Donnerstag, 15. April 2010

Erika Burkart gestorben

Poetin mit Ausstrahlung aus dem Aargau

(sda) Die Aargauer Lyrikerin Erika Burkart ist gestorben. Sie wurde 2005 als erste und bisher einzige Schriftstellerin mit dem Grossen Preis der Schweizerischen Schillerstiftung ausgezeichnet. Schon 1978 hatte sie den Johann-Peter-Hebel erhalten. Sie starb am Mittwoch im Alter von 88 Jahren,

wie der Ammann-Verlag in Zürich am Donnerstag mitteilte.

Meine Frau, Hildegard holte im Jahre 1971 die profilierte Lyrikerin ERIKA BURKART an unsere Volkshochschule und lernte sie an diesem Anlass kennen. Die bescheidene Künstlerin verbrachte hernach einen Abend bei uns. Wir hatten gemeinsam gegessen und Erika Burkart widmete meiner Frau (als Dank für das Essen und das gemütliche Zusammensein) ein Gedicht, das bislang nie veröffentlicht wurde.

Im Gedenken an die unermüdliche Spracharbeiterin stelle ich heute - nach ihremTod - diese lesenswerten Wortbilder ins Netz.

Zudem legte die Mythenschöpferin meiner Frau auch noch ein neues Gedicht bei, welches damals frisch in der NZZ publiziert worden war, mit dem sinnigen Begleittext:

Der lieblichen Lotus-Frau. Mit herzlichem Gruss.

Erika Burkart

Hier das erwähnte unveröffentlichte Gedicht (von Hand geschrieben):

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Schattenlos wortfern

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Bambus und Efeu,

der fahlpelzigen Erde

mystische Blössen,

Winterwundstellen,

inständiges herzgrün.

Wo der Rabe schnarrte

funkelnde Stille,

Schneefeld offen,

Hungerwildland

An den Spitzen aber der Fichten

silberhell

bis zum Scheitel empor

eisiger Frühling

Frau Knill mit liebsten Grüssen und herzlichem Dank

Erika Burkart

Dez.71

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Zuletzt hat die NZZ folgendes Gedicht von Erika Burkart veröffentlicht:

Schafe im Schnee

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Wettergrau eine Bodenwolke,

siebzehn Schafe

unter glanzlosem Licht,

paarweis, als Dreiheit, allein

scharren, zupfen, weichen schrägaus

schlierigen Blicks,

eine hungrige Schar

stumpfweisser Herdentiere.

Gewahren sie oben am Weg

durch dichten Schneefall

die grosse Flocke,

halten sie auf mich zu

über die schiefe weite Wiese,

drängen bordauf, verklumpt

zu einem einzigen filzigen Fell,

gieren Kopf an Kopf, zucken,

scheuen zurück

vor dem Elektrozaun, starren,

stupsen und stossen – harren,

zermalmen, mahlende Mäuler,

die runzligen Äpfel im alten,

von ihren Hufen gestempelten Schnee.

Nicht zu orten das Blöken

des Lamms in der Frostnacht –

es klagt für uns alle –

seine Spur durch die Zeit,

unser Blut im Schnee, Stille und Klage,

die lange Nacht

und die kurzen Tage.

Im Frankfurter Weissbooks-Verlag erscheint im Mai Erika Burkarts

Gedichtband «Das späte Erkennen der Zeichen».

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Nachlese:

Die Symbolik - das Metamorphische - die Mythen und die Mystik geben sich die Hand

Ebenso unverzichtbar wie das eigene Schreiben war Erika Burkart das Lesen. Bis zuletzt hielt sie an beidem fest, auch wenn ihr die Hand immer öfter den Dienst versagte. Auch das Staunen, wie es dem unschuldigen Kind eigen ist, legte diese Schriftstellerin nie ab. Modeströmungen sass die Dichterin indes nie auf: Ihr lyrischer Ansatz ist zu suchen in der Eichendorffschen Romantik, nur wesentlich dunkler, in der Symbolik Rilkes und Georges, im Expressionismus Trakls, jedoch mit einem wesentlich weiteren Horizont. Das Metaphorische ist das eine, die Symbolik, darin sich Mythen und Mystik die Hand geben, das andere Zentrale im Werk der Burkart.

Zu schreiben von dem, was nicht beschrieben werden kann, was sich hinter der Oberfläche verbirgt, diesem Anspruch folgen die allermeisten Prosatexte und Gedichte der Burkart. Sichtbaren Ansatz kann ein einzelner Baum bieten, eine Wasseroberfläche, ein Falter oder das Gesicht eines geliebten Menschen. Die Wörter selbst sind Zeichen der Grenzen, vom Wachen ins Träumen, eigentliche Schwellenwörter vom Sichtbaren ins Unsichtbare. Eine verblüffende Beobachtungsgabe, ein selten erreichtes Sprachbewusstsein, das sind gewiss zwei der Ingredienzien, die sich an Burkarts Gedichten ablesen lassen. Und zweifellos auch eine «Traumwachheit», wie Jürgen Egyptien, der Laudator zur Verleihung des Grossen Schillerpreises 2005 an die Autorin, festhielt.

Scharfsinn und Intuition

Im vergangenen Jahr erschien «Geheimbrief», ein weiterer Band der Dichterin und der erste ihrer «Schmerztrilogie» (der zweite Band wird Anfang Mai herauskommen). In diesen Gedichten geht es um den Schmerz und die Einsamkeit eines Menschen, der im Alter der Flüchtigkeit dessen inne wird, was er als Dichter mit Geist und Körper gelebt hat. Burkarts «Schmerztrilogie» ist die bewegende Nachricht von einem Menschen, der mit offenen Augen ins Zwielicht der Schöpfung blickt und in einer Sprache Antwort gibt, in der Scharfsinn, Intuition und Empathie gleichermassen aufgehoben sind. Diese Sprache hat uns Erika Burkart hinterlassen – als Schatz und als Geschenk zum eigenen Geleit. (Berner Zeitung)

Erika Burkart 1980

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