Die CVP setzt im Wahlkampf mit einer Negativkampagne auf Konfrontation: Wer bei Google nach anderen Politikern sucht, landet auf einer CVP-Seite, die auf den ersten Blick nicht als solche erkennbar ist. Dort wird einem erklärt, warum man statt der gegoogelten Person besser einen CVP-Kandidaten wählt.
Also weder nett noch lösungsorientiert ...
Genau. Die Kampagne schiesst an der ländlichen, gemässigten, mittelständigen Stammwählerschaft vorbei. Eigentlich müsste die Partei Hausbesuche bei ihrer Basis machen, um diese Stimmen zu halten – und nicht online andere Politiker diffamieren.
Aber sie sorgt für Gesprächsstoff …
Auffallen im Wahlkampf ist grundsätzlich nicht schlecht und bringt Beachtung. Polarisieren muss man aber strategisch: Nehmen sie die «schwarzen Schafe» der SVP. Viele waren empört, aber den Stammwählern der SVP sprach das damals aus den Herzen. Bei dieser Kampagne nimmt man das der CVP nicht ab.
Sie könnte zum Rohrkrepierer werden?
Gut möglich, dass viele der CVP-Basis das nicht gerade mobilisiert. Schliesslich startete die Partei mit dem Slogan «Wir halten die Schweiz zusammen» in den Wahlkampf. Diese Kampagne impliziert das überhaupt nicht. Ich kann auch keine Gesamtstrategie dahinter sehen.
«Fake-News», «Hetze», «ohne Anstand»: Betroffene Politiker laufen sturm. Zu Recht?
Ja. Ich kann deren Unmut verstehen. Googelt jemand nach ihrem Namen, wird er auf eine falsche Seite geleitet. Das ist irreführend, zumindest wird die Irreführung in Kauf genommen. Zudem sind auf diesen Seiten nicht direkte Aussagen der Politiker aufgeführt, sondern nur vage Positionen seiner Partei, die die CVP ihren Lösungen gegenüberstellt.
Also kein Pendant zum amerikanischen Wahlkampf?
Mitnichten. Dort ist «opposition research» gang und gäbe. Dabei werden aber gemachte Aussagen oder Abstimmungsverhalten von politischen Gegner widerlegt, hinterfragt und kritisch beäugt. Das hat einen direkten Bezug zur angegriffenen Person mit Quellenangaben. Das ist bei der CVP-Kampagne nicht der Fall.
Ist das Abzielen auf einzelne Politiker ein Novum im Schweizer Wahlkampf?
Von einer Mittepartei schon und mit dieser digitalen Ausbreitung auf Kandidaten von links bis rechts ebenfalls. Aber die SVP hat schon in den letzten zwanzig Jahren im Wahlkampf öfter gezielt Einzelpersonen attackiert. Und umgekehrt musste auch Christoph Blocher schon einige Angriffe von linker Seite einstecken.
Warum macht die CVP nicht einmal vor FDP-Kandidaten halt?
Das erschliesst sich mir auch nicht. In vielen Kantonen haben die beiden Parteien Listenverbindungen, sind aufeinander angewiesen, vertreten ähnliche Positionen. Nachdem die CVP sich etwas von der Umarmung von GLP und BDP distanzierte, müsste sie der Partnerin FDP mehr Sorge tragen.
Ratlosigkeit, ein letzter Strohhalm: Was bringt eine Partei dazu, eine solche Kampagne zu starten?
Der verführerische Gesang der Meerjungfrau? (lacht) Viele Politiker denken, der Onlinewahlkampf sei günstig und quasi automatisch. Aber beides ist falsch.
*Louis Perron ist Politologe und Politberater aus Zürich.
KOMMENTAR:
Immer, wenn sich die Konkurrenz beschwert, ist das Marketing gelungen, immerhin ist man im Gerede und fokussiert die Aufmerksamkeit auf sich.
Das allein genügt nicht. Die SVP mit dem umstrittenen Apfelplakat eckte ebenfalls in eigenen Kreisen an. Doch gelang es der Partei Ihre Botschaft von der gefährdeten Souveränität in den Repliken zu vermitteln.
Andere Politiker zu diffamieren gehört nicht zur CVP mit dem grossen C. Die Kampagne passt nicht zur christlichen Mittepartei.
Der Verzicht auf langweilige Plakate ist zwar mutig. Doch müsste die Partei ihre Kernbotschaft online nachhaltig verbreiten. Der Slogan "Wir halten die Schweiz zusammen" stimmt nicht mit dem Resultat der Kampagne überein.
Denn sie spaltet die Partei und dividiert auch andere Parteien auseinander. Unverständlich, dass sich die CVP in der Kampagne anlegt mit der FDP. (hat sie doch mit der FDP vielerorts Listenverbindungen).
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