Sonntag, 28. Dezember 2008

Mit Kritikern besser fertig werden

Dein Chef ist nicht zufrieden mit dir. Und du nicht damit, wie er dies laut, uncharmant und vor allen Kollegen kund tut. Was machst du?

Der andere mag etwas nicht an dir und tut dies kund. Das ist legal und schmerzt. «Kritik tut immer weh», sagt der Kommunikationsexperte Marcus Knill. «Aber ohne Kritik kommt man nicht weiter.»

Kritik kommt manchmal berechtigt, unvermittelt, zuweilen ungerechtfertigt, hin und wieder in einer sehr unangenehmen Art und Weise. Wie soll man darauf reagieren? Marcus Knill kennt ein Reaktionsschema, mit dem man sich und auch das Gegenüber nicht blossstellt.

Die Ausgangssituation: Dein Chef kritisiert dich an einer Sitzung, vor deinen Kollegen. Das richtige Verhalten:

- Zuhören: «Sie müssen sich die Kritik anhören», sagt Knill.

«Unterbrechen Sie ihn nicht, rechtfertigen Sie sich nicht, und wenn er schreit, brüllen Sie auf keinen Fall zurück. Das müssen Sie einfach durchstehen.»

- Quittieren: «Nehmen Sie die Kritik ernst und zeigen Sie, welche Botschaft bei Ihnen angekommen ist. Zum Beispiel: ‹Habe ich richtig verstanden, Sie haben das Gefühl, ich bin nicht vorbereitet?›»

- Fragen und klären: «Stellen Sie Rückfragen. Lassen Sie ihn genauer erklären, was er nicht gut findet. ‹Meinen Sie nur heute? oder ganz allgemein?›»

- Beschreiben: «Wenn er schreit oder sie persönlich angreift, gibt es nichts Wirksameres, als ihm einen Spiegel vorzuhalten. Stellen Sie fest, was passiert, ohne es zu kommentieren oder interpretieren: ‹Sie unterbrechen mich› zum Beispiel, oder: ‹Sie schreien mich an›, ‹Sie greifen mich jetzt vor allen hier persönlich an›. Gehen Sie nicht darauf ein, wenn er persönlich wird. Bleiben Sie auf jeden Fall sachlich.»

In die Augen sehen

«Wenn Sie kritisiert werden, blicken Sie automatisch nach unten. Sie machen einen Buckel oder verkrampfen sich, der Atem stockt», sagt Knill. «Das ist eine natürliche Reaktion. Wer dies erkennt, hält so Gegensteuer: Tief durchatmen, sich lockern, aufrichten und dem Chef in die Augen schauen - so fassen Sie Fuss und wirken präsent.»

Schlagfertigkeit sei in solchen Momenten bedingt gefragt. «Eine humorvolle Bemerkung, ein kluger Kommentar ist hilfreicher, als den Vorgesetzten blöd hinzustellen. Schlagfertigkeit wird leider oft gesehen als ‹den andern fertig zu machen und zu schlagen›. Das bringt meist nichts und kann sogar kontraproduktiv sein.»

Überraschung

«Wenn Sie eine Situation entschärfen wollen, müssen Sie sich antizyklisch verhalten», sagt Knill. «Es lohnt sich meist, das Gegenteil von dem zu machen, was das Gegenüber tut: Schreit jemand, reden Sie leise, ist er unfreundlich ist, seien Sie bewusst freundlich, wenn Sie gefragt werden, fragen Sie mit einer Klärungsfrage zurück.» Man mache damit genau das, was das Gegenüber nicht erwarte und entziehe sich dem Effekt, manipuliert zu werden. «Durch den Überraschungseffekt erhält Ihre Aussage mehr Aufmerksamkeit.»

Knallhart in der Sache

Muss man sich denn alles gefallen lassen? Und darf man nicht kommentieren, sich nicht wehren? «Nein, muss man nicht», sagt Knill. «Denn Menschen, denen man die Zigarette auf der Nase ausdrücken kann, respektiert man nicht.» Nur solle man nicht an der Sitzung vor allen zurückbrüllen oder den Chef blossstellen. «Machen Sie einen Termin mit Ihrem Chef ab. Sagen Sie ihm, Sie möchten etwas Wichtiges mit ihm besprechen.» Denn nie sollte man sowas zwischen Tür und Angel bereden. «An dieser Besprechung könnte es dann so tönen: ‹Ich gebe Ihnen Recht, ich hatte mich für diese Sitzung nicht vorbereitet. Das tut mir leid. Aber Sie haben mich vor allen Kollegen angeschrieen, und das hat mich wütend gemacht.› Sie zeigen so, dass Sie den Kritiker als Mensch ernst nehmen und wertschätzen.

Das Gegenüber verstehen heisst nicht, mit dieser Person einverstanden sein. Seien Sie freundlich im Ton, weich mit dem Menschen, aber knallhart in der Sache.»

www.knill.com und www.rhetorik.ch--->Harvard Prinzip

Antworten auf Reserve

«Man muss immer ein paar Pfeile im Köcher haben», sagt Knill. «Wenn man kritisiert wird oder in Bedrängnis gerät, muss man zuweilen etwas Zeit gewinnen, damit man überlegen kann, wie man reagieren will.» Im Folgenden ein paar Pfeile von Marcus Knill, die in einer Notsituation zum Einsatz kommen können.

Erwischt

Man ist an einer Sitzung abgeschweift und wird nun nach der Meinung gefragt. Man hat keine Ahnung, worum es gerade geht.

Antwort 1: «Ich habe gerade an etwas anderes gedacht. Könnten Sie die Frage bitte wiederholen?»

Antwort 2: «Wie meinen Sie diese Frage?» Er wird sie wiederholen, aber anders formulieren - das gibt Anhaltspunkte, worum es geht.

Die Echo-Frage

Der Chef fragt: «Haben Sie das E-Mail gelesen, das ich Ihnen gestern geschickt habe? » Sie müssen nachdenken, um welches Mail es sich handelt.

Antwort: «Gestern?» Mit dieser Echo-Frage können Sie Zeit gewinnen, Sie steuern die Diskussion nun um die Zeit. War es gestern oder vorgestern?

Kritik nicht als solche verstehen

Sie haben mit jemandem telefoniert und treffen diese Person nun zu einem Termin. Sie sagt enttäuscht: «Oh, ich dachte Sie seien jünger/älter.»

Antwort: «Wie kommen Sie darauf? War das wegen meiner Stimme?» Interessieren Sie sich für dieses Statement, indem Sie Rückfragen stellen. Auf keinen Fall sollten Sie sich rechtfertigen oder ihn als Vorwurf interpretieren.

Beschwichtigen

Jemand ist sehr aufgebracht und schreit Sie an. «Es reicht manchmal nur schon, ein ‹so, so› von sich zu geben oder ‹aber, aber›. Wenn Sie mit Vorwürfen konfrontiert werden: ‹Stimmt nicht. Aber haben wir jetzt Zeit, darüber zu reden?› oder: ‹Das sagen Sie!›.»

Helen Iten interviewte Marcus Knill

Quelle: Montag, das junge Magazin der Zentralschweiz

Link zum Artikel:

http://www.zisch.ch/navigation/top_main_nav/detail.htm?

Neue Luzerner Zeitung AG

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