Sonntag, 30. Dezember 2012

PRESSERAT RUEGT EINIGE PRINTMEDIEN NACH DEM BUSUNGLUECK IM WALLIS



Der Presserat hat einige Printmedien kritisiert, weil sie nach dem schweren Carunglück im Wallis vom März Fotos von Kindern publizierten, die beim Unglück ums Leben kamen. Es hätte die Einwilligung der Angehörigen gebraucht.

(sda) Der Presserat rügt den «Blick», die «Schweizer Illustrierte» und «L'illustré» für den Abdruck von Fotos, welche die Todesopfer des Carunglücks von Siders (Wallis) zeigen. Solche Bilder dürften nur mit ausdrücklicher Einwilligung der Angehörigen gezeigt werden.

Fall von sich aus aufgegriffen

Der Presserat griff den Fall nicht aufgrund einer Beschwerde, sondern von sich aus auf, nachdem sowohl in der Schweiz als auch in Belgien Kritik am Abdruck der Fotos laut geworden war. Wie der Rat in einer Mitteilung vom Donnerstag festhält, ist die Zustimmung der Angehörigen auch dann notwendig, wenn Fotos der Todesopfer in einer Gedenkkapelle und bei öffentlichen Trauerfeiern zugänglich sind.
Zudem dürften Medien keine Bilder weiterverbreiten, die sie in einem allgemein zugänglichen Blog eines Skilagers finden. Allerdings attestiert der Presserat den drei Redaktionen auch, dass sie die Opfer nicht in sensationsheischender Art darstellten.
Die drei Printtitel hätten jedoch mit der Veröffentlichung die Privatsphäre der Betroffenen verletzt. Die Privatsphäre müsse auch bei spektakulären Unfällen, Katastrophen und Gewaltdelikten respektiert werden – es sei denn, es handle sich um bekannte Persönlichkeiten.

Belgische Blätter entschuldigten sich

Das belgische Pendent des Presserats, der «Raad voor de journalistiek», hat sich ebenfalls mit dem Fall beschäftigt – und ist zu einer ähnlichen Einschätzung gelangt. Die betroffenen belgischen Blätter haben nach dem Eingreifen des Ombudsmanns eingewilligt, Entschuldigungen abzudrucken.
Der Schweizer Presserat hat die hiesigen Titel zu einer Stellungnahme eingeladen. Die «Schweizer Illustrierte» machte in ihrer Antwort geltend, die Porträts der getöteten Kinder seien an der Beerdigung in Belgien gut sichtbar an den Särgen angebracht gewesen. Dies sei offensichtlich mit Einverständnis der Angehörigen geschehen. Zudem habe die Illustrierte fröhliche Bilder und keine Horroraufnahmen des Unfalls veröffentlicht.

Keine Antworten vom «Blick«

Der «Blick» hat auf eine Beantwortung der Fragen verzichtet, da Presseratspräsident Dominique von Burg die Boulevardzeitung bereits im März kritisiert hatte. Von Burg hat sich folglich selbst für befangen erklärt. Es lohne sich nicht, Zeit, Energie und Geld in eine Beweisführung zu stecken, liess der «Blick» den Presserat wissen. Der «Blick» habe die Einwilligung der Angehörigen derjenigen Kinder gehabt, deren Schicksal in der Zeitung erzählt worden sei.
«L'illustré» machte geltend, dass einzelne Familien spontan Fotos der Kinder zur Verfügung gestellt hätten. Zudem habe es der Verantwortliche der Aufbahrungshalle im belgischen Lommel der Presse erlaubt, die Fotos abzubilden. Deshalb habe man zu Recht annehmen dürfen, dass die Eltern einverstanden seien.
Beim Carunglück vom 13. März 2012 waren 28 Personen auf der Heimfahrt von einem Skilager ums Leben gekommen – darunter 22 Kinder. 24 Kinder wurden zum Teil schwer verletzt.

Der Presserat musst sich auch im Fall Regula Stämpfli mit einer Klage befassen.

LINK:

Beschwerde gegen Regula Stämpfli beim Schweizer Presserat ...

www.politnetz.ch/beitrag/14147
Gestern Samstag, 17. März 2012, habe ich eine Beschwerde gegen Regula Stämpfli beim Schweizer Presserat eingereicht wegen ihres diffamierenden ...

Es folgte  nach dem ungeschickten Kommentar der Politogin ein  grosser Medienwirbel.
Empörte Kommentare folgten. Ich befürchtete, die negativen Echos würden der intelligenten Kommentatorin nachhaltig schaden. Ich hätte der Politologin eine Entschuldigung empfohlen.
Der Schaden lässt sich - trotz nachträglicher abgewiesener Beschwerde - heute kaum messen.
The -real fotoalf. blogspot publizierte damals folgendes Bild:



Ob wohl Regula Stämpfli stolz ist auf ihr heutiges Image?
Es wäre tragisch, wenn sie als nicht mehr ernst genommen werde.

Regula Stämpfli: Weltgeschichte - Schweizer Radio und Fernsehen

www.srf.ch/.../regula-staempfli-weltgeschichte?...
22.12.2012
Regula Stämpfli: Weltgeschichte. Aus Giacobbo / Müller vom .... 3. Video Regula Stämpfli ...

Der Schweizer Presserat hat dann aber die Beschwerden gegen die auf news.ch veröffentlichte Kolumne der Politologin Regula Stämpfli abgewiesen. 

 Der Text zum Car-Unglück von Siders VS diskriminiere weder das belgische Volk noch würden Tatsachen entstellt, begründet das Ethik-Gremium seinen Entscheid.


news.ch veröffentlichte die Kolumne «Belgisation: weshalb Unglücke auch politisch sind» kurz nach dem Car-Unglück, bei dem viele belgische Kinder starben. Stämpfli stellt darin die These auf, es sei kein Zufall, dass es sich um einen belgischen Car handle und sie begründet ihre Behauptung mit mehreren Beispielen. Die Kolumne löste mehrere Beschwerden an den Presserat aus. Stämpfli stelle in «diskriminierender» Weise Zusammenhänge zwischen dem Car-Unglück und dem belgischen Staat und Volk her. Und sie begründe dies mit Unwahrheiten. Die Empörung gipfelte in einer Anti-Regula-Stämpfli-Gruppe auf Facebook, einer Onlinepetition, die Stämpfli die Akkreditierung als Journalistin entziehen wollte.
news.ch-Kolumnisten äussern ihre persönliche Meinung
news.ch entgegnete, Kolumnisten äusserten ihre persönliche Meinung. Die faktischen Grundlagen der kommentierenden Wertungen Stämpflis seien belegt.
Der Presserat erinnert in seiner Stellungnahme daran, dass Redaktionen bei Kolumnen lediglich dann redigierend eingreifen müssen, wenn berufsethische Normen offensichtlich verletzt sind. Bei der Kolumne von Regula Stämpfli habe keine Gefahr bestanden, dass die Leserschaft durch die übertriebenen Behauptungen und Metaphern getäuscht werde. Und eine Diskriminierung sei deshalb zu verneinen, weil sich die Kritik der Kolumnistin nicht gegen die Belgier im Allgemeinen, sondern an den Staat Belgien, an die Verantwortungsträger in Verwaltung und Justiz sowie an die Politiker richte.

Feststellung des Schweizer Presserats vom 12. September 2012:

«news.ch hat mit der Veröffentlichung der Kolumne 'Belgisation: weshalb Unglücke auch politisch sind' der Politikwissenschaftlerin Regula Stämpfli vom 14. März 2012 die Ziffern 1 (Wahrheit), 2 (Trennung von Fakten und Kommentar), 3 (Entstellung von Tatsachen), 5 (Berichtigung) und 8 (Diskriminierung) der 'Erklärung der Pflichten und Rechte der Journalistinnen und Journalisten' nicht verletzt»
 
Mehr verdienen lohnt sich nicht für Sozialbezüger

Die Sozialleistungen führen zu falschen Anreizen.
Es ist paradox, dass jemand, der ein Lohnerhöhung bekommt, wesentlich weniger verdient, als vorher.

