«Wir müssen den Schul-Unterricht entschlacken»
Zu wenig strenger Unterricht, zu schlechte Schulabgänger, zu viele Fremdsprachen: Von allen Seiten hagelt es Kritik am Schulsystem. Christian Amsler, Deutschschweizer EDK-Präsident, nimmt Stellung.
Gerade der Fremdsprachenunterricht ist vielen ein Dorn im Auge. Christian Amsler, Präsident der Deutschschweizer Erziehungsdirektoren wehrt sich.
Zur Person
Christian Amsler ist Präsident der Deutschschweizer Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK). Zudem ist er Regierungsrat des Kantons Schaffhausen. Er ist Mitglied der FDP, ist verheiratet und hat drei Kinder.
Christian Amsler ist Präsident der Deutschschweizer Erziehungsdirektorenkonferenz (EDK). Zudem ist er Regierungsrat des Kantons Schaffhausen. Er ist Mitglied der FDP, ist verheiratet und hat drei Kinder.
Zurzeit sind viele Betriebe noch auf der Suche nach Lehrlingen.
Ein Grund dafür ist laut Gewerbeverband das tiefe Bildungsniveau der
Schulabgänger. Bereitet die Schule die Jungen nicht mehr genügend auf
das Berufsleben vor?
Christian Amsler: Im Gegenteil - die Schule gibt den Jungen heute viel mehr mit auf ihren Weg als früher. Zum Beispiel was die Auftrittskompetenz und das Selbstvertrauen angeht.
Dafür hapert es offenbar an den Deutschkenntnissen. Lehrlingsbetreuer von Victorinox oder Stadler Rail beklagen sich, dass Lehrlinge nicht mal mehr einfache Betriebsanleitungen lesen können.
Klar sind die Herausforderungen an den Deutschunterricht heute mit vielen Schülern mit Migrationshintergrund grösser. Allerdings ärgert mich diese Pauschalisierung, dass die Jugend nicht mehr gut Deutsch könne. Heutige Jugendliche kommunizieren viel häufiger als früher, vielleicht mit etwas mehr Fehler in der Rechtschreibung. Die Social Media und SMS Sprache lassen grüssen! Wir haben aber starke und gute Schüler. Das zeigen die Pisa-Ergebnisse. Bei den Lehrabgängern zeigt sich nun vielmehr ein demographisches Problem.
Inwiefern?
Weil die Jugendarbeitslosigkeit in den umliegenden Ländern stark gestiegen ist, hat man hierzulande in den letzten Jahren einen enormen Effort betrieben, um Lehrstellen zu schaffen. In einzelnen Branchen wie dem Handwerk hat es nun mehr Lehrstellen als Schulabgänger.
Das ist aber noch keine Erklärung für die kritisierten Lücken in den Basisfächern Deutsch und Mathe. Müsste sich die Schule nicht wieder auf diese Inhalte konzentrieren?
Diese Frage darf man stellen. Das Problem ist, dass momentan Forderungen von allen Seiten auf die Schule einprasseln. Während die einen sagen, die Mathematik müsse gestärkt werden, fordern andere einen besseren Deutschunterricht, wiederum andere ein Fach Informatik und dann gibt es noch jene, die den musischen Fächern mehr Gewicht verleihen wollen. Das kann am Schluss nicht aufgehen. Es können nicht alle Forderungen aufstellen und im gleichen Satz sagen, die Schule sei überlastet.
Wie sieht denn ihre Lösung aus?
Es gibt keine Paradelösung. Für mich ist aber klar, dass wir den Fächerkanon vereinfachen und den Schulunterricht entschlacken müssen. Weniger ist mehr! Die Schwerpunktsetzung bei den Kernfächern Mathe und Deutsch mag Sinn machen. Aber man darf nicht vergessen, dass vielen Schülern genau diese Fächer Mühe bereiten. Diese sind froh, wenn musische Fächer oder eine Fremdsprache auch zählen.
Das Fremdsprachenkonzept ist aber nicht nur der SVP ein Dorn im Auge, sondern auch den Lehrern. Braucht es überhaupt zwei Fremdsprachen in der Primarschule?
