Erstmals seit fast zwanzig Jahren ist am Sonntag eine eidgenössische Vorlage am Ständemehr gescheitert. 1994 wurde die erleichterte Einbürgerung durch die Stände abgelehnt, am Wochenende war es der Familienartikel. Obwohl 54,3 Prozent der Schweizer Stimmbürger die Vereinbarkeit von Familie und Beruf durch eine Verfassungsartikel fördern wollten, wurde der Bundesbeschluss über die Familienpolitik von 11 Kantone und vier Halbkantone abgelehnt.
Gemäss Resultat offenbart sich ein deutlichen Stadt-Land Graben. Der ursprüngliche Sinn des Ständemehrs war es, die ländlich-konservativen Kantone zu stärken. Die Kantone als souveräne Staaten wollten nicht von den bevölkerungsstarken Kantone dominiert werden. Das Ständemehr wurde bewusst eingeführt, dass die kleinen Kantone nicht benachteiligt werden.
Nach der jüngsten Abstimmung klagen nun die grossen Städte, sie würden durch die kleinen Stände benachteiligt.
Die Unterlegenen möchten über den Föderalismusgedanken neu bedenken, während im konservativen Lager solche Ideen kein Gehör finden. Das Ständemehr sei aktueller denn je, sagt SVP-Nationalrat Greogr Rutz. «Es trägt wesentlich zur Rechtssicherheit und Stabilität unseres Landes bei. Wir tun gut daran, an diesem föderalistischen Konzept festhalten.» In der Politik sei es nie falsch, wenn man zwei Anläufe nehmen muss - fatal sei es nur, wenn Regelungen zu schnell beschlossen würden.
CVP-Nationalrätin Lucrezia Meier-Schatz die an vorderster Front für den Familienartikelgekämpft hat und unterlegen war, findet persönlich, es sei der falsche Zeitpunkt - nach einem Abstimmungsentscheid - über eine solche Änderung zu diskutieren. «Ausserdem ist die Debatte nicht zielführend, da eine Änderung der Spielregeln erneut ein Ständemehr voraussetzt, welches mit Sicherheit nicht gegeben wäre.» Eine Änderung am Prinzip Ständemehr hält auch Andreas Auer vom Zentrum für Demokratie Aarau in naher Zukunft für unrealistisch: «Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Stände einer Revision des Ständemehrs zustimmen würden.»
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