Brutalität? Isoliert und sowohl gedruckt in
der Pendlerzeitung als auch online mit amüsierter Umfrage?
Blick am Abend Printausgabe 5. Februar 2014
BLICK schreibt:
play
Mike Müller alias «Der Bestatter» mag Pizza.
(Screenshot SRF)
Vor ihnen liegt die noch warme Putzfrau im
Leichenkeller. Und Bestatter Conrad (Mike Müller) erkundigt sich beim
durchgeknallten Gerichtsmediziner nach dem Rezept für
Topfenpalatschinken. Das Geheimnis, so der seit einem Attentat
traumatisierte Österreicher, liege in der Vanillesauce. Auf keinen Fall
dürfe er sie mit Eidotter eindicken. «Nehmen Sie Kartoffelstärke. Und
Safran nicht vergessen.» Man fragt sich, ob die schöne Leiche schon ein
bisschen riecht, während die Ösi-Volksspeise erklärt wird. Willkommen
in der neuen Folge «Offene Wunden» der SRF-Krimiserie «Der Bestatter».
Eigentlich ist sie ja eine Komödie, die sich makaber über Tod und
Sterben lustig macht. Ein Gegenstück zu den ach so vielen Krimis mit
gedankenschwerem Sozial-Mief. Totengräber Mike Müller kocht und futtert
pausenlos. «Es heisst zwar Lebensmittel, aber das meiste ist tot», sagt
er. Man mag den rührigen Mike einfach. Und würde gern auch einen Bissen
von seinen Palatschinken nehmen. Und doch hat man Angst, dass er am Ende
dieser Staffel platzt.
KOMMENTAR:
Bei diesem Krimi vermisse ich die Logik der Handlungen. Es ist im Grunde genommen nur ein Komödie, die zu kompliziert gestrickt ist mit einer umständliche Dramaturgie. Die Personen agieren in der Regel als Karikaturen. Das negative Resultat lag auf der Hand.
Mit brutalen Bilden und grotesken Ueberzeichnungen allein ist es noch nicht getan. Man kann zwar auf diese Art und Weise den hohen Einschaltquoten der Tatortserien in Deutschland (mit lustigen Einschüben) nacheifern. Ich befürchte jedoch, "Der Bestatter" hat den Absturz eingeleitet, falls er den neuen Kurs nicht umgehend korrigiert.
Die Traumquote ist verständlich: Mit grossen Werbekampagnen wurde die Erwartungshaltung derart mobilisiert, dass jeder die Sendung sehen wollte.
Doch mit der Kritik bin ich nicht allein:
NACHTRAG:
- Mike Müller bescherte dem SRF letztes Jahr als Bestatter Traumquoten.
Die Reaktionen nach der gestrigen Sendung sind aber durchzogen.
Die Twitter-Community gibt sich eher verhalten.
User Beat Ryser schreibt: «scho besser
gsi #Bestatter», Hansruedi Widmer sinniert: «Es ist mir ein Rätsel, wie
man sich auf einen #Bestatter freuen soll.» Und GianPaolo klinkt sich
gleich ganz aus: «#Bestatter ? Nein danke. #Netflix on ...»
Auch nach der medialen Resonanz wird im Leutschenbach kaum eine Tischbombe gezündet. Der Blick-TV-Kritiker Padrutt
macht sich vor allem Sorgen um die Gesundheit von Mike Müller und
schreibt: «Mike Müller kocht und futtert pausenlos. Es heisst zwar
Lebensmittel, aber das meiste ist tot», sagt er. «Man mag den rührigen
Mike einfach. Und würde gern auch einen Bissen von seinen Palatschinken
nehmen. Und doch hat man Angst, dass er am Ende dieser Staffel platzt.»
NZZ: «Ruhe Sanft!»
Die Kritik der
NZZ
klingt gar fast wie einen Todesanzeige.
«Vielleicht hätte das Schweizer
Fernsehen einfach damit aufhören sollen, als es am schönsten war. So
wirkt dieser «Bestatter» wie ein Schatten seiner selbst, so, als hätte
der Totengräber selber schon seine Hand nach ihm ausgestreckt. Wir
behalten den Krimi-Mehrteiler, der das Publikum einst mit humorigem
Gruseln versorgte, dennoch in guter Erinnerung. Ruhe sanft!»