Freitag, 9. April 2010

Es fehlen ausgebildete Lehrkräfte

Primarlehrer müssen auf der Sekundarschulsstufe unterrichten

Irgendeiner steht immer vorn, irgendwer gibt immer Unterricht. Aber viele Lehrer, die nach den Sommerferien eine neue Klasse in der Sek übernehmen, sind dazu eigentlich gar nicht in der Lage, wie die «NZZ am Sonntag» vorgerechnet hat. In Kantonen wie Solothurn oder Luzern steht ein Drittel der Seklehrer ohne entsprechende Ausbildung vor den Schülern. Wie Franziska Peterhans, Generalsekretärin des Dachverbandes der Schweizer Lehrer (LCH) erklärt, sind diese Pädagogen nur dazu ausgebildet, Primarklassen zu unterrichten, also mit Fächern wie Chemie oder Französisch wahrscheinlich überfordert. Auch wer schlecht rechnen kann, muss diese Zahlen alarmierend finden: In der Schweiz fehlen mehrere Tausend ausgebildete Sekundarlehrer. «Das Problem wird sich in den nächsten Jahren verschärfen», warnt Peterhans. Viele der sprichwörtlichen Alt-68er, für die das Bildungswesen ein ideales Betätigungsfeld war, gehen demnächst in Pension. Und an den pädagogischen Hochschulen sind nur halb so viele Studenten eingeschrieben, wie es bräuchte, um diese Lücken zu füllen.

Den Deutschen fehlen selber Lehrer

Einfach ein paar tausend Lehrer aus Deutschland oder Österreich zu importieren, so die Interessenvertreterin Peterhans, könne nicht funktionieren: «Die haben selber einen grossen Mangel, weil in den nächsten 15 Jahren in den deutschsprachigen Ländern 600‘000 Lehrer in Pension gehen.» Auch die höheren Schweizer Löhne könnten da kein Wunder bewirken. Peterhans fordert deshalb, den Beruf des Lehrers auch für Schweizer wieder attraktiv zu machen: durch eine massive Lohnerhöhung von zehn Prozent und eine Reduktion der Wochenstunden.

Die «idiotische Bürokratie»

SVP-Nationalrat Christoph Mörgeli winkt ab. Zwar hat die Partei des Uni-Professors die Bildungspolitik längst als neues Schlachtfeld entdeckt und kennt die Probleme der Leher. Sie will aber nicht mehr Geld in die Schulen stecken. Mörgelis Analyse: «Die Lehrer müssen immer mehr Sitzungen abhalten und Berichte verfassen. Von dieser idiotischen Bürokratie können wir sie entlasten, das geht auch ohne Mehrausgaben.» Der Historiker will den Job der Lehrer auch dadurch attraktiver machen, dass sie härter gegen schlecht erzogene oder gar renitente Schüler durchgreifen dürfen: «Wer permanent den Unterricht stört, muss mit einem Schulverweis rechnen», so Mörgeli. Er will ebenfalls die Eltern verstärkt in die Pflicht nehmen: Gerade muslimische Väter, so der SVP-Mann, hätten oft Mühe, die Autorität von weiblichem Lehrpersonal zu akzeptieren.

Unterstützung oder Burnout

Nationalrätin Katharina Prelicz-Huber kann über die Vorschläge ihres Kollegen nur den Kopf schütteln. Die SVP profiliere sich mit dummen Sprüchen, so die Politikerin der Grünen. Ein Lehrer könne heute nicht mehr ins Klassenzimmer spazieren und sich mit Drohungen profilieren. Prelicz-Huber sitzt zusammen mit Mörgeli in der Bildungskommission des Nationalrats. Und weiss aus eigener Erfahrung, woher die Disziplin-Probleme stammen: «Viele Eltern geben ihren Kindern nicht mehr so klare Werte und Normen mit auf den Weg. Deshalb müssen die Lehrer auch noch die Nacherziehung übernehmen, selbst auf der Sekundarstufe.» Ohne Unterstützung von Heil- und Sozialpädagogen seien sie dabei rasch Burnout-gefährdet: «Wenn wir im Bildungswesen eine Katastrophe verhindern wollen, müssen wir hier mehr Geld investieren», fordert die Nationalrätin.
Seklehrer brauchen heute Nerven wie Stahlseile – so wird der Job immer weniger attraktiv. (SoBli)
Seklehrer brauchen heute Nerven wie Stahlseile – so wird der Job immer weniger attraktiv. (SoBli)

Quereinsteiger ins Klassenzimmer locken

Auch Martin Wendelspiess, Amtschef des Zürcher Volksschulamts, macht sich grosse Sorgen wegen der Entwicklung bei den Seklehrern. Er will deshalb Primarlehrern schneller zu einem Seklehrer-Diplom verhelfen – und motivierte Quereinsteiger einbinden. «Leute mit Erfahrungen im Gewerbe oder bei den Arbeitslosenämtern würden den Sekundar- und Realschulen gut tun. Dank ihres Beziehungsnetzes könnten sie sich für ihre Schüler einsetzen und ihnen Lehrstellen verschaffen», erklärt Wendelspiess. Solche Quereinsteiger will er mit einer verkürzten Lehrerausbildung anlocken: «Kein 35-Jähriger will nochmals 4,5 Jahre lang die Schulbank drücken.»

(Quelle: blick online)

Kommentar: Ich begreife nicht, dass ausgebildeten Sekundarschulehrern Weiterbildungskurse aufgezwungen werden, die stufenspezifisch korrekt eingesetzt sind. Jene Lehrkräfte hingegen, die ohne Fachausbildung in Fächern unterrichten, sich selbst überlassen bleiben.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen