Mittwoch, 23. April 2008

Quelle Kleinreport:

Vom Umgang der Medien mit Tibet und der Olympiade

Über die Frage, wie sich die Medien mit dem Thema Tibet und den Ereignissen vor und während der Olympischen Spiele in Peking befassen sollen, diskutierten am Dienstag im Wiener Rathaus verschiedene Chefredaktoren europäischer Medien. Dabei lehnte sich «Le Matin»-Chefredaktor Peter Rothenbühler ziemlich weit aus dem Fenster, als er laut dem Branchendienst Newsroom das Internationale Olympische Komitee (IOC) als «eine undemokratische, leicht korrupte und von Geld gesteuerte Organisation» abkanzelte. Er sei grundsätzlich dafür, dass die Spiele in China stattfinden, räumte er ein, weil China derzeit einer der weltweit spannendsten Schauplätze sei. «Es ist allerdings völlig falsch, politische Anliegen an China an das IOC und die Sportler zu delegieren.»

Peter Rothenbühler war mit seiner Einschätzung nicht allein: «Was wir eben erleben, ist eine riesige Heuchelei», sagte der Informationsdirektor des ORF, Elmar Oberhauser.

Das IOC habe vollkommen versagt, denn man wusste ganz genau, was in Tibet passiert.

"Herr Rogge hätte zehn Jahre lang Zeit gehabt, auf die Probleme aufmerksam zu machen, und man hätte in letzter Konsequenz die Olympischen Spiele erst gar nicht an China vergeben dürfen»

, sagte Oberhauser.

Dieser Entscheid sei sehr

wohl eine politische Entscheidung und daher könne man sich auch nicht auf Sportberichterstattung reduzieren, antwortete Uwe Vorkötter, Chefredaktor der «Frankfurter Rundschau». Man müsse sich aber ernsthaft fragen, ob die Redaktionen auf diese Situation ausreichend vorbereitet seien.

Andreas Cichowicz, Chefredaktor des NDR und bei der ARD für die China-Berichterstattung zuständig, plädierte für politische Aufmerksamkeit:

«Wir dürfen das Licht nicht ausknipsen, sondern müssen vielmehr unsere Scheinwerfer auf die dunklen Seiten in China richten.»

Kritische Fragen an die Wirtschaft und an Sponsoren, wie sie mit der aktuellen Situation umgehen, hätten dem NDR bei Volkswagen indes grossen Ärger eingebracht. Interviews der NDR-Sportberichterstatter würden derzeit konsequent von VW verweigert.

Dass die Eröffnung der Spiele 2008 in Peking eine «Eröffnung der leeren Stühle wird», träumt Rubina Möhring, Vizepräsidentin von Reporter ohne Grenzen. Auch der Europa-Gesandte des Dalai Lama, Kelsang Gyaltsen, mahnte die Regierungschefs in der Wahl ihrer Gesten.

China fürchtet den Gesichtsverlust, wenn die Chefs nicht zur Eröffnung der Spiele kommen würden.

Er selbst fürchte aber, dass nach diesem Sommer in Tibet noch alles viel schlimmer kommen wird.

«Die Chinesen werden alles unternehmen, dass es nie wieder eine Erhebung der Tibeter geben wird, so wie wir sie derzeit erleben», sagte Gyaltsen.

Kommentar: Mit der Wahl Pekings für die Olympiade war es klar, dass die Menschenrechtsfrage nicht völlig ausgeklammert werden kann. Obschon sich die Wirtschaft mit China nicht anlegen will und das IOC zuerst geglaubt hatte, dass an eine völlige Trennung von Politik und Sport durchgezogen werden könne, musste einsehen, dass dieser Trennungsstrich nicht mehr so einfach und leicht gezogen werden kann.

Gewiss werden nicht nur Vor- und Nachteile von Boykotts oder das Fernbleiben an der Eröffnungsfeier diskutiert werden. Uns interessiert es vor allem, wie sich die Sportler verhalten, denen keinen Maulkorb auferlegt werden. Aber auch und wie sich die Journalisten verhalten, denen - immerhin während der Spiele - Bewegungsfreiheit versprochen wurde.

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