Donnerstag, 4. Oktober 2012

Tagi News und Basler Zeitung:


«Obama fehlt das Training»

Aktualisiert vor 2 Minuten
 Der US-Präsident wirkte gegen Ende des TV-Duells mit Mitt Romney müde und zerstreut. Was war los mit dem eigentlich so brillanten Redner? Ein Rhetorikexperte und Kampagnenspezialist analysieren.
1/13 Kann zufrieden sein: Mitt Romney nutzte seinen ersten Auftritt auf Obamas Bühne optimal. Gemäss Umfragen wirkte er viel selbstbewusster als der Präsident. (3. Oktober 2012)
Bild: Jason Reed/Reuters

   

Was ist mit Barack Obama los? Vor vier Jahren glänzte der Präsident mit rhetorisch brillanten Auftritten. Und jetzt? Nach seinem ersten TV-Duell mit Mitt Romney kriegt er von den Medien praktisch nur schlechte Noten. Als «schwach und zerstreut» wird er von den Analysten bewertet. Kritisiert wird der zweite Teil seiner Leistung. Obama schaute abwechselnd genervt und verloren in die Kamera. Er habe während Ausführungen seines Gegners das Gesicht verzogen und verärgert gewirkt. Das Magazin «Time» kommentierte: «Did the President send out his body double tonight?» (Hat der Präsident sein Double geschickt?)

Was sind die Gründe für Obamas Darbietung?
 Der Rhetorikexperte Marcus Knill hat eine Antwort auf diese Frage. Gegenüber Tagesanzeiger.ch/Newsnet erklärt er: «Obama fehlt sicherlich das Training bei den Debatten. Bei den Reden nutzt er meist den Teleprompter.» Im Vergleich zu seinem Kontrahenten Mitt Romney, der in den letzten zwei Jahren 27 TV-Duelle absolvierte, habe Obama an keinem einzigen teilgenommen. Für Knill wirkte Obama gerade gegen Ende der Debatte zu wenig souverän. Er habe mehr reagiert, statt agiert, wirkte zerstreut, lustlos. Gründe hierfür sieht er in den Vorwürfen Romneys. Der Leistungsausweis Obamas sei tatsächlich dünn, die gezielten Anschuldigungen könnten Obama am wunden Punkt getroffen haben.

«Obama wirkt müde»

Knill, der seit Jahren die TV-Duelle analysiert, vermisst bei Obama auch das übliche Feu sacré. Konnte Obama im letzten Wahlkampf die Wähler mit knackigen Parolen und Selbstbewusstsein begeistern, hat er nun Mühe, Aussagen auf den Punkt zu bringen. Zu stark lebe er vom Charisma früherer Tage. «Obama wirkt müde. Haben die Mühlen der Politik bei ihm Spuren hinterlassen?», fragt Knill. Einen wichtigen Grund für den schwachen Auftritt sieht Knill bei der fehlenden Kernbotschaft (2008: «Yes we can»).
Knill betont allerdings, dass auch bei Romney keine nachhaltige Botschaft erkannt  wurde. Beide Kandidaten beschränken sich grösstenteils darauf, den Gegner mit allgemeinen Unterstellungen zu übertrumpfen und mit Zahlen zu verwirren. Generell wirken beide Kandidaten in vielen Punkten geklont. Beide agieren nach dem Harvard-Prinzip, sei freundlich mit dem Gegner, aber hart in der Sache. Viele Statements wirkten eingeübt, antrainiert, gleichsam auswendig gelernt. Die Garderobe beider Akteure war synchron: dunkel und staatsmännisch. Auch die Gestik stimmte ebenfalls oft überein, meint Knill. Vor allem bei den Begrüssungs- und Abschiedsszenen.
«Das Duell war mir zu theaterzentriert», sagt Knill abschliessend. Im Vergleich zu früheren Debatten habe das Duell einstudiert gewirkt, zu perfektioniert und von den Coaches im Hintergrund merkbar beeinflusst. Wenn es so weitergehe, könnten solche Duelle zu den nichtssagendsten Auftritten aller Zeiten werden: «Ich erkenne einfach nichts Nachhaltiges. Leider auch keine Aussage, die von Herzen kommt.»

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