Mittwoch, 14. April 2010

Rhetorischer Argumentationsnotstand im öffentlichen Islam-Diskurs?

Gedanken zur Rhetorik der Fundamentalisten: Muster und Techniken der Fundamentalisten

- Weshalb haben religiöse Fanatiker in Diskussionen oft so leichtes Spiel?

- Wie müssen wir uns bei Mediendiskussionen verhalten?

von Marcus Knill*

Die Analyse zahlreicher Diskussionsrunden und Filmsequenzen macht bewusst, weshalb extreme Sektierer (Scientologen, extreme religöse Gruppierungen (USA) oder wortgläubige Islamisten) meist breit zu Wort kommen und die säkulare Mehrheit sich kaum zu wehren weiss. In Fernsehsendungen, Zeitungsberichten und anderen Medien kommen die fundamentalistischen Exponenten oft recht gut weg.

Ein Beispiel: Die Kopftuch- oder Burkadebatte wird in allen Sendungen von den Fundamentalisten rhetorisch geschickt ins Spiel gebracht. Kopftuch und Burka werden von den Islamisten gleichgesetzt. Im Namen der Religionsfreiheit werden Parallelen zu Kopftuch tragenden Frauen (Walliserfrauen oder schleiertragende Klosterfrauen) gezogen. In der Argumentation wird die Unterordnung der Frau und der Verzicht auf die Selbstbestimmung ausgeklammert. Obschon die Burka im Koran nicht explizit erwähnt wird. Dort heisst es lediglich, die Frauen sollen die Dschallaba tragen, ein Kleid von den Schultern bis zu den Füssen, der Kopf bleibt frei. Diese Zeilen werden aber von den Fundamentalisten als Zwang zum Burka tragen ausgelegt.

Wer vermummt ist, kann nicht identifiziert werden. Gangster, Einbrecher und gewaltbereite Demonstranten vermummen sich. In jeder Bank, bei Behörden, am Zoll oder in der Bahn, überall muss man das Gesicht zeigen. Weshalb sollte diese selbstverständliche Offenlegung des Gesichtes nicht verlangt werden? Jüngst sorgte eine burkatragende Autofahrerin für grossen Aerger in den Medien, weil sie nicht gebüsst werden konnte. Auf der Polizeifoto konnte die fehlbare Fahrerin nicht identifiziert werden. Es ist erstaunlich, wie solche Fakten Aspekte in Diskussionen viel zu wenig aufgezeigt werden.

Folgende Muster dominieren die Rhetorik der Fundamentalisten:

Das Extreme, die Dogmen werden durch beschönigen und verharmlosen geschickt und gewandt umgedeutet.

Aus dem legalen Schlagen der Frauen wird nur ein kleines zahnstocherähnlichens "Stöcklein" benutzt und lediglich leicht geschubst (SF CLUB).

Fakten werden unterdrückt:

Es wird behauptet alle islamische Redner würden in der Schweiz als Hassprediger bezeichnet.

Fanatismus wird mit Weichspülern salonfähig gemacht:

Ehrenmorde, Beschneidung von Mädchen, Steinigungen, Bombenterror würde die Schweiz gar nicht betreffen. Viele Aussagen seien Behauptungen und würden bei uns falsch ausgelegt.

Einseitiger Toleranzanspruch:

Der Koran wird Fundamentalisten wortwörtlich genommen , ohne die geringste Toleranz. Von der Gegenseite wird hingegen Dialogbereitschaft und Toleranz gefordert.

Fanatiker beherrschen Lenkungstechniken:

Werden frühere Gewalttaten oder Missstände angesprochen, wird sofort das Thema gewechselt. Oder es heisst dann: Wir wollen nicht zurückblicken, schauen wir lieber nach vorn. Damit ist das unangenehme Thema vom Tisch.

Werden Widersprüche aufgezeigt (Warum geben Sie keiner Frau die Hand.

