Sonntag, 9. Oktober 2011

Die Fortsetzungsgeschichte einer FDP Werbung:


Vor Wochen habe ich im PERSOENLICH- BLOG die Werbekampagnen der FDP Frauen analysiert. Ich setzte schon damals einige Fragezeichen zu der Werbeaktion  der Generalsekretärin mit der Aufschrift auf dem schwarzen Balken. "Nicht mehr oben ohne". Nun gibt es eine Fortsetzungsgeschichte (Ich zitiere 20 Min):

Hinter einem Balken posierte die Generalsekretärin der FDP Frauen im Juli «oben ohne» für mehr Frauen in Führungspositionen. Der «Blick» druckte das Bild unzensiert – und muss sich jetzt dafür verantworten.

storybild


Die Idee war frech, die Umsetzung dilettantisch. Hüllenlos posierte Nationalratskandidatin Claudine Esseivaauf MerklisteKandidatendetails diesen Sommer für einen Flyer der FDP Frauen. Lediglich ein schwarzer Balken verhinderte die freie Sicht auf den nackten Oberkörper. Die Botschaft «Nicht mehr oben ohne» sollte auf die unterdurchschnittliche weibliche Vertretung in Führungspositionen aufmerksam machen.
Doch auf der im Internet aufgeschalteten Version des Flyers war die Generalsekretärin der FDP Frauen nicht nur oben ohne, sondern auch ohne Balken zu sehen. Dazu reichten lediglich drei Klicks auf einem Grafikprogramm. Dieser Umstand blieb auch der Redaktion des «Blicks» nicht verborgen. Am 11. Juli publizierte die Zeitung unter dem Titel «Freisinnige Nacktpanne» Bilder Esseivas mit und ohne Balken.
Für die 32-Jährige war das eine klare Verletzung des Rechts an ihrem Bild und ein massiver Eingriff in ihre Persönlichkeitsrechte. «Niemand darf ohne mein Einverständnis ein bewusst technisch manipuliertes Bild von mir verwenden», sagt sie auf Anfrage von 20 Minuten Online. Deshalb habe sie beim Presserat eine Beschwerde gegen die Zeitung eingereicht.


Fehler der Grafikerin


Natürlich habe die Grafikerin einen Fehler gemacht, als sie eine Datei aufgeschaltet habe, bei der die verschiedenen Bildebenen nachträglich bearbeitbar gewesen seien, räumt Esseiva ein. Sie hätte jedoch nie damit gerechnet, dass dies getan werde.
Der Presserat kann in diesem Zusammenhang allerdings weder dafür sorgen, dass die Bilder verschwinden, noch eine Richtigstellung empfehlen. Weshalb also dieser Schritt? «Mir geht es um das Recht an meinem Bild und um Stil im Journalismus», sagt die Freiburgerin. Es sei eine Chance zu zeigen, dass die Medien mit Frauen und Männern unterschiedlich umgingen. «Wenn der Grüne Nationalrat Bastien Girod nackt vor einem Polizeiauto posiert, finden das alle cool, aber bei mir als Frau macht man den Balken weg.»


«Blick» will sich vorerst nicht äussern


Ob das Geschlecht Esseivas tatsächlich eine Rolle gespielt hat beim Entscheid, das Foto ohne Balken zu publizieren, ist offen. Bei Ringier, dem Verlag des «Blicks», wollte man dazu mit Verweis auf das hängige Verfahren keine Stellung nehmen.


Klar ist, dass mit der Beschwerde gegen die Publikation die Geschichte um das Oben-Ohne-Plakat nochmals aufgekocht wird. Publizität, die eigentlich im Wahlkampf gesucht wird. «Im Gegenteil», wehrt sich Esseiva, «persönlich kann ich diese Publizität überhaupt nicht gebrauchen, da ich sowieso keine Wahlchancen habe.»


Ende Zitat


Kommentar: In meinem ersten Beitrag über die "Oben ohne" Werbung hatte ich bereits darauf hingewiesen, dass es bei PR Aktionen immer  auch darum geht, Aufmerksamkeit zu erlangen. Das hatten die FDP Frauen mit ihrem Flyer sicherlich erreicht. So gesehen wäre ihre Aktion ein PR Erfolg gewesen. Oft wird in der Politik wie auch in der Kunst nur deshalb provoziert, damit man einen Medienwirbel auslösen kann und zum Medienthema wird. Diese Methode hatte die SVP jahrelang mit Erfolg angewendet. Provokateure sind stets sauer, wenn sie ignoriert werden. So gesehen könnten eigentlich die FDP Frauen zufrieden sein. Sie hatten bewusst provoziert. Die Frauen konnten - dank der Diskussion - ihr Anliegen in persönlichen Gesprächen erläutern.  Mit der jüngsten Klage gibt es nun für diese Frauen erneute Publizität. Man spricht wiederum von diesem"Oben-ohne" Plakat. Die PR Gruppe der FDP Frauen könnten sich somit erneut auf die Schultern klopfen.  Die  Generalsekretärin ist jedoch im Nachhinein unglücklich. Die Geschichte habe ihr nun geschadet, findet sie. "Blick" habe mit der Publikation des Bildes - ohne Balken - die Grenze überschritten.
Für mich hat diese  Fortsetzungsgeschichte verschiedene Ebenen:


- Es geht um die rechtliche Frage. Hat Blick gegen die Persönlichkeitsrechte der Generalsekretärin der FDP Frauen verstossen (obwohl der Fehler bei der Grafikerin lag)?


- Werden nun die FDP Frauen von dieser Geschichte PR mässig langfristig profitieren oder hat sich nun  sich die Diskussion noch mehr auf jene Ebene verlagert, die von den Frauen nie gewünscht wurde (Frau als Sexobjekt)?


- Die Geschichte bestätigt einmal mehr, dass es sich bei Marketingaktionen immer lohnt, mit Profis zu arbeiten, die technisch keine Dilettanten sind. Auf dieses Problem habe ich verschiedentlich bei den heutigen Videospots hingewiesen, die kontraproduktiv sein können, weil sich Kandidaten vorschnell vor eine Kamera stellen und  mit ihren unvorbereiteten Auftritten lächerlich gemacht haben (Beispiel: Marco Fischer FDP in Luzern).


- Aus meiner Sicht das Wichtigste: Steht letztlich die gewünschte Kernbotschaft nach den Mediengeschichten im Zentrum oder war die Aktion letztlich nicht kontraproduktiv? Das entscheiden immer die Adressaten und nicht die Macher oder Experten. In diesem Fall hatte ich leider keine gute Rückmeldungen erhalten. Aufmerksamkeit zu erlangen ist das eine. Das Wichtigste beim Marketing ist und bleibt jedoch die Vermittlung einer  überzeugenden Kernbotschaft.


Die Fortsetzungsgeschichte der "Oben-ohne" Werbung bestärkt meine Zweifel, die ich bereits im ersten Beitrag geäussert hatte.




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