Spiegel-onlines Vorinformationen:
Nashville - Die Sonne scheint warm auf den grünen Campus der Belmont-Universität in Nashville, und die Debatte ist schon voll im Gange. Barack Obama und John McCain werden erst am Dienstagabend hier streiten, im zweiten TV-Duell. Aber jetzt hat der Gouverneur von Tennessee zur Diskussion geladen. Es geht, ausgerechnet, um "civility", um höflichen Umgang. Prominente Republikaner und Demokraten sitzen nebeneinander, sie schreien nicht, sie reden nicht übereinander, sie sprechen miteinander. Die Beiträge kreisen darum, wie der Wahlkampf so hässlich werden konnte, und wo denn eigentlich die politischen Inhalte geblieben seien. Sie klingen ein wenig ratlos.
Es ist nur ein Beiprogramm, diese Nachmittagsdiskussion, eine Etappe im Countdown zum Kandidaten-Schlagabtausch. Doch sie wirkt wie eine Aufforderung zur Mäßigung an die beiden Bewerber. Genau wie die staatstragende Ausstellung aller US-Präsidenten in der Nähe des Debattensaals, mit umfassender Würdigung der Verdienste von Vertretern beider Parteien. Davor stehen ein paar Belmont-Studenten, sie reden natürlich über das TV-Duell, sie wünschen sich, dass Obama und McCain möglichst konkrete Antworten geben auf die Fragen der Bürger. "Sie sollen bloß nicht wieder aufeinander losgehen", sagt einer.
MEHR ÜBER...
Soll heißen: Obama ist eine riskante Wahl. McCain-Vize Sarah Palin, die schon am Wochenende den Demokraten in die Nähe von Terroristen gerückt hatte, schlägt in dieselbe Kerbe: "Barack Obama sieht Amerika als unperfekt genug an, um mit ehemaligen Terroristen zusammenzuarbeiten, die unser eigenes Land angegriffen haben", ruft sie. Palin spielt darauf an, dass der ehemalige Vietnam-Protestler und Bombenwerfer Will Ayers einst mit Obama im Vorstand einer Stiftung in Chicago gedient hat. Auf McCain-Wahlkampfveranstaltungen sprechen Redner mittlerweile den vollen Namen Obamas genüsslich aus: "Barack Hussein Obama."
US-PRÄSIDENTSCHAFT: OBAMA UND MCCAIN IM DAUERWAHLKAMPF
Fotostrecke starten: Klicken Sie auf ein Bild (14 Bilder)
Sechs Millionen Zusendungen für sechs oder sieben Fragen
Im "Curb Event Center", wo die Kandidaten debattieren werden, wirkt das Getöse weit weg. Vor blauer Wand prangt die Aufschrift "Die Union und die Verfassung auf ewig", weicher roter Teppich schluckt den Hall der Schritte.
Es ist ein großer Saal, doch eigentlich dreht sich alles um einen kleinen Halbkreis im Scheinwerferlicht. In dem stehen zwei Stühle mit grauer Polsterlehne. Auf denen dürfen die beiden Kandidaten Platz nehmen, sie dürfen auch aufstehen, aber sie müssen im zugewiesenen Teil der Bühne bleiben. Drumherum stehen rund 80 graue Sessel für Bürger, aus deren Kreis die Fragen kommen werden.
Trotz solcher strengen Regeln steht also eine Art Bürgersprechstunde an - die einzige der drei Fernseh-Debatten. McCain liebt solche Runden. Sie haben ihm die Kandidatur der Republikaner gesichert. McCain, hinterm Rednerpult oft steif und ungelenk, wirkte im Vorwahlkampf im direkten Austausch mit Wählern locker und entspannt. Er scherzte über sein Alter, er sprach bewegend von Verantwortung und Vaterlandsliebe. So wohl fühlte sich McCain in solchen Runden, dass er Obama über den Sommer antrug, ein Dutzend Mal gemeinsam vor die Bürger zu treten - was der Demokrat aber ablehnte. Obamas Team hat übrigens bereits versucht, die Erwartungen für das zweite TV-Duell herunterzuschrauben. "Diese Art Veranstaltung ist ein Heimspiel für John McCain", lassen Obama-Strategen verlauten.
McCain trainierte tagelang auf der Ranch
Die Attacken der vergangenen Tage auf Obamas Charakter sollen dabei helfen, doch sie könnten heute Abend auch zum Dilemma für den Republikaner werden. Denn in der TV-Bürgersprechstunde, die bis zu 70 Millionen Zuschauer sehen könnten, erwarten die Zuschauer Antworten auf konkrete Fragen - und eine überzeugende Vision, wie beide Bewerber das Land aus der Wirtschaftskrise führen wollen. Attacken auf den Rivalen, wie McCains Lager sie in den letzten Tagen begann, dürften nach hinten losgehen.
Chuck Todd, politischer Direktor des Fernsehsenders NBC, steht am Abend vor der Belmont Universität. Todd ist der Zahlenguru dieses Wahlkampfes, er hat auch jetzt die neuesten Umfragen parat, er verkündet sie atemlos in die Kamera, und fast wirkt es, als könne Todd die selbst nicht glauben: Nur noch zwölf Prozent der Amerikaner glauben, dass das Land in die richtige Richtung marschiert. Wenn man Hardcore-Republikaner herausrechnet, sind nur noch zehn Prozent der US-Bürger mit Bushs Amtsführung zufrieden.
Wie soll McCain angesichts so negativer Vorzeichen eigentlich noch eine Chance haben, grübelt Todd laut. Mit Verweisen auf Obamas Mittelnamen oder seine angeblichen Terroristenverbindungen? Todd ist skeptisch. "Die Wähler scheinen so fixiert auf die Wirtschaftslage", sagt er, "dass sie sich vielleicht diesen ganzen anderen Müll gar nicht beachten werden."
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen