Dienstag, 12. Februar 2019

Phänomen Maudet

Medienrhetorik

Phänomen Maudet - der Deflonpolitiker

 

Der ehemalige Bundesratskandidat  im Ueberlebensmodus.

 

Pierre Maudet ist tief gefallen. Der Grund war eine Luxusreise im November 2015. Der FDP Politstar reiste auf Einladung von Prinz Mohammed bin Zayed   mit seiner Familie und einem engen Mitarbeiter nach Abu Dhabi zu einem Formel 1-Rennen. Der Prinz übernahm die Kosten  der Reise im Wert von rund 60'000 Franken.  Maudet stritt dies beharrlich ab. Erst im Frühling gab er es zu. Sein Geständnis - perfekt inszeniert im Lokalfernsehen - stürzte den Kanton Genf in eine politische Krise. Dies war es nur der Anfang einer  Serie von Enthüllungen.

Es wurde auch bekannt, dass Pierre Maudet seine Mandatsabgaben an die FDP von Dritten bezahlen liess, Es geht um mehrere Zehntausend Franken. Unverschämter geht es wohl kaum, wenn es stimmt, dass er  diese Zuwendungen sogar  von den Steuern abgezogen hat. Eine neue Enthüllung wurde zudem kurz vor der jüngsten FDP Veranstaltung publiziert. Maudet soll seine Wahlkämpfe aus einer schwarzen Kasse gezahlt haben. Heute ermittelt die Staatsanwaltschaft  gegen ihn.

Ein Ausnahmetalent

Wäre der Politiker, der billant, volksnah und charmant auftritt und von allen bewundert wurde, zum Bundesrat gewählt worden, hätte die Schweiz heute einen Magistraten, der gelogen, getrickst und alle kaltschnäuzig geblendet hat: Seine Parteifreunde, die Medien, die Staatsanwaltschaft und das Volk. Wir hätten einen Narzissten als Bundesrat mit einer fragwürdigen Persönlich. Er schaffte die Treppe  im Eiltempo nach oben.
Mit Chefredakteuren ist er per Du.
Er war ein Ausnahmetalent im Lügen. Er erfand laufend neue Versionen seiner Fehltritte. Es gelang  ihm, einen Grossteil der Genfer FDP Parteimitglieder trotz seines Geständnisses so zu blenden, dass sie ihm trotz aller Verfehlungen das Vertrauen aussprachen. Maudet geht es vor allem um sich und seinn Willen zur Macht.
Peter Rothenbühler trifft den Nagel auf den Kopf, wenn er schreibt:
"Maudet hält sich für eine Ausnahme, weil er eine ist."
Dervielsagende Schlüsselsatz von Maudet gibt zu denken:
"Was ich getan habe, gleicht mir nicht."
Erstaunlich ist sein übersteigertes Selbstwertgefühl. Trotz seiner Lügen und Verfehlungen zeigt er sich in der Oeffentlichkeit noch heute als Strahlemann. Er sieht sich nach wie vor als Primus.
Wie verblendet muss er sein, den knappen Sieg bei der Genfer FDP mit erhobenen Armen zu feiern.  



 
Maudet kann  als Staatsrat nicht zum Rücktritt gezwungen werden. Weil er jedoch der FDP imagemässig grossen Schaden zufügte, wurde er von der FDP Präsidentin  gebeten, sein Amt niederzulegen.
Sein Ansehen Maudets hat  bei den Parteikollegen  im Parlament enorm gelitten. Maudet  machte aber  klar, dass er auch bei einem deutlichen Misstrauensvotum nicht zurücktreten werde. Er werde erst demissionieren, wenn er  rechtskräftig verurteilt worden ist.
Ich habe selten jemand gesehen, an dem  jede Kritik und Verfehlung so abperlt, wie das Wasser von einer Gans.