Weshalb gibt aber der Kollege dennoch die Hand), wird diese unangenehme Frage abgeblockt mit dem Hinweis:

Dies ist der Entscheid jedes Einzelnen. Doch niemand hakt nach und will wissen, wo die Grenze der freien Entscheidung im Alltag ist. Das Selbstbestimmungsrecht fehlt sonst bei Fundamentalisten.

Begriffe werden neu definiert:

Integration wird angeblich bejaht. Wer aber dem auf den Grund geht, merkt: Integration heisst bei den Fundamentalisten lediglich: Die Sprache des Landes erwerben. Alles andere wird abgelehnt.

Ein Anpassen an die Sitten und Gebräuche der anderen Kultur wird als ASSIMILATION verworfen. - Bei Vorwürfen "Gewalt gegen Frauen" folgt ein Redeschwall über Gewalttaten der Männer in unserer Zivilisation. Und schon ist das Thema vom Tisch.

Das Gegenüber fühlt sich schuldig und hakt nicht mehr nach.

Die Unfehlbarkeit des Korans darf niemand hinterfragen. Es gibt keine Interpretation. Die Bedenken - Gewalttätern (Selbstmordattentäter) gegenüber - werden mit dem Argument weggewischt: Das sind nur ganz wenige, denn die Mehrzahl der Gläubigen lehnt terroristische Anschläge ab. Es gibt in der Schweiz keine fanatischen Selbstmordattentäter.

Erkenntnis aus den Diskussionen:

Eine diffuse Angst vor Fundamentalisten schimmert bei allen Diskussionen durch, wenngleich uns die Wortführer der Extremisten weis machen wollen, es sei ja bei uns nichts zu befürchten, rechtlich könne man ihnen nichts vorwerfen. Ich hatte Gelegenheit in Berlin, hinter die Kulissen des Staatssicherheitsdienstes zu sehen. Mich erstaunte es, dass vor allem deutsche KONVERTITEN gewaltbereit sind, und sich ausbilden lassen, wie man sich für die heilige Sache opfern kann. Ich habe einfache Anleitungen zum Bauen von Bomben gesehen - auch im Internet. Dies gab mir zu denken.

Seit einem Vortrag in Schaffhausen von Ulrich Tilgner, der Filmaufnahmen an Kontrollpunkten im Irak gezeigt hatte, verstehe ich die diffuse Angst der Bevölkerung besser. Bei Fundamentalisten braucht es nämlich nur ganz wenige Personen um eine Katastrophe zu inszenieren. Das Argument, es gebe nur wenig Extremisten hilft nicht weiter. In der Praxis ist es so, dass beispielsweise in Irak kein Soldat oder Polizist an einem Check point Bombenträger festnimmt. Die Kontrolleure wissen ganz genau: Würden sie die Selbstmordattentäter kontrollieren, hiesse dies, mit ihnen in die Luft zu fliegen. Und wer will schon feiwillig umkommen.

Folglich: Man drückt beide Auge zu und der Film veranschaulichte, wie Verdächtige problemlos passieren konnten.

Die Oeffentlichkeit ist sich heute viel zu wenig bewusst, dass die moderne Technik (Handy, Internet, Sprengstofftechnik) - verbunden mit ideologisch- religiösem Gedankengut brisant ist.

Samuel Huntington hat 1996 in seinem Buch "Kampf der Kulturen" darauf aufmerksam gemacht, dass Fundamentalismus und moderne Technik ein hochexplosives Gemisch ergeben. "Die Art wie wir mit dem Fundamentalismus umgehen, entscheidet über unser Ueberleben im 21. Jahrhundert", sagte er. Seit Jahren stellen wir fest, dass die religiöse Rückeroberung mit modernen, neuen Mitteln System hat. Die grössten Mächte scheitern mit ihren Armeen und besten militärischen Mitteln gegen jene Fundamentalisten, die bereit sind, sich für ihren Glauben zu opfern . Gut ausgerüstete Armeen beissen sich seit Jahren an Fundamentalisten die Zähne aus. (Afghanistan, Irak usw)

Worauf beruht der Erfolg des Fundamentalismus?

Mit ihrer einfachen Sicht der Dinge, dem absoluten Glauben an Dogmen wird für die Gläubigen das Leben vereinfacht.

