BLICK online verbreitet am 7. Dez folgenden Titel:
SAMUEL BLEIBT WOHL GELAEHMT!
Der Titel basiert auf den Aussagen der Mediensprecherin des Universitätsspitals Düsseldorf - Susanne Doheide.
Ich habe den Wortlaut kontrolliert. Die Medien machten aus den Mutmassung der Mediensprecherin eine Tatsache.
Susanne Doheide erwähnte zuerst alle Fakten (dies war noch völlig korrekt) und schilderte auch die festgestellten Lähmungserscheinungen. Dann fügte sie dazu:
"Wir können eventuell davon ausgehen, dass sich das nicht vollkommen zurückentwickeln wird. Das kann man aber nicht mit Sicherheit sagen"
Analysieren wir diesen Wortlaut, so stellen wir fest: Die Mediensprecherin machte einen Kapitalfehler: Sie vermutete und formulierte eine Prognose, die nicht sicher belegt ist.
Im Gegensatz zur Sprecherin hatte der Chefarzt nach der Einlieferung immer nur Fakten beschrieben. Aus meiner Sicht hatte der Arztzt vorbildlich kommuniziert. Er beschrieb stets nur den jeweiligen aktuellen Zustand und verstieg sich nie in Hypothesen, obwohl ihn die Journalisten mit Fragen über den kommenden Verlauf der Genesung löcherten.
Es ist für mich völlig unbegreiflich, dass eine Mediensprecherin nicht gelernt hat, in Krisensituationen auf Vermutungen und Prognosen strikte zu verzichten!
FAZIT: In Krisensituationen muss die Kommunikation unbedingt koordiniert und geführt werden! Informieren heisst dann: Fakten beschreiben- beschreiben- BESCHREIBEN!
Ein Chefarzt, der eine Krisensituation erfolgreich gemeistert hatte, schrieb mir nach meiner Analyse:
Die MEDIENSPRECHERIN hat sich in ihrer doppelten Verneinung restlos
verheddert. Ausserdem kennt sie den "Punkt" nicht,
nur den Beistrich - und findet nicht mehr in den
Hauptsatz zurück.
Wenn das Publikum auf eine schlechte Nachricht vorbereitet werden muss, dann
würde ich solche Inhalte auch mitteilen aber eher so:
"Der Patient ist derzeit im künstlichen Tiefschlaf
(nicht Koma, das ist negativ besetzt). Deshalb können wir im Moment nicht feststellen, ob Lähmungen vorhanden sind.....
Die Operation hat die Wirbelsäule
knöchern stabilisiert."
Oder, zu einem späteren Zeitpunkt:
"Wir haben den Patienten langsam aus dem künstlichen
Tiefschlaf aufwachen lassen. Dabei sind erste Hinweise auf Lähmungserscheinungen sichtbar geworden.
Erst in weiteren Untersuchungen -wenn der Patient
völlig wach ist - können wir das genaue Ausmass der
Lähmungen feststellen."
Noch später:
"Der Patient ist jetzt wach. Lähmungen sind leider vorhanden.
Das genaue Ausmass der Lähmungen wollen wir ihnen
aus Respekt vor der Privatsphäre des Patienten und
seiner Familie nicht berichten. Ob sich die Lähmungen
zurückbilden werden, können wir jetzt noch nicht sagen.
Eine hochprofessionelle Rehabilitationstherapie kann
hier helfen, und ist unter allen Umständen auch sehr
lange durchzuführen."
Und das wars dann auch schon.
LINKS:
rhetorik.ch aktuell: Ärzte müssen auch medientauglich sein
22. Jan. 2009 ... Auch Ärzte müssen für derartige überraschende Auftritte trainiert werden. Die Voten von drei Ärzten der Universitäts-Klinik für Allgemeine ...
www.rhetorik.ch/Aktuell/09/01_22/index.html -Cached rhetorik.ch aktuell: Auch Ärzte müssen medientauglich sein
Rhetorik.ch Artikel zum Thema: Ärzte vor Mikrofon und Kamera · Ärzte müssen medientauglich sein · Aktuell Persönlich Artikel ...
www.rhetorik.ch/Aktuell/09/03_18/index.html
Nachtrag 11. Dez.10
Erfeulich, wie professionell die Aerzte in Nottwil informieren
Kein Arzt macht fragwürdige Prognosen.
Ich zitiere:
Nottwil (dpa) – Der Schweizer Arzt des schwer verletzten Wettkandidaten
Samuel Koch hält sich bei einer Prognose über die Heilungschancen des
23-Jährigen zurück. Entscheidend seien die ersten beiden Wochen nach dem
Unfall, sagte Oberarzt Hans Georg Koch der Zeitung «Blick». Die Ärzte
der Schweizer Klinik sähen Möglichkeiten einer positiven Entwicklung und
hätten die Hoffnung, dass die Lähmungserscheinungen und
Gefühlsstörungen zurückgehen. Am Montag will sich die Klinik zu den
nächsten Schritten äußern.
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