Die leidige Salamitaktik

Der Sünder versteht es heute noch, einen Grossteil der Genfer FDP Mitglieder  in seinen Bann ziehen. Unglaublich!
Er wolle «Genf dienen», sagte Maudet  und entschuldigte sich in der FDP-Generalversammlung  für seine Lügen und sein Fehlverhalten mit folgenden Worten:
«Ich entschuldige mich nicht um der Form willen oder aus Höflichkeit». Er könne sich selber nicht vergeben.
Trotz der Entschuldigung forderte der Präsident der Genfer FDP, Alexandre de Senarclens Maudet zum Rücktritt auf, mit der Begründung: «Pierre, du hast uns verraten, indem du uns monatelang angelogen hast» und kündigte vor der Abstimmung an:
«Falls die Basis die Parteileitung desavouiert, indem sie Pierre Maudet unterstützt, werde ich zurücktreten».
 Maudet entschuldigte sich stets nur scheibchenweise für das,  was jeweils ans Tageslicht gekommen war.
Mitten im Sumpf - immer wieder tritt der Strahlemann  selbstsicher, gut gekleidet und mit Siegermiene vor die Oeffentlichkeit. Am Schluss verteidigte sich Maudet gegen alle weiteren Vorwürfe - die in den letzten Monaten gegen ihn gerichtet wurden - mit den Worten:

«Ich will kämpfen - für euch, für uns, für unsere Ideen. Mit Kraft und mit Herzen».

Diese Formulierung könnte von einem Staatsmann stammen, der  in einer Krisensituation  zum Volk spricht. Churchill lässt grüssen.

 Hätte Maudet rasch - von sich aus - die Wahrheit auf den Tisch gelegt, statt sich in einem Lügengeflecht zu verstricken, hätte der Fall Maudet nie die heutigen Dimensionen angenommen.
In einem neueren Interview auf Deutsch wirkt  Maudet erstmal müde,  unsicher – aber weiterhin kämpferisch. (aus Interview im Persönlich.com)

Die Eigenverantwortung ist gefragt

In der Schweiz gibt es bislang kein eigentliches Amtenthebungsverfahren.
Gemäss Parlamentsgesetz können die Räte einzig in klar definierten, gesundheitlich bedingten Fällen die Amtsunfähigkeit eines Mitglieds der Landesregierung feststellen.
Wer jedoch das Vertrauen von Kollegen und der Partei  verloren hat oder seine Amtsführung vernachlässigt, sollte den Mut aufbringen, seinen Rücktritt einzureichen. Nur so gewänne die Bevölkerung das Vertrauen in die Institution oder Partei  zurück. Erst durch den Rücktritt wäre ein Neuanfang glaubhaft. Kurz: Es braucht auch in der Schweiz, was andernorts viel weiter fortgeschritten ist – eine Rücktrittskultur, die diesen Namen auch verdient.

Weshalb will Maudet den Fall aussitzen?

Vielleicht glaubt er tatsächlich, dass er nichts Unrechtes getan hat und alles für seine Karriere belanglos ist (These des Politologen Georg Lutz).
Es aber auch gut denkbar, dass er die Affaire aussitzen will um sich, die lebenslange Rente zu sichern, die es im Kanton Genf gibt. Das wäre menschlich verständlich, aber der Sache nicht dienlich.

Vom Wunderkind zum Egoman

«Maudet galt jahrelang als das Wunderkind der Schweizer Politik, sein Weg in den Stände- oder sogar Bundesrat war vorgezeichnet» , sagt Politologe Mark Balsiger. Er habe aber offenbar schon seit geraumer Zeit den Boden unter den Füssen verloren und halte sich für unantastbar. 
«Maudet fehlt es offensichtlich an Reflexionsvermögen in eigener Sache. Dieser Fall beschädigt generell das Ansehen der Politik», findet Balsiger.
Denkbar ist ferner: Maudet das Persönlichkeitsprofil eiens Narzissten  Er ist "Ich bezogen", ein Egomane.
Ich, ich und nochmals ich.
Er argumentiert wie ein Kind wenn er druchblicken lässt: "Andere lügen auch". Dies zeugt von mangelnder Selbstkritikfähigkeit. Seine Uneinsichtigkeit macht ihn blind für Fakten. Doch sein zu grosses Ego hat ihm möglicherweise  zu seinem steilen Aufstieg verholfen.