Ein höherer Lohn müsste eigentlich Anlass zu Freude geben. Wer mehr verdient, dem verbleibt ja nach Abzug der fixen Kosten und Steuern mehr Geld im Portemonnaie – sein frei verfügbares Einkommen steigt. Das ist aber bei Menschen, die eine sozialstaatliche Leistung erhalten, nicht immer der Fall. Die Bedarfsleistungen haben oftmals unerwünschte Effekte: Kann ein Haushalt sein Erwerbseinkommen erhöhen, sinkt vielleicht jener Betrag, über den er frei verfügen kann, denn möglicherweise fallen Sozialleistungen weg.

Hier ein Beispiel(aus NZZ-online):

Ein höherer Lohn müsste eigentlich Anlass zu Freude geben. Wer mehr verdient, dem verbleibt ja nach Abzug der fixen Kosten und Steuern mehr Geld im Portemonnaie – sein frei verfügbares Einkommen steigt. Das ist aber bei Menschen, die eine sozialstaatliche Leistung erhalten, nicht immer der Fall. Die Bedarfsleistungen haben oftmals unerwünschte Effekte: Kann ein Haushalt sein Erwerbseinkommen erhöhen, sinkt vielleicht jener Betrag, über den er frei verfügen kann, denn möglicherweise fallen Sozialleistungen weg.
Ein Beispiel: Haushalt A erzielt einen Bruttolohn von 60 000 Franken, sein frei verfügbares Einkommen beträgt 35 000 Franken. Haushalt A erhält vom Staat Alimentenbevorschussung. Haushalt B verfügt über einen geringfügig höheren Bruttolohn und hat keinen Anspruch mehr auf Alimentenbevorschussung. Sein frei verfügbares Einkommen beträgt nur 26 000 Franken, also 9000 Franken weniger als dasjenige von Haushalt A.

Der Sozialstaat setzt damit einen eklatanten Fehlanreiz: Haushalt A ist nicht daran interessiert, den Bruttolohn zu erhöhen. Und Haushalt B könnte ein Interesse daran haben, sein Bruttoeinkommen zu reduzieren, um in den Genuss von sozialstaatlichen Leistungen zu kommen.

Das Beispiel entstammt der neuesten Untersuchung der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe (Skos) zu den systembedingten Einkommenseinbussen. Bereits 2007 hatte die Skos diese Schwelleneffekte und negativen Erwerbsanreize untersucht und war zum Schluss gekommen, dass praktisch alle kantonalen Bedarfsleistungssysteme mehrere Schwelleneffekte aufweisen. Nun hat die Skos im Auftrag des Bundesrats und der kantonalen Sozialdirektoren eine Nachfolgestudie präsentiert, die untersucht, inwiefern es die Kantone in den letzten Jahren verstanden haben, solche Schwelleneffekte zu eliminieren. Die Skos hat ihr Augenmerk dabei auf folgende kantonale Transferleistungen und Abgaben gerichtet: Sozialhilfe, individuelle Prämienverbilligung (IPV), Alimentenbevorschussung (ALBV), Ergänzungsleistungen für Familien, Abgaben für die familienergänzende Kinderbetreuung (Tarifreduktion) und Steuern.

Kommentar:


Weshalb gibt es keine lineare Ausgestaltung der Bedarfsleistungen? Weshalb wird nicht ein prozentualen Einkommensfreibetrag eingeführt? Das wäre ein taugliches Instrument neben der Sozialhilfe. Für die Skos ist  eine Harmonisierung der Bedarfsleistungen unabdingbar.

Statt immer wieder an guten Vorsätzen  zu scheitern, müssten wir ab sofort lernen,

die Macht der Gewohnheit zu nutzen und Rituale einzuführen.

Wir alle kennen seit Jahren das bekannte Lied. Ich will mich beispielsweise mehr bewegen, weniger Schokolade essen oder weniger Alkohol trinken.

Doch wir scheitern immer wieder an unseren guten Vorsätzen. Weshalb? Wir haben uns  an die schlechten Gewohnheiten gewöhnt. Bedenken wir:

Es  gilt das Prinzip der Trampelpfade:



 


Wenn wir eine Wiese durchqueren, zeichnet sich noch kein Pfad ab. Erst wenn wir immer wieder die gleiche Spur benützen, entsteht allmählich ein Trampelpfad. Unsere schlechte Gewohnheit hat sich nach diesem Prinzip gefestigt. Wir benutzen trotz guter Vorsätze den eingravierten Trampelpfad.
Diese Erkenntnis nutzend, könnten wie somit durch konsequentes Wiederholen die gute Verhaltensweise festigen.
dieses Prinzip gilt bei schlechten Angewohnheiten und bei der Durchsetzung eines guten Vorsatzes. Wir müssen für den guten Vorsatz einen Trampelpfad schaffen. Das benötigt Zeit und ist nur durch Wiederholung möglich.

Das Buch "Die Macht der Gewohnheit" vertieft meinen Gedanken: 

(Quelle: DIE ZEIT)

 Mehr Vitamine, kein Nikotin? Charles Duhigg setzt auf Selbstoptimierung gegen schlechte Gewohnheiten.
In der Erziehung von Kindern sind feste Gewohnheiten bekanntlich die halbe Miete. Es gibt Theorien, die sehr plausibel erklären, wie und warum das junge Ego von jener Sicherheit profitiert, die sich aus der verlässlichen Wiederholung von Handlungen, Situationen und Impulsen ergibt. Die Praxis fügt die Erkenntnis hinzu, dass sich ein von Gewohnheiten getragenes Zusammenleben auch auf die Nerven der Eltern heilsam auswirkt. Was Routine geworden ist, muss nicht immer aufs Neue bequasselt, begründet, aufgezwungen werden.
Wenn der kleine Uhrzeiger sich wie ein Arm ganz gerade nach rechts ausstreckt, ist es drei. Wenn es drei ist, machen wir ein Picknick auf dem Fußboden im Kinderzimmer. Vor jedem Picknick wird der Fußboden aufgeräumt. Nach jeder Rückkehr aus dem Urlaub lassen wir die Koffer vierundzwanzig Stunden ungeöffnet im Flur stehen. An jedem ersten Sonntag im Monat ist bei Facebook Tag des offenen Bildschirms für die Eltern. Ist einfach so; Schluss, aus.


