Wenige Tage vor den Präsidentschaftswahlen in Amerika eröffnete das Museum für Gestaltung eine beachtenswerte Ausstellung über Politikerköpfe und die Manipulationstechniken, um gewählt zu werden.
Ich durfte die Fotoreihe von Angela Merkel analysieren und besprechen. Ich werde später darüber einen Beitrag machen.
Wähl mich!
Eine Ausstellung führt vor Augen, mit welchen Bildformeln Politisierende um die Wählergunst kämpfen.
Am eifrigsten war Julija Timoschenko: Die ukrainische Ministerpräsidentin beantwortete die an sämtliche Regierungen der Welt gegangene Anfrage des Museums für Gestaltung um ein Porträt ihres Staatsoberhaupts gleich mit einer ganzen Kiste voller Propagandaplakate. Darin tritt die stilbewusste Blondine mit dem Bauernzopf in immer wechselnden Rollen auf: als kühle Strategin, als Astronautin oder Mutter Teresa. Politik als karnevalesker Personenkult.
Die Episode offenbart, wie sorgfältig Politisierende ihr öffentliches Profil über Bilder aufbauen und pflegen. Ihre Gesichter sind die Markenzeichen, in denen sich die gesamte Wahlkampfrhetorik verdichtet. Spezialisierte Berater stehen ihnen zur Seite. Die mächtigen Einflüsterer greifen dabei auf wiederkehrende Bildformeln zurück. Welche das sind - nach welchen Mustern sich Politisierende im Wahlkampf inszenieren -, zeigt das Museum für Gestaltung in einer überraschenden Schau.
Pathos und Demontage
Gleich zu Beginn begegnen wir dem «Common Man», der sich gerne mit Fussballschal oder im T-Shirt zeigt und zur Classe politique auf Distanz geht - ein Typus, der in der Schweiz besonders gut ankommt. Dagegen badet der «Volksfreund» in der jubelnden Menge, während sich der «Economic Man» vor Industrieanlagen aufbaut und der «Visionär» bedeutungsvoll in die Ferne blickt
.
Einem aber gelingt es, all diese Eigenschaften in einer Person zu vereinen: Silvio Berlusconi. In einem 130-seitigen, 21 Millionen Mal aufgelegten Heft präsentiert er sich als Mustersohn, Philosoph, Gärtner, Tifoso und Wirtschaftskapitän. Ein Alleskönner, für alle wählbar. Berlusconi überwindet damit eine grundsätzliche Einschränkung des Mediums Plakat: Es kann nur eine einzige Botschaft transportieren. Das zwingt die Politisierenden dazu, ihre Position auf eine - möglichst mehrheitsfähige - Kernbotschaft zu verdichten. Für die Qualität der Grafik bedeutet dies nichts Gutes: Politikerplakate neigen zur konventionellen, mutlosen Darstellung. Bedeutend bunter wird es dagegen, wenn die Politisierenden sich fern jedes Wahlkalküls inszenieren: Die Porträts der Zürcher Regierungsratspräsidentinnen und -präsidenten aus dem Walcheturm, die nicht für die breite Öffentlichkeit bestimmt sind, stehen mit ihren persönlichen, bisweilen spleenigen Bildideen in deutlichem Gegensatz zur klassischen Repräsentation.
Anhand so unterschiedlicher Politstars wie Lenin und Schwarzenegger führt die Schau ferner vor Augen, wie sich Images über Bilder gezielt verändern lassen. So verschmilzt Schwarzenegger seine Vergangenheit als Muskel- und Actionheld mit seiner Rolle als Gouverneur geschickt zu einem Kondensat, das den Wählern Durchsetzungskraft und Verlässlichkeit suggeriert.
Pathetische Inszenierungen fordern selbstverständlich zur Demontage heraus. Die klug komponierte Ausstellung spart auch diese bissigen Konterkampagnen nicht aus. Und erstaunt so mit einem Unterhaltungswert, den man ihr aufgrund ihres Sujets nicht zugetraut hätte.
Zürich, Museum für Gestaltung, Ausstellungsstr. 60, «Kopf an Kopf - Politikerporträts» bis 22.2.;«Kopf an Kopf – Politikerporträts»
Obama beschwört zwar politisch den Wandel, reiht sich aber gestalterisch in eine Traditionslinie ein, wie dieses Wahlplakat von John F. Kennedy zeigt.
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