Wir haben die Fremdsprachenstrategie im Jahr 2004 in der EDK verabschiedet. Sie sieht vor, dass Schüler in der dritten Klasse mit der einen Fremdsprache beginnen und in der fünften mit der anderen. Damals war für alle klar, dass frühes Sprachenlernen wichtig ist. Wir sind immer noch dabei, diese Strategie gestaffelt in den Kantonen umzusetzen. Das ist ein aufwendiger Prozess, der bis 2015 abgeschlossen sein soll. Zu diesem Zeitpunkt werden wir Bilanz ziehen. Dass Gegner heute schon mit Kritik auffahren, finde ich äusserst fahrlässig.
Aber es ist doch ärgerlich, wenn einem Sechstklässler, der mit seinen Eltern von Uri nach Zürich zieht, fast fünf Jahre Englisch fehlen.
Ja, das verstehe ich. Aber das ist nun einmal eine Referenz an die Eigenheiten der Schweiz. Es ist den Kantonen überlassen, ob sie mit Französisch oder Englisch beginnen. Gerade für zweisprachige Kantone wie Bern, Freiburg oder das Wallis ist es
klar, dass sie zuerst mit Französisch beginnen. Persönlich hätte ich auch lieber eine einheitliche Lösung für die Deutschschweiz gehabt.Vergessen wir aber nicht: In unserem föderalistischen System liegt die Bildungshoheit bei den Kantonen. 6 Kantone an der Sprachgrenze beginnen mit Französisch,die anderen mit Englisch. Bis am Ende der Schulzeit sind in beiden Sprachen vergleichbare Ziele zu erreichen. Das ist eine harmonisierte Lösung im Sinne der Bundesverfassung.
Macht für Sie unter diesen Voraussetzungen die Forderung der Lehrer Sinn, den Fremdsprachenunterricht nicht mehr zu benoten?
Ja, ich bin der Meinung, dass beim Erlernen einer Sprache nicht das
Büffeln und Benoten im Vordergrund stehen soll, sondern die unbefangene Begegnung mit der Sprache und deren Kultur und vor allem der Spass am Sprechen.
Christian Amsler: Im Gegenteil - die Schule gibt den Jungen heute viel mehr mit auf ihren Weg als früher. Zum Beispiel was die Auftrittskompetenz und das Selbstvertrauen angeht.
Dafür hapert es offenbar an den Deutschkenntnissen. Lehrlingsbetreuer von Victorinox oder Stadler Rail beklagen sich, dass Lehrlinge nicht mal mehr einfache Betriebsanleitungen lesen können.
Klar sind die Herausforderungen an den Deutschunterricht heute mit vielen Schülern mit Migrationshintergrund grösser. Allerdings ärgert mich diese Pauschalisierung, dass die Jugend nicht mehr gut Deutsch könne. Heutige Jugendliche kommunizieren viel häufiger als früher, vielleicht mit etwas mehr Fehler in der Rechtschreibung. Die Social Media und SMS Sprache lassen grüssen! Wir haben aber starke und gute Schüler. Das zeigen die Pisa-Ergebnisse. Bei den Lehrabgängern zeigt sich nun vielmehr ein demographisches Problem.
Inwiefern?
Weil die Jugendarbeitslosigkeit in den umliegenden Ländern stark gestiegen ist, hat man hierzulande in den letzten Jahren einen enormen Effort betrieben, um Lehrstellen zu schaffen. In einzelnen Branchen wie dem Handwerk hat es nun mehr Lehrstellen als Schulabgänger.
Das ist aber noch keine Erklärung für die kritisierten Lücken in den Basisfächern Deutsch und Mathe. Müsste sich die Schule nicht wieder auf diese Inhalte konzentrieren?
Diese Frage darf man stellen. Das Problem ist, dass momentan Forderungen von allen Seiten auf die Schule einprasseln. Während die einen sagen, die Mathematik müsse gestärkt werden, fordern andere einen besseren Deutschunterricht, wiederum andere ein Fach Informatik und dann gibt es noch jene, die den musischen Fächern mehr Gewicht verleihen wollen. Das kann am Schluss nicht aufgehen. Es können nicht alle Forderungen aufstellen und im gleichen Satz sagen, die Schule sei überlastet.
Wie sieht denn ihre Lösung aus?