Was sich im Kleinkosmos der Familie bewährt, gilt erst recht für das Großgebilde der Gesellschaft. Sie ist ohne Gewohnheiten, ohne deren Durchsetzungskraft und Gesetzmäßigkeit so wenig vorstellbar, dass es überflüssig, ja banal erscheint, an diesen Tatbestand überhaupt zu erinnern. Oder doch? Jetzt, zum bevorstehenden Jahreswechsel, wenn wie üblich die sogenannten schlechten Gewohnheiten zum Teufel gejagt und wieder einmal tausend neue Vorsätze beschworen werden, hat die alte Gewohnheit vielleicht doch eine Gedenkminute verdient. Denn in Wahrheit hat sie es derzeit nicht leicht. Ihr Ansehen schwindet in der Moderne zusehends. Das buchstäblich Konservative der Gewohnheit ist in Misskredit geraten. Einer Kultur, die vernarrt ist in ihre rasende Veränderbarkeit und deren Prozesse, erscheint die Gewohnheit als Bremsklotz, als Zwang. Die Urbotschaft der Gewohnheit lautet ja: Das haben wir schon immer so gemacht, das machen wir auch jetzt so. Wir essen um eins zu Mittag. Um vier gibt es Kaffee. Und nicht umgekehrt.
Dass und wie sich die Mentalität der Gewohnheit verwandelt hat und weiter verwandelt, lässt sich sehr schön an einem populärwissenschaftlichen Buch studieren, das der Amerikaner Charles Duhigg verfasste. Duhigg, Jahrgang 1974, arbeitet als Wissenschaftspublizist. Seine Schrift hat den Titel Die Macht der Gewohnheit, und dieser Titel sagt schon einiges. Denn so betriebsam Charles Duhigg es nicht versäumt, alle paar Seiten den Wert individueller und sozialer Gewohnheiten hervorzuheben, so unübersehbar geht es ihm im Kern um Strategien, mit deren Hilfe sich ihre Macht eben brechen lässt. Duhigg nimmt, anders kann man es nicht deuten, am Charakter der Gewohnheit in erster Linie den tyrannischen Zug wahr. Nichts, lautet seine Botschaft, muss bleiben und gemacht werden, wie es immer war und gemacht wurde. Wo Zigarette war, kann Apfel sein. Wer es gewohnt ist, den Feierabend auf dem Sofa zu verhocken, kann sich zum fanatischen Jogger wandeln. Wer Depressionen erleidet, kann ihrer Herr werden durch Techniken der Umgewöhnung, die am Habituellen ansetzen, nach innen durchgreifen und zuletzt die Seele umkrempeln. Das klingt erst mal prächtig. Und man braucht beim Lesen eine Weile, um die unterschwellige smarte, ideologische Tendenz zu begreifen, die diese Revolutionslehre der Gewohnheit antreibt.
Duhiggs Ausgangspunkt ist zunächst nicht zu widersprechen: Er unterscheidet zwischen positiven und negativen Gewohnheiten. Dass diese nicht per se, nur weil sie welche sind, einen sittlichen Wert darstellen, versteht sich ebenfalls von selbst. Wenn es beispielsweise zum Repertoire der Familiengewohnheiten gehört, Kindern eine Ohrfeige zu verpassen, wenn sie mit verschmutzten Stiefeln in die Wohnung laufen, wird niemand dies gutheißen. Je routinierter die Ohrfeigenhand ausfährt, umso schlimmer. Ebenso können Gesellschaften kollektive Gewohnheiten ausprägen, rassistische Verhaltensweisen etwa, die zu erhalten sich gerade nicht empfiehlt.
Die amerikanische Bürgerrechtsbewegung um Martin Luther King wäre vermutlich langsamer in Gang gekommen, wenn die 42-jährige Afroamerikanerin Rosa Parks nicht am 1. Dezember 1955 in Montgomery, Alabama, von ihrer Gewohnheit abgewichen wäre, ihren Platz im mittleren Abschnitt eines Busses für einen weißen Mann frei zu machen, den dieser für sich beanspruchte – ebenfalls aus Gewohnheit. Rosa Parks blieb sitzen, wurde verhaftet und der Vorfall zum Funken, der ein Ölfass zum Explodieren brachte. Dem Rhode Island Hospital im Südosten Neuenglands wiederum gelang Mitte der neunziger Jahre die Senkung der Todesrate von Intensivpatienten allein dadurch, dass der Chefchirurg auf eine lieb gewordene Gewohnheit verzichtete. Bis dahin hatte er das Vorgespräch des OP-Teams zum Telefonieren oder zum Kaffeetrinken in einem Nebenraum genutzt. Nachdem er versehentlich die falsche Schädelseite eines Patienten geöffnet hatte und dieser an dem Missgriff verstarb, unterzog sich der Klinikbetrieb einer Grundreinigung seiner verschlampten Gewohnheiten. Ein Fortschritt – keine Frage.

Problematisch ist allerdings, dass solche Beispiele, die das Buch in kaum enden wollender Fülle anführt, zur Illustrierung einer Argumentationsführung dienen, die die Gewohnheitskultur ganz grundsätzlich als renovierungsbedürftig zur Kenntnis nimmt. Kurz gesagt: Charles Duhigg schreibt hier über die Bedingungen der Möglichkeit, dem Zwang der schlechten Gewohnheit (rauchen, trinken, überfressen, Missmanagement in Wirtschaft, Bürokratie und Politik) zu entkommen und sie durch gute Gewohnheit zu ersetzen (regelmäßig Sport treiben, sich maßvoll, vitaminreich und möglichst fleischarm ernähren, mäßig Alkohol trinken, auf keinen Fall rauchen, Wirtschaft, Bürokratie und Politik effizient umstrukturieren etc.). Er stützt sich dabei auf umfangreiche neurobiologische Forschungsergebnisse, die beweisen, dass und wie unser Gehirn umerzogen werden und lernen kann, auf einen Reiz nicht in der gewohnten Weise zu reagieren. An der Stelle, an der die Synapsen normalerweise nach einem gezuckerten Schokoladenkeks gieren, kann sich der Appetit auf eine Birne einstellen. Nur stützt sich Charles Duhigg nebenbei auch auf ein Ideologem: das der andauernden effizienzorientierten Selbstoptimierung. Es betrifft Individuen wie Wirtschaftsunternehmen und Institutionen.
Im ersten Kapitel des Buches baut Duhigg eine wahre Monsterfigur auf. Er beschreibt eine Mittelklasseamerikanerin, die durch verschiedene Schicksalsschläge in den Kreislauf schädlichster Gewohnheiten geraten war. Sie war dabei, sich zu Tode zu rauchen. Je mehr sie rauchte, desto mehr trank sie. Je mehr sie trank, desto weniger ernährte sie sich. Sie kannte weder Tag und Nacht, nur mehr ein diffuses, mit Lastern gefülltes Zeitkontinuum. Eine schwere Depression ließ nicht auf sich warten, die Zug um Zug die Laster steigerte. Anschließend beschreibt Duhigg, wie die Frau durch eine Verhaltenstherapie der Logik ihrer destruktiven Angewohnheiten entkam, indem sie lernte, die Glieder der Kette voneinander zu lösen, ihr Hirn sich darin übte, Rauchen und Trinken zu trennen, bis beides verschwand. Die Geschichte ist glaubhaft, kein Psychologe würde ihren Realitätsgehalt bestreiten. Nur ist sie als Prämisse einer Studie über die Geschichte der Gewohnheit tendenziös. Denn diese Prämisse verlängert sich zu einer Perspektive, in der das Bewahren von Gewohnheiten per se eher von Nachteil als von Vorteil ist.
Allein der Blick auf das unbestreitbare Gegenwartsproblem kindlicher Fettsucht widerlegt diese Argumentation. Die Wurzel des Problems liegt ja nicht darin, dass übergewichtige Kinder sich den Konsum von Fast Food und Süßgetränken nur mit größter Mühe abgewöhnen lassen. Die Wurzel des Problems liegt darin, dass die Propaganda für diese Drecksernährung es geschafft hat, die hergebrachte Gewohnheitskultur privater Essenszubereitung und familiärer Mahlzeiten zu zerstören. Tausend Beispiele für den Sinn der Bewahrung von Gewohnheiten ließen sich hier anführen. Duhigg ist an ihnen nicht sonderlich interessiert. Sie widersprächen dem Manifest permanenter Selbstdisziplin und Selbstmaximierung, das er in sein Buch eingewoben hat. Es steht im Schatten einer Mentalitätspolitik, die man als neoliberal bezeichnen darf. Sie verlangt vom Einzelnen nichts anderes als den Bruch mit all jenen Gewohnheiten, die seiner Tüchtigkeit und seiner Brauchbarkeit im Wege stehen. Genau genommen unternimmt Charles Duhigg eine Kritik der Gewohnheit nach Maßstäben, die der Hygienefantasie entstammen.
Da machen wir lieber nicht mit. Wir machen es diesmal überhaupt ganz anders. Wir erstellen am Neujahrsmorgen keine Liste der Gewohnheiten, die unbedingt zu verabschieden sind. Wir machen eine Liste der Gewohnheiten, die unbedingt zu erhalten sind. Im Übrigen ist es so, dass Kinder, wenn sie ein Alter erreicht haben, in dem sie auf sich selbst, auf ihre frühe Kindheit zurückschauen können, auf die Frage, was sie damals glücklich machte, zuallererst von gemeinsamen Ritualen und festen Gewohnheiten berichten. Wie schön es doch war, den Fußboden aufzuräumen, bevor darauf ein Picknick stattfand.

TIPPS AUS 20 MIN:

Gute Vorsätze











Die zu  späte Einsicht Reto Dürrenbergers.

Der Tagesanzeiger machte in der Samstagausgabe publik, wie ein Werbebüro unter dem Initiant Reto Dürrenberger Studenten anheuern wollte, um mit gekauften Leserbriefen gegen die Minder Initiative zu schreiben. Mit dieser fragwürdigen Kampagen schoss der Initiant ein Eigencoal.

Ich zitiere:

Gekaufte Studis hetzen gegen Abzockerinitiative

Im Kampf gegen die Abzockerinitiative setzen die Gegner auf unkonventionelle Methoden. Junge Menschen schreiben auf Online-Portalen gegen die Initiative.