Menschen, die im freiheitlichen Raum überfordert sind, erhalten durch die einfachen strengen Regeln Halt. Sie müssen nicht mehr Fragen stellen, nicht mehr nachdenken. Es gibt keine Zweifel mehr. Sie können blind glauben (haben blindes Vertrauen).

Wie sollen wir uns in Diskussionen mit Fundamentalisten verhalten?

Wer an Gesprächsrunden teilnimmt, sollte sich vor allem sehr gut vorbereiten.

Er müsste Fakten sammeln und sollte die raffinierten Dialoge trainieren. Während den Debatten gilt es, gut zuzuhören Ausweichtechniken und rhetorische Tricks müssen wahrgenommen, erkannt werden.

Nennen wir sie beim Namen und entlarven sie.

"Fragen statt sagen" ist eine rhetorische Kunst, die man lernen kann.

Wenn ausgewichen wird, müssten die Gesprächspartner den Mut haben, auf wichtige Punkte zurückzukommen.

In der erwähnten Sendung CLUB über den Fundamentalismus war es vor allem Christine Maier, die es verstand, Ungereimtheiten auszusprechen und konkrete Fragen zu stellen.

Bei Dialogen gilt es, Grenzen auszuloten, Widersprüche aufzudecken! Die Forderungen nach einer Parallelgesellschaft werden stillschweigend hingenommen.

Wir müssen auch von den Fundamentalisten Toleranz fordern.

Ich würde subversiv argumentieren: Anstatt zu sagen: "Was Sie sagen - ist falsch!" würde den Gedanken weiter spinnen: "ICH ZEIGE DIR WAS DU GLAUBST" (und das dann aufzeigen!"

Als Kommunikationsberater wurde ich gefragt:

Sollte man den Medien nicht abraten, Fundamentalisten (Militante Islamisten, Scientologen, Evangelikale usw.) zu öffentliche Diskussionen einzuladen?

Als Berater weiss ich, dass sich Menschen mit fundamentalistischem Verhalten durch noch so gute Argumente nicht von ihrer Sicht abbringen lassen. Das gilt bei allen fundamentalistischen Ansichten (Politik, Religionen, Gesundheitsfragen) Dennoch bin ich prinzipiell gegen Zensur, Redeverbote, Maulkorbpolitik. Mir ist die Meinungsfreiheit ein wichtiges Gut. Doch gibt es dort Grenzen, wo eine Bewegung einer kriminellen Vereinigung angehört.

* Marcus Knill ist Kommunikationsfachmann und analysiert laufend Persönlichkeiten im virtuellen Buch www.rheotrik.ch

Nachtrag TAGI:

«Das Schlagen der Frau ist kulturell bedingt»

Ist der Bieler «Islamist» Nicolas Blancho eine Gefahr für die Schweiz? Im Interview distanziert er sich von Gewalt. Er fordert aber die Einführung eines eigenen Schulsystems für muslimische Kinder in der Schweiz

Nachtrag TAGI:

KONVERTITEN SIND AM RADIKALSTEN

Nicolas Abdullah Blancho, Präsident des radikalen Islamischen Zentralrats der Schweiz, ist ein Konvertit. Ebenso sein Pressesprecher Quaasim Illi und der umstrittene deutsche Prediger Pierre Vogel, der wiederholt auch in der Schweiz in den Schlagzeilen stand. Der Zentralrat ist in unserem Land das Sammelbecken für radikale Konvertiten. Wie lässt es sich erklären, dass sich junge Männer einen langen Bart wachsen lassen und sich fremden Dogmen unterwerfen?

Messianischer Eifer

Solche Konvertiten sind unabhängig von der Religion Überzeugungstäter. Glaube und Ideologie dominieren ihr Bewusstsein. Die einzigen relevanten Werte und Inhalte erkennen sie in der übersinnlichen Welt. Sie suchen den exotischen Kick, um die Sehnsucht nach dem religiösen Abenteuer zu befriedigen. Deshalb müssen sie alles niederreissen, was sie an ihre Vergangenheit bindet. Der Glaubenswechsel ist Signal und Ritual zugleich: Sie betäuben ihr Bewusstsein, um eine neue Identität zu erzwingen. Eine der Welt zugewandte Sinnlichkeit ist für sie Gefühlsduselei.