Maudet steckt Vorwürfe weg

Pierre Maudet lässt Vorwürfe nicht auf sich sitzen. Zum Vorwurf, er sei arrogant, habe den Boden unter den Füssen verloren, kontert er:
«Ich möchte kämpfen und meine Energie in den Dienst von Genf stellen. Ich will der FDP und dem Kanton Genf dienen. Das ist Entschlossenheit und keine Arroganz.»
Maudet sagt, er sei nach der parteiinternen Vertrauensabstimmung über die Spaltung betrübt. Die Partei habe jedoch ihre "Fähigkeit zur Debatte" unter Beweis gestellt. Die kritischen Stimmen nehme er ernst. Auf die Frage, ob es nicht einfacher wäre, einfach zurückzutreten? «Ich war nie jemand, der den einfachen Weg gehen wollte.»
Ein Politiker müsse vorbildlich sein. Vorbildlich zu sein bedeute jedoch nicht, unfehlbar zu sein. Er denke auch an die zwölf guten Jahre, in denen er sich für seine Stadt und seinen Kanton eingesetzt habe. Dies habe auch die Mehrheit der Genfer Partei nicht vergessen. «Ich möchte deshalb das Vertrauen in meine Person wiederherstellen.»
Er habe die Reise nach Abu Dhabi nur unternommen, um für die Interessen des Kantons Genf einzustehen. Maudet sagt: «Es ging dabei nie um privilegierte Behandlung oder um Gegenleistungen.» (Quelle Blick)

Trotz Lügenvorwurfs und Strafverfahren wehrte sich der Genfer Regierungsrat Pierre Maudet (FDP) in Interviews mit der «SonntagsZeitung» und «Le Matin Dimanche»  gegen einen Rücktritt:

«Ich muss als Politiker zwar vorbildlich, aber nicht unfehlbar sein.»
«Wer Demokratie und Rechtsstaat ernst nimmt, tritt auch aus Respekt vor seinen Wählern nicht einfach zurück, bevor ein Urteil vorliegt», sagte Maudet im Blick Interview Die Politik habe Leute nötig, die bereit und fähig seien, harte Auseinandersetzungen zu führen.

Nach dem Motto: "Angriff ist die beste Verteidigung"
Maudet greift  in den Interviews Parteipräsidentin Petra Gössi an, die seit längerem seinen Rücktritt fordert.
 Durch ihre Rücktrittsforderung ist «der Eindruck entstanden, die Partei lasse ihre Gewählten bei den ersten Schwierigkeiten gleich fallen». Die Partei solle ihre Politiker stützen, bis eine allfällige Schuld erwiesen sei. Gössi habe vorschnell geurteil, bevor die FDP Basis ihn eindeutig gestützt habe.

Maudet greift auch die Staatanwälte an. Sie müssten ausgewechselt werden, weil sie das Amtsgeheimnis verletzt hätten.
Auf die Fehler (Abzug der Spenden an den Steuern usw.) geht er nie konkret ein.
Nach dem Muster: "Andere machen ja auch Fehler".

Maudet:

 "Ein Politiker muss nicht unfehlbar sein. Fehler gilt es  zu korrigieren." 

Maudet gibt sich stets als Sieger - obwohl sein "Sieg" in Genf  ein Sieg ohne Gewinner ist.

Seine Partei  ist derzeit tief gespalten.
Die FDP musste zu viele Kräfte für den uneinsichtigen Politiker binden und darunter leiden die Alltagsgeschäfte.
Nun muss das Urteil der Strafuntersuchung abgewartet werden. Es kann bis März dauern,
bis ein Urteil vorliegt.
Maudet will die Geschichte aussitzen und lässt die Bevölkerung wissen, er habe noch viel zu tun.

"Lasst mich doch arbeiten."



Uneinsichtig und Schuldzuweisungen

Seine Partei solle das Problem nicht noch grösser machen, indem sie sich dauernd mit ihm und seinem Fall beschäftige, sagte der dreifache Familienvater. «Wie gross wäre der Schaden, wenn ich in sechs Monaten freigesprochen werde, und die Partei hätte mich zum Rücktritt gezwungen?»
Maudet kritisiert, dass man ihn nach zwölf Jahren in der Regierung jetzt bloss an einer falschen Einschätzung und einer Lüge messe. «Ich habe gelogen, und die Reise in die Emirate hätte ich nie annehmen sollen. Und natürlich hat meine Glaubwürdigkeit gelitten. Aber ich habe meiner Meinung nach nichts Strafbares gemacht.»

Ich zitiere SRF:
Rolin Wavre war der Architekt von Maudets Bundesratswahlkampf. Er beschreibt Maudet als «politisches Monster». Er sei jemand, «der nur an Politik denkt». Maudet sei ein Ausnahmetalent – ausser wenn es um ihn selbst gehe, sagt Wavre: «Ich glaube, dass er seine Projekte viel besser verteidigt hat, als sich selbst.»
Deutlich kritischer sieht Pierre Ruetschi den FDP-Staatsrat. Ruetschi war Chefredaktor der «Tribune de Genève», die die Affäre Maudet aufgedeckt hat. Er meint, der Politiker habe verlernt, anderen zuzuhören: «Man sieht heute, Pierre Maudet ist isoliert.» Er sei sich derart gewohnt, Recht zu haben, dass er noch jetzt glaube, im Recht zu sein.

«Verschmelzung von Ego und Funktion»

Der Politiker scheint gänzlich unbeeindruckt von jeder Kritik. Er stecke noch in der Anfangsphase der Krise, so die Psychologin Ruth Enzler. Für die Rundschau hat sie die Auftritte von Maudet analysiert. Ihr Fazit: «Er denkt: Ich bin Genf. Und Genf wählt man nicht ab, das geht nicht.» Enzler: «Das ist eine Verschmelzung von Ego, dem Ich und der Funktion.»

Wer Modet analysiert ist ein "Küchenpsychologe"
  
Eine Person in Maudets Position könne dies fast nicht mehr trennen. Er wolle zeigen, «dass er doch Recht hat. Dass er doch verdient hat, an dem Ort zu sein und weiterregieren zu dürfen.» Er habe, so die Psychologin Enzler, den Menschen vermittelt: «Ihr seid toll – so toll wie ich es bin.» Sein Antrieb sei: «immer alles unter Kontrolle zu haben, immer Recht zu haben und Applaus zu bekommen».

Pierre Maudet hat sein Leben ganz der Politik gewidmet. Mit 25 Jahren war er Parteipräsident, mit 30 Jahren Stadtrat, mit 35 Jahren Staatsrat. Er sagt, er arbeite täglich 15 Stunden, sieben Tage die Woche.

In der Folge der Affäre um seine Reise nach Abu Dhabi entzog ihm die Regierung Anfang Jahr fast alle Dossiers. Er selbst beteuert, dass er unschuldig sei und dass das Ende der Strafermittlungen abgewartet werden soll.
Pierre Maudet lehnt ein Interview mit der Rundschau ab. Die Einschätzungen der Experten zu seiner Person bezeichnet er in einer schriftlichen Stellungnahme als «Küchenpsychologie». Und weiter: «Diese extravaganten Aussagen, ohne Bezug zur Wirklichkeit meiner Funktion, werde ich bestimmt nicht kommentieren.»
 
FAZIT und KOMMENTAR:
Hätte Maudet bei der geschenkten Reise sofort die Wahrheit  offen gelegt, verbunden mit einem glaubwürdigen Mea Culpa, wären vermutlich die möglichen Steuertricksereien  nie an die Öffentlichkeit gelangt, und der  Shootingstar der FDP hätte sich sogar noch gute Chancen auf die Nachfolge von Ignazio Cassis als Bundesrat ausrechnen können.
Eine  Flucht nach vorne ist zwar ungemütlich, aber  kann sich lohnen. Ich verweise auf den Fall Christophe Darbellay im Jahre 2016, als der Ex-CVP-Präsident und Familienpolitiker zugegeben hat, dass er ein unehliches Kind habe.  Trotz der schlagzeilenträchtigen Beichte wurde Darbellay ein halbes Jahr später problemlos in den Walliser Staatsrat gewählt.
Kommen jedoch laufend neue Elemente ans Licht, die das Vertrauen eines Politikers untergraben, sind die Folgen  für alle Beteiligten schädlich. Bei Maudet wird  die FDP in Geiselhaft  genommen. Die Partei kann sich der Geschichte nicht mehr so rasch entledigen. Ihr Image  sowie die innere Kohäsion ist langfristig beschädigt. Politische Alltagsgeschäfte der Partei werden blockiert.

Ein erfahrener Ex- Politiker verriet mir folgende drei politische Regeln, die es zu befolgen gälte. Aus meiner Sicht fragwürdige Regeln. Doch haben sie ihm angeblich Erfolg gebracht: 

Politische Regel Nr. 1: 
Man darf alles tun und nehmen, man darf sich aber nicht erwischen lassen.

Politische Regel Nr. 2:
Wird man dummerweise doch erwischt, bereut man höchst aufrichtig und beteuert, möglichen Schaden wieder gut zu machen.

Politische Regel Nr. 3:
Man geht möglichst schnell zum Alltag über und hofft, dass bald eine neue Sau durchs Dorf getrieben wird.


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