Freitag, 31. Oktober 2014

Egg-Freezing sehen viele Frauen als Fortschritt, als Befreiung (wie die Pille), aber.....

Wenn Frauen Eizellen einfrieren lassen können, damit sie beruflich ein paar Jahre unabhängig bleiben können, klingt dies nach Freiheit. Doch die biologische Tatsache holt die Frauen leider rasch ein.

Ich zitiere Liline Minor:
Kein Thema ist unter Frauen seit Jahren so präsent wie dieses: Wie bringt man Kinder und Beruf unter einen Hut? Und obwohl sich viel getan hat – Krippen, Horte, Tagesschulen werden immer mehr – bleibt die Sache schwierig. Oder, wie es die «NZZ am Sonntag» kürzlich formuliert hat: Kinder und Beruf lassen sich in der Schweiz nicht vereinbaren. Nur addieren.
Da scheint der medizinische Fortschritt wie gerufen zu kommen: Frauen können sich Eizellen entnehmen und fünf Jahre lang einfrieren lassen, um Kinder auf später zu verschieben. Das, so die Hoffnung, befreie vom Dilemma, sich zwischen Karriere und unerbittlichen biologischen Tatsachen entscheiden zu müssen. Aber auch vom Druck, den Freunde und Familie unbeabsichtigt ausüben, wenn sie fragen, warum ein Paar Mitte dreissig denn noch keine Kinder habe.
Da klingt das Freezing, wie es so schön heisst, wie ein weiterer Schritt Richtung Freiheit. Ein Fortschritt wie seinerzeit die Pille. Doch jede Frau, die in einer festen Partnerschaft ist und verhütet, kennt die Kehrseite der Medaille: Irgendwann muss sie sich entscheiden. Mit der Verhütung aufhören. Das war der Preis für eine nie gekannte sexuelle Freiheit für Frauen. Ein Preis, der sich lohnte.
Beim Freezing aber ist der Preis ungleich höher. Wohlverstanden: Die Technik ist ein Segen für Frauen, die sich beispielsweise einer Krebsbehandlung unterziehen müssen und nicht wissen, ob sie danach überhaupt noch auf natürlichem Weg Kinder bekommen können. Alle anderen aber befreit die neue Technik nur scheinbar – denn schon nach drei, vier Jahren ist der Druck zurück, und das unerbittlicher denn je. Dann droht den eingefrorenen Zellen die Vernichtung. Und nun stellt sich nicht nur die Frage: Lassen wir die Zellen nun befruchten? Sondern es lastet auch das Wissen schwer: Wenn es damit nicht klappt, ist es mit dem Kinderhaben möglicherweise ein für allemal vorbei. Sich noch einmal fünf Jahre zu erkaufen, dürfte für die meisten Frauen unrealistisch sein. Und die Chance auf eine Schwangerschaft auf natürlichem Weg ist zu dem Zeitpunkt für die meisten Frauen nur noch gering.
Hinzu kommt der Druck, sich in den paar Jahren, in denen die Eizellen gelagert bleiben, beruflich zu etablieren. Was, wenn das nicht klappt? Und, fast noch schwieriger: Was, wenn es klappt mit der Karriere? Wenn dann gerade der nächste Karriereschritt ansteht? Es wird nicht einfacher, Kinder zu haben, je weiter oben man auf Leiter steht. Und wenn ein Chef schon bei einer einfachen Angestellten Mühe hat, Kinder zu akzeptieren, dann wird er bei Kadermitarbeiterinnen eher noch untoleranter werden.
Mag sein, dass es Frauen gibt, die mit einer solchen Situation umgehen können. Aber genau diese bräuchten das Freezing nicht. Weil sie selbstbewusst genug sind, sich zu entscheiden. Sei es für Kinder und Beruf, für Kinder ohne Beruf oder für Beruf ohne Kinder. Für alle anderen kann aus der vermeintlichen Versicherung für später rasch ein Alptraum werden.
Machen wir uns nichts vor: Den idealen Zeitpunkt für Kinder gibt es ohnehin nie. Jede Frau, die Mutter geworden ist, weiss das. Mal ist es im Job ungünstig, mal passt die Wohnung nicht. Zudem weiss wohl keine Frau im Voraus, wie es sich wirklich anfühlt, ein Kind zu haben. Das verunsichert, klar. Aber wenn das Baby dann da ist, geht es irgendwie. Und nicht nur das: Es macht Spass.
In diesem Sinne, liebe Frauen: Werdet doch einfach schwanger. Voller Stolz und Selbstbewusstsein. Dann, wenn es euch passt und nicht dem Chef. Das wird auf Dauer mehr Einfluss auf die gesellschaftliche Situation haben, als wenn ihr Kinderkriegen vor lauter Karriere verschiebt. Denn so signalisiert ihr: Kinder sind kein Störfaktor.
Minor* Liliane Minor ist Redaktorin beim «Tages-Anzeiger». Sie hat zwei Kinder und wohnt im Zürcher Unterland.

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