Es gibt keine Paradelösung. Für mich ist aber klar, dass wir den Fächerkanon vereinfachen und den Schulunterricht entschlacken müssen. Weniger ist mehr! Die Schwerpunktsetzung bei den Kernfächern Mathe und Deutsch mag Sinn machen. Aber man darf nicht vergessen, dass vielen Schülern genau diese Fächer Mühe bereiten. Diese sind froh, wenn musische Fächer oder eine Fremdsprache auch zählen.
Das Fremdsprachenkonzept ist aber nicht nur der SVP ein Dorn im Auge, sondern auch den Lehrern. Braucht es überhaupt zwei Fremdsprachen in der Primarschule?
Wir haben die Fremdsprachenstrategie im Jahr 2004 in der EDK verabschiedet. Sie sieht vor, dass Schüler in der dritten Klasse mit der einen Fremdsprache beginnen und in der fünften mit der anderen. Damals war für alle klar, dass frühes Sprachenlernen wichtig ist. Wir sind immer noch dabei, diese Strategie gestaffelt in den Kantonen umzusetzen. Das ist ein aufwendiger Prozess, der bis 2015 abgeschlossen sein soll. Zu diesem Zeitpunkt werden wir Bilanz ziehen. Dass Gegner heute schon mit Kritik auffahren, finde ich äusserst fahrlässig.
Aber es ist doch ärgerlich, wenn einem Sechstklässler, der mit seinen Eltern von Uri nach Zürich zieht, fast fünf Jahre Englisch fehlen.
Ja, das verstehe ich. Aber das ist nun einmal eine Referenz an die Eigenheiten der Schweiz. Es ist den Kantonen überlassen, ob sie mit Französisch oder Englisch beginnen. Gerade für zweisprachige Kantone wie Bern, Freiburg oder das Wallis ist es
klar, dass sie zuerst mit Französisch beginnen. Persönlich hätte ich auch lieber eine einheitliche Lösung für die Deutschschweiz gehabt.Vergessen wir aber nicht: In unserem föderalistischen System liegt die Bildungshoheit bei den Kantonen. 6 Kantone an der Sprachgrenze beginnen mit Französisch,die anderen mit Englisch. Bis am Ende der Schulzeit sind in beiden Sprachen vergleichbare Ziele zu erreichen. Das ist eine harmonisierte Lösung im Sinne der Bundesverfassung.
Macht für Sie unter diesen Voraussetzungen die Forderung der Lehrer Sinn, den Fremdsprachenunterricht nicht mehr zu benoten?
Ja, ich bin der Meinung, dass beim Erlernen einer Sprache nicht das
Büffeln und Benoten im Vordergrund stehen soll, sondern die unbefangene Begegnung mit der Sprache und deren Kultur und vor allem der Spass am Sprechen.
Kommentar: Christian Amsler sieht die Probleme mit den zahlreichen Kindern mit Migrationshintergrund. Es trifft zu , dass heute mehr gemacht wird hinsichtlich Auftrittskompetenz und Selbstvertrauen. Der Erziehungsdirektor von Schaffhausen verweist zu recht auf den totgeschwiegenen Umstand hin, dass es erstaunlicherweise mehr Lehrstellen hat als Schulabgänger.
(Viele Jugendliche wollen aber die Hände nicht mehr schmutzig machen und tendieren nach einem Job am Schreibtisch).
Mit grosser Genugtuung habe ich die Forderung nach VerEINfachung, Entschlackung gelesen. dies entspricht dem bewährten Prinzip WEINIGER IST MEHR!!!
LINKS:
(Viele Jugendliche wollen aber die Hände nicht mehr schmutzig machen und tendieren nach einem Job am Schreibtisch).
Mit grosser Genugtuung habe ich die Forderung nach VerEINfachung, Entschlackung gelesen. dies entspricht dem bewährten Prinzip WEINIGER IST MEHR!!!
LINKS:
16 Okt. 2010
Wer
es nicht auf den Punkt bringt, hat nicht gelernt zu vereinfachen. ob im
Gespräch oder bei Präsentationen, jeder Beitrag sollte eine einzige
Kernaussage enthalten. Die Kunst besteht darin, zu vereinfachen, ohne zu
...
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