Für den Glaubenswechsel zahlen die mehrheitlich jungen Konvertiten einen hohen Preis. Deshalb sind ihre Erwartungen an die neue Religion unerfüllbar hoch. Sie verschreiben sich dem neuen Glauben und sind von einem messianischen Eifer beseelt.

Hinter dem Phänomen verbergen sich vielfältige Ursachen. Konvertiten sind oft verhaltensauffällig oder emotional unausgeglichen. Manche schaffen den Übergang von der Pubertät, die geprägt ist von Hormon-schüben und radikalen Weltbildern, ins Erwachsenenleben nicht. Deshalb entwickeln sie einen Hass auf die Aussenwelt. Der Weltschmerz lässt sie nicht zur Ruhe kommen. Die Schuld für ihr Verlorensein und ihre Desorientierung suchen sie in der «alten Welt». Darum verbünden sie sich mit dem «Feind» und suchen Halt in radikalen Gemeinschaften. Die Aussenwelt wird zur Projektionsfläche ihrer eigenen Ängste und Unsicherheiten. Mit dem Glaubenswechsel fliehen sie vor sich und den eigenen Problemen. Bei vielen ist die Konversion eine Rebellion gegen die Eltern oder die Gesellschaft.

Überidentifikation aus Angst

In der Übergangszeit sitzen die Konvertiten zwischen allen Stühlen. Um die innere Zerrissenheit zu überwinden und sich gegen die Widerstände zu behaupten, entwickeln sie eine Überidentifikation mit dem neuen Glauben. In einer Art Autosuggestion indoktrinieren sie sich selbst und werden immer radikaler. Sie müssen sich und der Umgebung beweisen, dass sie den richtigen Weg gewählt haben.

Gleichzeitig bleiben Konvertiten in ihren neuen Glaubensgemeinschaften lange Zeit Fremde und werden misstrauisch beobachtet. Die emotionale Bindung harzt, weil sie nicht in der Mentalität und Tradition ihrer neuen Umgebung verwurzelt sind. Um sich Vertrauen und Zuneigung zu erkämpfen, kompensieren sie ihre Unsicherheit mit Überanpassung und Übereifer. Sie suchen ein neues Fundament und entwickeln dabei gern fundamentalistische Tendenzen. Dabei leiden sie an einem mangelnden Selbstwertgefühl. Das sind klassische Sektensyndrome.

Schematisches Empfinden

Der abrupte Glaubenswechsel führt oft zu einer emotionalen Regression. Nur so lassen sich die Sehnsucht nach dem Absoluten und die eigene Weltsicht einigermassen in Deckung bringen. Die Welt wird in Schwarz und Weiss geteilt. Wirklich lebendig fühlen sie sich nur in einem engen Glaubenssystem. Die Suche endet in einer Weltflucht.

Extremismus hat meist auch gruppendynamische Ursachen. Je extremer sie sich gebärden, desto grösser sind Belohnung und Akzeptanz. Die Erfolgserlebnisse sind ein Kick, der sie immer weiter vorantreibt. Diese Konditionierung führt oft zu Realitätsverlust und Wahrnehmungsverschiebungen. Der Schritt zu Wahnvorstellungen und Militanz ist dann nicht mehr gross, zumal sie sich fast nur noch in ihrem radikalen und lebensfeindlichen Biotop bewegen. Fanatismus ist lernbar. So können radikale Konvertiten unberechenbar und eine Gefahr für die Gesellschaft werden.

Blick:

Nora Illi (26) mit ihren beiden Töchtern in den Sommerferien 2009 am Lago Maggiore. (ZVG)

Tagi:

Belgien plant Burka-Verbot

Musliminnen sollen sich nicht mehr komplett verschleiern dürfen. Die Burka tangiere die öffentliche Sicherheit. Mehr...

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