Thomas Minder kämpfte lange alleine auf weiter Flur. Doch nun melden sich immer mehr Verbündete zu Wort.
Der Abstimmungskampf um die Abzockerinitiative treibt immer buntere Blüten. Die Zürcher Agentur Werbeanstalt Schweiz hat Studenten damit beauftragt, auf Online-Portalen Kommentare gegen die Initiative zu schreiben. Dies haben «Tages-Anzeiger» und «Bund» am Samstag publik gemacht.
Werbebüro hat für den Wirtschaftsdachverband Economiesuisse die Plakate und Inserate für dessen acht Millionen teure Kampagne gegen die Abzockerinitiative gestaltet. Economiesuisse-Kampagnenleiterin Ursula Fraefel weist jedoch gegenüber der Nachrichtenagentur SDA jegliche Urheberschaft am Projekt zurück.Initiant ist vielmehr Reto Dürrenberger, der Geschäftsführer und Mitinhaber von Werbeanstalt Schweiz. Über die Studentenvermittlung Poolside hat er fünf Studierende dazu angeheuert, Leserbeiträge auf Online-Portalen wie blick.ch, srf.ch und auch 20 Minuten Online im Sinne der Initiativgegner zu kommentieren. Dürrenberger bestätigte auf Anfrage entsprechende Informationen der beiden Zeitungen.


Kommentar:

Als ich gelesen hatte,  dass die organisierten Briefe unter falschem Namen und falscher Mail-Adressen, der Teext aber unter eine existierenden Adresse mit dem entsprechenden Ort geschrieben werden sollte, war mir bewusst, dass diesrechtlich fragwürdig ist.
Falls die Studenten für diese gefakten Briefe tatsächlich bezahlt worden wären, sehe ich ohnehin ein juristisches Nachspiel.
Solche Manipulationen sind aus meiner Sicht aufs schärftste zu verurteilen. Der Tagesanzeiger musste diesen Missstand aufdecken. Die Entlarvung hilft nun den Befürwortern der Minder Initiativen. Ich bin überzeugt, dass der streitbare Ständerat von der fragwürdigen Aktion gewaltig profitieren wird.
Gekaufte und intransparente Meinungsbeeinflussungen widersprechen nach meinem Dafürhalten der verfassungsmässig geschützten Garantie der politischen Rechte und beeinträchtige die freie Willensbildung der Schweizer Bürger.

Nach der Veröffentlichung dieser unzulässigen Aktion bekam die Werbefirma kalte Küsse und krebste  sofort zurück.
Nach meinem Dafürhalten jedoch zu spät.

 Werbeanstalt-Geschäftsführer Dürrenberger bestätigte am Samstag gegenüber der SDA, dass das Projekt mit den Studenten mit sofortiger Wirkung gestoppt werde. Er und sein langjähriger Freund Flückiger wollten «nicht noch mehr Öl ins Feuer giessen».
Das Oel - das aber bereits ins Feuer geflossen ist -  brennt sicherlich  noch lange weiter.
Ich zitiere den TAGI:

Das letzte Wort in der Angelegenheit hat das Schweizer Stimmvolk. Es wird am 3. März über die Initiative «gegen die Abzockerei» entscheiden. Die Initiative will die Aktionärsrechte bei Publikumsgesellschaften stärken. So sollen die Aktionäre an der jährlichen GV über die Gehälter der Geschäftsleitung abstimmen können. Die GL-Mitglieder würden nur noch für ein Jahr gewählt.
Sagt das Stimmvolk Nein, tritt automatisch der Gegenvorschlag in Kraft. Der Gegenvorschlag lässt den Unternehmen und Aktionären im Gegensatz zur Initiative die Wahl, wie sie über die Entlöhnung der Geschäftsleitung abstimmen wollen. Laut Gegenvorschlag sollen die GL-Mitglieder zudem für eine Amtszeit von zwei oder drei Jahren bestimmt werden. (Ende Zitat)

Es ist mir völlig unverständlich, dass ein professionelles Werbebüro solche Böcke schiessen kann. Leserbriefaktionen hat es zwar schon immer gegeben. Den Schreibenden wurden aber in der Regel  nur einen Argumentationskatalog oder Vorlagen verabreicht. Doch wurden diese Leserbriefe stets unter dem echten Namen veröffentlicht und niemand wurde dafür bezahlt.