Mittwoch, 5. Juni 2013

Ging der Regierungsrat zu weit
oder ist der Bischof zu empfindlich?



Regierung soll zu Graf Stellung beziehen

Der Bischof von Chur verlangt eine Entschuldigung

Quelle NZZ:
Die Zürcher Regierung soll zu Martin Grafs Kritik an der katholischen Kirche Stellung beziehen.
Die Zürcher Regierung soll zu Martin Grafs Kritik an der katholischen Kirche Stellung beziehen. (Bild: Keystone)
Martin Grafs Kritik an der katholischen Kirche hat Folgen: Der Bischof von Chur fordert die Zürcher Regierung auf, sich von den Äusserungen des Justizdirektors zu distanzieren.
rib. ⋅ Der Bischof von Chur ist entsetzt. Und Martin Graf schweigt. Am Montag hat sich der grüne Zürcher Justizdirektor nicht mehr zu den Vorwürfen äussern wollen, die er drei Tage vorher an die katholische Kirche gerichtet hatte. An der Medienkonferenz zum 50-Jahr-Jubiläum der öffentlichrechtlichen Anerkennung der Katholiken im Kanton Zürich hatte Graf am Freitag grobes Geschütz aufgefahren. Er bezeichnete die offizielle Amtskirche als «geschützte Werkstatt», in der die Zeit «im späten Mittelalter» stehengeblieben sei. Dem Bischof von Chur und dem Papst warf er Rückständigkeit vor. Die katholische Kirche weigere sich, gesellschaftliche Realitäten anzuerkennen, sagte Graf.
Es sei unverständlich, dass die Kirchenoberhäupter an verfassungsmässig garantierten Grundrechten vorbeipredigten – an Grundrechten, die für die ganze Schweizer Bevölkerung gesellschaftliche Richtschnur seien. Auf Anfrage präzisierte Graf am Wochenende, seine Kritik habe sich gegen das Festhalten der Kirche am Zölibat, gegen das Verbot der Frauenordination, gegen die Nichtanerkennung gleichgeschlechtlicher Paare und gegen die Weigerung gerichtet, geschiedene Paare wieder zu vermählen. Dies alles, meint Graf, widerspreche aus seiner Sicht den Grundrechten, wie sie in Bundes- und Kantonsverfassung festgelegt seien.
Am Wochenende zeigte sich Bischof Vitus Huonder entsetzt über Grafs Äusserungen. Am Montag nun hat das Bistum offiziell reagiert. In einem Schreiben fordert der Bischof die Zürcher Regierung auf, sich von den Äusserungen des Justizdirektors zu distanzieren. «Der Bischof», schreibt das Bistum in einer Mitteilung, «hofft auf eine öffentliche Distanznahme der Regierung sowie eine Entschuldigung von Martin Graf.» Die Grundrechte, so hält Huonder fest, seien kein «Forderungskatalog für Regierungsvertreter, um Religionsgemeinschaften ihre eigene Weltanschauung aufzuzwingen». Die katholische Kirche berufe sich weltweit auf das Grundrecht der Religionsfreiheit, um ihre Lehre zu verkündigen. Die Aussagen des Zürcher Justizdirektors bedeuteten, dass er der Kirche dieses Recht teilweise vorenthalten wolle.
Der Kanton äusserte sich am Montag nicht zur Forderung des Bischofs. Es sei noch kein Schreiben aus Chur eingegangen, heisst es bei der Medienstelle des Regierungsrats – und zu Communiqués äussere sich die Regierung nicht. Sobald das Schreiben vorliege, werde der Regierungsrat über eine Antwort entscheiden, voraussichtlich an der Sitzung vom Mittwoch. Die Katholische Kirche des Kantons Zürich will die Angelegenheit nicht kommentieren. Ihr Medienbeauftragter, Aschi Rutz, sagt auf Anfrage nur, man bedaure, dass die Kontroverse um Martin Grafs Äusserungen ein Jubiläum überschatte, das für das katholische Zürich von grosser Bedeutung sei.

Kommentar: Immer wieder kam es in der Geschichte zu Spannungsfeldern zwischen Kirche und Staat. Martin Graf hat nach meinem Dafürhalten die Grenze des Tolerierbaren überschritten. Jede Kirche darf sich an die Grundrechte der Bibel halten und sich nach kirchenrechtlichen Traditionen ausrichten, ohne dass sie vom Staat gemassregelt wird. Ein Regierungsrat ist mit seinem Angriff gegen die katholische Kirche und dem abwertenden Vorwurf der"geschützten Werkstatt" (der bei Behinderten gebraucht wird)  eindeutig zu weit gegangen. Aus kommunikativer Sicht müsste die Regierung aber auch die Taditionskirche für die Gegenseite Verständnis zeigen, ohne mit deren Ansicht einverstanden zu sein. Anstatt eine Brücke zu bauen, hat Regierungsrat Graf unnötigerweise einen zusätzlichen Graben aufgerissen.
Weshalb darf es nicht ein Nebeneinander geben von Kirche und Staat - auch  mit völlig  unterschiedlichen Ansichten?

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